Mindestens 3 Generationen kennen sein Gesicht und seine Stimme aus Funk und Fernsehen. Mindestens 2 Generationen von Politikern besuchen seine Lesungen. Mindestens 1 Generation nicht unumstrittener Strömungen im Land nutzen ihn als Gallionsfigur. Die Rede ist von einem Jahrhundert-Journalisten und zeitweiligen ARD und ZDF Kader: Peter Scholl-Latour.
Ich habe mich auf Grund des aktuell auf interscenar.io erschienenen Interviews zu seinem neuen Buch entschlossen, ein paar Eindrücke als auch kritische Gedanken meinerseits zu einem Mann zu sammeln, der seit meiner frühesten Kindheit mir eine bekannte Stimme aus den Medien war.
Wer sich seinem neu erschienenen Buch "Die Angst des weißen Mannes: Ein Abgesang" nähern möchte, dem sei der Link zu dem Buch auf den Seiten des Propyläen-Verlags der Ullsteinbuchverlagsgruppe ans Herz gelegt (Link). Dort nachzulesen ist auch eine Pressestimme des Kulturradios / Salli Sallmann / vom 5.11.2009 zum Buch, welche lautete wie folgt: "Wer verstehen will, wie sich die Welt heute verändert, was #Globalisierung wirklich heißt, und wer sich reiben will an provokanten Thesen, der findet hier verlässliche Auskünfte. Scholl-Latour ist ein guter Erzähler, er doziert nicht. Er schreibt bei aller Komplexität der Gegenstände einen verständlichen Stil, er ist einer, der wirklich noch die Welt erklärt, und er lässt uns sinnlich an seinem Wissen teilhaben."
"Die Wahl eines amerikanischen Präsidenten mit afrikanischen Wurzeln und pazifischer Heimat ist Sinnbild eines tiefgreifenden Wandels, der weit über die USA hinausweist. Der fünfhundert jährige Siegeszug des weißen Mannes ist Geschichte." So heißt es in der Inhaltsumschreibung. Weiter heißt es: "Die ehemals koloniale Welt ist im Aufbruch begriffen demographisch, wirtschaftlich, politisch. Dabei wendet sie sich vom Westen ab, sucht neue Leitbilder, besinnt sich auf eigene Stärken und Traditionen. Die Maßstäbe der Welt werden zurecht gerückt, die Verlierer von einst sind die Gewinner von morgen. Mit dem ihm eigenen Gespür für welthistorische Veränderungen schildert Peter Scholl-Latour seine jüngsten Eindrücke aus Südostasien und Lateinamerika, den beiden dynamischsten Regionen des neuen Zeitalters. Eindrucksvoll gelang es ihm, die aktuellen Konflikte und Umbrüche dieser Länder vor dem Hintergrund ihrer kolonialen Vergangenheit zu beleuchten. Mit profundem Wissen spüre er dem verblassenden Erbe der holländischen, portugiesischen oder spanischen Kolonisten nach, das zunehmend überlagert wird vom erwachenden Selbstbewusstsein der einstigen Kolonialvölker und vom wachsenden Einfluss der neuen Weltmacht China. Wer also verstehen wölle," - beendet auch Amazon.de seine Rezension -" wie sich die Welt heute verändert, der fände hier dank der sechzigjährigen Erfahrung Peter Scholl-Latours als Chronist des Weltgeschehens und seiner beispiellosen Kenntnis der Länder dieser Erde verlässliche Auskunft."
Was einem beim recherchieren über Peter Scholl-Latour nicht entgeht: Kritik erhält Scholl-Latour unlängst und gehäuft von Journalisten und Politwissenschaftlern jüngerer Generationen, z.B.: "daß Peter Scholl-Latour stellvertretend für viele steht, deren Äußerungen über den Islam als Konglomerat negativer Haltungen und Vorurteile zu entlarven sind, welche Angst, Missverständnis, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus schüren.", so hier die beiden Hamburger Wissenschaftlerinnen Verena Klemm und Karin Hörner, die Herausgeberinnen eines kritischen Buches mit dem Namen: "Das Schwert des Experten", indem auch sein Schreibstil humoresk persifliert wird. Mich erinnert das an die Kritik von Computerspielen und ihren Auswirkungen, wo ich mich immer gefragt habe, ob hier die Spiele selbst als denn eher der Umgang mit ihnen kritisiert werden müsse.
Aber auch sein häufiges Auftreten in einer bekanntlich mehr als rechts-konservativen Zeitung mit dem Namen "Die junge Freiheit" als Interviewpartner hat ihm ähnlich wie dem Piratenpartei-Funktionär Andreas Popp kritische Beobachter beschert. Auch Verschwörungstheoretiker berufen sich ungebeten auf ihn. Sachkundige Kritik jedoch, die seine oft auch von Kritikern eingestandene politische "Weltkenntnis" flankieren könne, gab es bisher nur wenige. Der Versuch ihn als "ungewollten" Anti-Islamisten mit einem überholten "Zwei Welten"-Bild zu demontieren, wird dabei oft schon durch Fakten, wie seine Nähe zu großen Persönlichkeiten der islamistischen Welt, und nicht zu letzt auch seinem persönlichen Kontakt zu historischen Figuren wie Ayatollah Chomeini und Bassam Tibi als auch durch seine Mitarbeit im Beirat der Deutsch-Arabischen Gesellschaft konterkariert.
Ist die Art und Weise wie Scholl-Latour die Entwicklung in der Welt und ihre darin verborgene Herausforderung sieht tatsächlich kulturfeindlich? Ich gebe zu, auch ich habe als ein in der Welt beruflich viel umhergekommender Mensch mit dem "2 Welten Bild" was in seinen Ausführungen - wenn man will - oft durchschimmert so meine Probleme. Aber ignorieren sollte man kulturelle Differenzen ebenso wenig. Und könnte man hier nicht ferner auch differenzieren, dass die Generation Scholl-Latours die heutige selbstverständliche Marmorierung der Kulturen - ja aller Kulturen weltweit - bei all seinen Reisen möglicher Weise nicht genügend verinnerlichen konnte, man hier möglicher Wiese sogar daheim in den Köpfen der eigenen Kinder und ihrer Schulfreunde ein besseres Bild davon bekommt als am Flughafen und in der Botschaft von Teheran? Zoomt man näher an die Menschen heran, bricht jedes Weltbild zusammen, egal welches. Wozu also dieser unnütze Vorwurf? Vermutlich weil viele (möge die Schuldlast des 2. Weltkrieges hier mitverantwortlich sein) ihrer der Erhebung des "guten Menschen" dienenden überzogen demonstrierten Kulturoffenheit immer noch unreflektiert erliegen und diese sie die gesunde Reibung der Kulturen völlig übereilt als Kulturfeindlichkeit betrachten lässt.
Dabei wird völlig übersehen, dass der Duell-Handschuh längst vor uns auf dem Boden liegt. Im olympisch-sportlichen Sinne gemeint. Da ist es halt einfacher, weiter für die 40-Stunden-Woche zu kämpfen und "Wir sind jetzt die Guten" auf die Fahnen zu schreiben, mit denen wir in einen unsinnigen Afghanistan-Krieg ziehen, als denn einmal die sportliche Herausforderung von den von Scholl-Latour als kulturell, ideologisch und wirtschaftlich wachsend bezeichneten Erdteilen endlich anzunehmen. Und zu einem fairen, kulturellen, ideologischen und wirtschaftlichen Duell anzutreten. Aber dafür müssten wir anfangen, auch unangenehme Wahrheiten zu akzeptieren, ganz egal woher und mit welcher Motivation sie kommen und wie sie schmecken, und unsere satten und bequemen europäischen trüben Köpfe an die frische Luft bewegen.
Ich habe seine Umschreibungen nie als Drohung oder Warnung vor dem Fremden sondern eher als eine Begeisterung seinerseits verstanden, die der Erlahmung und Trägheit der westlichen Kultur gegenüber steht. Die Gefahr des Missbrauch seiner Aussagen von wirklich fremdenfeindlichen Strömungen sollte vielleicht hier von Menschen mit Verstand differenziert betrachten werden. Und da unserer Zeitung nichts ferner liegt als Kultur -und Fremdenfeindlichkeit, mehr noch: jener ja offen den Kampf angesagt hat, war ich bei meinen daraus resultierend notwendigen Recherchen erneut überwältigt von all den Fragen um Scholl-Latour, seinen Anhängern, sowie seinen Kritikern.
Als das Thema seines neuen Buches bei uns diskutiert wurde und das Erscheinen des Interviews näher rückte, merkte ich, wie mich die vielen Fragen um ihn, seine Person und seine Aussagen und der Kritik an ihm, anfingen in ein Labyrinth an mich hin - und her werfenden Gedanken zu stoßen, aus dem ich schier nicht mehr herauszukommen drohte. Aber das beweist nur einmal mehr seine - wenn auch schwer zugängliche - Relevanz. Und dass die Frage seiner Motivation nur er allein beantworten kann.
Aber solange sich die Kritik scheinbar lieber darauf konzentriert, ihn mit einem Etikett der Kulturfeindlichkeit zu versehen, als sich sachlich wirklich mit seinen Aussagen und ihrer wahren Bedeutung und Herausforderungen dahinter zu beschäftigen (und seine meinetwegen vielleicht etwas kolonialromantische Sprache doch bitte als nicht mehr als lediglich ein Relikt seiner Generation zu betrachten), ist dies für mich nicht weniger als ein Teil der mir häufig übel aufstoßenden und immerwährenden deutschen Denuziations-Kultur, welche durch das permanent mit dem Finger auf gefälligst offiziell zu steinigende Leute zeigende Element, sich eigentlich in der Schuldfrage selbst völlig ad-absurdum führt. Und sind wir nicht bei so vielen Historikern und Philosophen auch bereit ihre Aussagen im damaligen zeitlichen # Kontext differenziert zu betrachten, unabhängig davon, wer sie missbrauchte oder wer jene Persönlichkeiten in anderem Kontext waren? Ein vermeintliches Unrecht ersetzt hier im Versuch der Überführung das andere. Und unkonstruktive Kritik verblasst oft mit der Frage, wer die Kritiker sind. Da Scholl-Latour ja zweifelsohne als Spezialist für historische und politische Hintergründe vieler Länder dieser Welt betrachtet werden kann, spielt vielleicht seine Motivation und auch seine Person eine eher untergeordnete Rolle.
So wird jeder 2. Leser dieses Artikels hier auch ganz unterschiedliche Gefühle und Eindrücke mit Scholl-Latour verbinden, die davon abhängig sind, wo - oder besser gesagt mit wem - sie ihm am häufigsten oder als Erstes begegnet sind. Das liegt daran, dass ihn jede Instanz, mit der er in Erscheinung tritt, versucht für seine eigenen Botschaften zu missbrauchen oder "um zu interpretieren". In dem heutigen Medienwald von Slogans, Modepolitikern, verhärteten Standpunkten und Wahlsprüchen, die neuerdings völlig unreflektiert verteidigt werden müssen, ist es schwer mit Differenziertheit und Sachlichkeit zu argumentieren, ohne nicht letztendlich doch Parteiergreifung für das Eine oder das Andere unterstellt zu bekommen.
Und wie wir sein Werk letztendlich zu betrachten haben, kann nur die Geschichte beantworten. Dass wir Peter Scholl-Latours Werk in der Geschichte betrachten werden, ist dabei wohl gänzlich unumstritten.
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