Spiegelleser wissen wieder einmal mehr?

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Ohnesorg ganz ohne Sorg

Spiegelleser wissen wieder einmal mehr?

Der kalte Krieg im Spiegel

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"Spiegel-Leser wissen mehr" | photo by ladydi_saster | provided by Flickr | ©  CC BY 2.0

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Lesedauer: 4 mins

Frei nach Voltaire's Zitat: Geschichte ist, worauf man sich geeinigt hat.

Ohnesorgs Tod '67, das "Bauernopfer" eines Stasispitzels? Die RAF eine Stasi-Trainingseinheit? Die BRD ein friedliches Land, welches den Repressalien der einzig bösen gefährlichen DDR zum Opfer fiel? Liest sich wie DDR #Propaganda. Nur leider "Spiegel"-verkehrt. Mir kommen alte Postkarten-Philosophien wie "aus der Geschichte nichts gelernt" wieder hoch. Da spielt die Himmelsrichtung keine Rolle. Politisches Theater hat wieder begonnen, Herr Wiebel. Nur wer führt Regie? Ohnesorg, besser hätte der Name für eine Hauptfigur nicht sein können.

Was damit übertuscht werden soll wissen wir wieder erst in 10 Jahren. Demokratie bedeutet zwar auch #Meinungsfreiheit und Aufklärung. Amts - und Machtmissbrauch haben da meistens jedoch eine Schonfrist von ein bis zwei Legislaturperioden um die Verantwortlichen möglichst weit weg vom zu beschmutzenden Amt zu kriegen, bevor die Schlammschlacht losgeht.

Man müsste sie fragen (vorausgesetzt, man unterstellt keine Mutwilligkeit): wie blind muss man sein, um eigenes Handeln und das jener, die man schuldig spricht, mit so zweierlei Maß zu bewerten. Man fragt sich dann ferner: Fällt denn niemandem die Ähnlichkeit auf?

Der Spiegel lässt emotional Betroffene zu Wort kommen. Jene Betroffene sagen, was "Fakt" ist. Das Wort Fakt wird ausgereizt bis zum Schluss. Dabei wissen wir doch alle schon längst, dass Geschichte nichts mit Fakten zu tun hat, sondern mit sich immer wieder erneuernder Perspektive, und der verfälschenden Retrospektive.

Mit Entsetzten wird die alles andere als neue Kunde verbreitet, dass nichts so ist, wie es scheint. Oh Gott! Das wussten wir ja gar nicht. Wehe dem, der jetzt etwas zu bedenken gibt. Oder anmerkt, dass es mit diesem Fakt in ein paar Jahren ähnlich sein könnte. Der wird den Zorn der Betrogenen und Betroffenen zu spüren bekommen! Kommt niemanden das bekannt vor?

Wieder eine Hysterie, wieder eine Kette, die losgetreten wird, um in naher Zukunft wieder in die andere Richtung schwappen zu können.

Der Tod Ohnesorgs zu Beginn der Studentenaufstände in der ehemaligen BRD, nun nach neuer Erkenntnis ein "SED-Mord", geplant um die Wut der Bevölkerung im bösen Westen gegen die Regierung zu schüren. Perfekt - Nun kann zusammengezählt werden: die RAF sowie politische Fehler der Bundesrepublik und alles andere, meinetwegen auch der steigende Preis bei Milchprodukten: Alles ein Geniestreich von Kurrar, einem ehemaligen Stasi-Spitzel, wie man heute weiß.

Kurrar, der Schütze und damalige Polizist im "ahnungslosen" Westen - in dem Westen, der noch nie was von Geheimdienst-Arbeit gewusst hat, geschweige denn jemals selbst praktiziert hat - war nun nach neuen Erkenntnissen Stasi-Spitzel. Warum bin ich nicht überrascht? Der Beweis liegt klar und deutlich auf der Hand! Ein Foto seines SED Parteibuches im Spiegel! Jetzt gefunden! Wo war es denn nur? Hm, in der Treuhand verschollen?

Eine offensichtlichere Enttarnung der eigenen sich ähnelnden Methoden gibt es kaum: schlichtweg einfallslos in der Art und Weise, wie hier schnell nochmal ein Schuldschein mit ins Grab der DDR geschmuggelt wird.

Dabei können sich die "Betrogenen", die vor die Kamera gezerrten Opfer, bis heute kaum entscheiden, ob die Stasi nun übermäßig gefährlich und böse war oder doch nur unfähig. So wie der gesamte dumme Oststaat. Naja, halt so wie es gerade gebraucht wird. Auch darin unterscheiden sie sich wenig von ihren längst gefallenen Feindbildern. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass sich zwischen den Opfern das eine oder andere Kuckucksei befindet, wo die Gunst der Stunde genutzt wurde um sich als Stasi-Opfer schnell noch mal ein kleinen Vorteil zu verschaffen. Traurig wie wenig wir wirklich über unsere Geschichte wissen (wollen).

Aber gut, wer tot ist, kann ruhig die Alleinschuld übernehmen. Dann sind die Lebenden wenigstens raus aus dem Schneider. So oder so trifft es sicherlich nicht die Falschen, hat meine Großmutter immer gesagt. Aber eines ist klar, liebe Spiegelleser: Der alte Greis aus Spandau (wie Kurrar vom Spiegel genannt wird) kann diese Fragen bestimmt nicht beantworten.

Comments

Cubian

Fakten und emotionsgesteuerter Glaube wie etwas gewesen sein könnte, werden in den Medien immer häufiger verwechselt. Oder besser gesagt, werden Emotionen genutzt, um Fakten zu schaffen. Nur wenige Menschen haben wohl die Gabe ihre Gefühle bei Seite zu lassen, wenn es um komplexe Fragen geht.

Ana Nym

Emotionsgeladene Meinungen sind gesellschaftlich gerade hoch im Kurs, wie schon der mittlerweile gängige Begriff des „Wutbürgers“ zeigt. Meinungsmacher haben daher wieder mehr Macht und können, wie man leider gerade europaweit erlebt, Gesellschaften spalten und somit schwächen. Die Frage, wer davon profitiert führt wohl meist in die richtige Richtung. Leider wird das neben all den hochkochenden Gefühlen und Sagbarkeitsfeldern erst im Nachhinein oft ganz offensichtlich. Stichwort: Gefälschter Report als Begründung für die Akzeptanz in der Bevölkerung bezgl. unserer Beteiligung am Jugoslawien Krieg.

tobi_87

Propaganda ist noch in zu vielen Köpfen präsent. Erschreckend wie man das immer wieder merkt, obwohl nun so viel Zeit vergangen ist. Ostler – die damals im Widerstand tätig waren - beschwören heute das alle guten Ideen aus dem Osten kamen und das alle Schriftsteller, Schauspieler und Politiker aus Amerika doofe Amis sind. Ein schönes Beispiel dafür, wie sehr Meinungsmache in den Köpfen langfristig verändert.

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