Dr. Fritz Goergen

Ramon Schack
Geschrieben von:

Ramon Schack

Diplom-Politologe, Journalist und Publizist

Im Interview

Dr. Fritz Goergen

Autor des Buches "Skandal FDP"

Preview Abbildung von Fritz Goergen

"Fritz Goergen". Fritz Goergen, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der FDP. (Standbild aus Pressetermin/Interview) | photo by Babara Goergen | © Fair Use gem. der Schrankenbestimmungen in Deutschland.

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Lesedauer: 5 mins

2000 wurde er zum wichtigsten Wahlkampfhelfer des nordrhein-westfälischen Landesfürsten Jürgen Möllemann und entwickelte jenes Rezept, das bei den Landtagswahlen im Januar 2000 den Stimmenanteil der FDP von 4,0 auf 9,8 Prozent fast verdoppelte. Anschließend bekam er auch noch vom FDP-Bundesvorsitzenden Westerwelle einen Beratervertrag. Dr. Fritz Goergen gilt als ein intimer Kenner der FDP.

Er ist der Erfinder des Strategiepapiers "18 Prozent", das die FDP in bislang unerreichte Höhen der Wählergunst katapultieren sollte. Ende 2002 trat er aus der FDP aus. Nach dem Tod Möllemanns rechnete er 2004 in seinem Buch "Skandal FDP" mit der Partei ab, der er jahrzehntelang angehörte. Angesichts des jüngsten Wahlerfolges der FDP bei der Bundestagswahl, der Nominierung von Guido Westerwelle zum Außenminister, sprach Ramon Schack für FASSETTE.NET mit Dr. Fritz Goergen.

I: Die FDP ist der Sieger der Bundestagswahl 2009: Knapp 15% und damit das beste Bundesergebnis der "Freien Demokraten" aller Zeiten. Parteichef Guido Westerwelle steht auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Haben Sie sich über dieses Resultat gefreut?

Fritz Goergen: Nein. 1998 führte der FDP-Vorsitzende Kinkel Wahlkampf, damit Kohl Kanzler bleibt. Guido Westerwelle wollte damals, dass sich die FDP nie wieder in eine solch babylonische Gefangenschaft der CDU begibt. 2009 verdoppelte Westerwelle das Wahlergebnis von 1998 mit dem Versprechen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Damit verdoppelte er aber auch die Abhängigkeit der FDP von der CDU. Wechselt die FDP jetzt ihren Koalitionskurs, stürzt sie unter das Ergebnis von 1998. Und nicht zu vergessen: Die schwarz-gelbe Mehrheit gibt es nur wegen der geringen Wahlbeteiligung. Die strukturelle Mehrheit der Bonner Republik war rechts, die der Berliner Republik ist links. Auch wenn ich mit links und rechts politisch schon lange nichts mehr anfangen kann. Solange die Leute es "glauben" und die Medien es predigen, ist es so.

I: Sie wirkten 2002 maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung des Strategiepapiers "18 Prozent" mit, als Berater sowohl von Dr. Guido Westerwelle, als auch von Jürgen Möllemann. Ihre Strategie war damals nicht vom Erfolg gekrönt. Noch im gleichen Jahr sind Sie aus der Partei ausgetreten. Später beschrieben Sie die Partei in Ihrem Buch "Skandal FDP" als "programmatisch entleert und personell ausgezehrt". Sehen Sie das heute immer noch so?

Fritz Goergen: Nachdem die Strategie 18, also der Weg zu einer eigenständigen FDP, beschlossen war, hat Westerwelle sie im Archiv entsorgt. Seinen Wahlkampf 2002 führte er ohne jede Strategie. Daran konnte ich nichts ändern. Der programmatische und personelle Zustand der FDP hat sich seither nicht gebessert. Das kann auch der seriöse Auftritt von Westerwelle allein nicht korrigieren .

I: Handelte es sich bei dem erwähnten Buch bzw. den darin formulierten Vorwürfen vielleicht um eine persönliche Abrechnung mit der Partei im Allgemeinen bzw. mit Guido Westerwelle im Speziellen? Immerhin waren Sie ja ein enger Vertrauter von Jürgen Möllemann.

Fritz Goergen: Den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen 2000 für Möllemann zu führen, war für mich ein professioneller Job, der Entwurf der Strategie 18 und die Beraterrolle bei Westerwelle 2002 auch. Ich war weder ein Parteigänger noch Vertrauter des einen oder anderen. Mein FDP-Buch ist eine Parteienkritik am Beispiel der Partei, die ich sehr genau kenne, der FDP. An dieser Kritik habe ich - leider - nichts zu ändern.

I: Warum sind Sie im November 2002 nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft aus der FDP ausgetreten? Spürten Sie damals schon, dass es mit der "Affäre Möllemann" kein gutes Ende nimmt? Haben Sie diesen Austritt in der letzten Zeit bereut?

Fritz Goergen: Meine "innere Kündigung" habe ich 1995 vollzogen. Die Kampagnenleitung 2000 und die anschließende Beratung waren "nur noch" Jobs. Nach Westerwelles Verhalten mir gegenüber musste die äußere Kündigung nach dem Wahlabend 2002 folgen. Mit Möllemann hatte das nichts zu tun.

I: Wie beurteilen Sie rückblickend den Umgang der FDP mit Jürgen Möllemann in seinen letzten Lebensmonaten?

Fritz Goergen: Die FDP ist mit Möllemann umgegangen wie alle Parteien mit ihren Gestürzten, vielleicht noch etwas brutaler. Wenn Guido Westerwelle eines Tages weichen muss, wird die FDP nicht viel freundlicher zu ihm sein.

I: Jürgen W. Möllemann verstarb im Sommer 2003. Haben Sie durch seinen Tod auch einen Freund verloren? Könnten Sie bitte kurz die Stärken und Schwächen in der Persönlichkeit Möllemanns skizzieren?

Fritz Goergen: Innerhalb von Parteien gibt es keine Freunde im tatsächlichen Wortsinn. Meine wenigen Freunde in der Politik sind Mitglieder anderer Parteien oder auch aus der FDP ausgetreten. Politik war für Möllemann Lebenselexier und ist es für Westerwelle. Um politisch-inhaltliche oder programmatische Ziele ging und geht es beiden nicht. Berufspolitikern geht es um ihren Beruf, nicht um Politik in der Sache. Möllemann stand seine immer mal wieder unkontrollierte Emotionalität im Wege, Westerwelle leidet unter chronischer Selbstkontrolle begleitet von permanentem Megastress - bis hin zum Verlust der Identität.

I: Wenn Guido Westerwelle Sie heute um einen Ratschlag bitten würde, was würden Sie ihm raten, um die momentane Stärke der FDP dauerhaft auszubauen?

Fritz Goergen: Behutsam den Umstieg zur eigenständigen Partei einleiten, interessante Köpfe nach vorne lassen und beides nachhaltig verfolgen. Ich könnte auch sagen: Die Strategie 18 um die ihr damals fehlende programmatische und personelle Erneuerung ergänzen. Die Zukunft einer solchen FDP läge übrigens nicht im Außenministerium, sondern ein einem neuen, übergreifenden Zukunftsressort.

I: Wie würden Sie sich selbst heute politisch definieren? Wählen Sie eigentlich noch FDP?

Fritz Goergen: Keine der real existierenden Parteien entspricht auch nur halbwegs meinem politischen Standort. Deshalb habe ich bei dieser Bundestagswahl auch keine gewählt. Schwarz-gelb markiert keine Kursänderung der deutschen Politik, sondern nur einen Übergang.

I: Vielen Dank Dr. Goergen!

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