Europa - Auf dem Weg in die Zukunft

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Europa - Auf dem Weg in die Zukunft

Holt immer wieder die Vergangenheit ein

Preview Abbildung einer Europa Flagge im Wasser

photo by Jody Sticca (mit herzlichem Dank!) | provided by flickr | © CC BY-NC-ND 2.0

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Europa, immer wieder hin und her geworfen zwischen Einigkeit, innerer Zerissenheit, Traditionen, Geschichte, Vergangenheit und Zukunft. Das alte Europa versucht sich im neuen Zeitalter mit seiner Union aufzustellen. Doch während dessen brechen uralte ethnische Identifikationswunden kleiner Kulturkreise wieder auf, sogar mehrfach und innerhalb eines Landes. EU nur auf dem Papier? Ob die EU baden geht wird die Zukunft zeigen. Ob das im Interesse der kleinen Ethnien wäre, ist jedoch fraglich, denn bei aller Uneinigkeit würden sie von anderen großen Weltwirtschaftsverbänden einfach nur überrand.

EU startet Brautwerben um Serbien (2008). EU-Vorsitz stellt Vorstufe zu Beitritts-Verhandlungen in Aussicht.  Status des Kosovo bleibt unklar.

Gegenwärtig sind in Europa sowohl Einheits - als auch starke Separations-Prozesse im Gange - Nach Schätzungen einiger Experten könnten im neuen Jahrhundert theoretisch mehr als zehn neue Staaten im Alten Europa entstehen - ist das der Boden auf dem die EU entsteht?

Zum Beispiel in Spanien: Das traditionellste Beispiel für europäischen Separatismus ist das Baskenland. In Spanien leben circa zwei Millionen Basken, die in drei Provinzen der als Baskenland bekannten Region leben. Es hat die weitestgehenden Rechte im Vergleich zu anderen spanischen Regionen, die Lebensqualität liegt über dem spanischen Durchschnitt, die baskische Sprache ist als Staatssprache anerkannt. Doch diejenigen, die eine Abspaltung von Spanien und einen Anschluss des von Basken bewohnten Gebiets in Frankreich fordern, wollen noch mehr.

Grund für den steigenden #Separatismus war die Politik von Francisco Franco. Damals war es den Basken verboten, Bücher und Zeitschriften zu veröffentlichen, Unterricht in ihrer Sprache Euskera zu erteilen, den Kindern baskische Namen zu geben und die nationale Flagge zu hissen. Die 1959 gegründete Organisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und seine Freiheit) hatte ursprünglich den Kampf mit dem Franquismus als Ziel. Franco ist seit langem tot, das Baskenland ist autonom, doch damit wollen sich die baskischen Terroristen nicht begnügen. Im Kampf für die "Unabhängigkeit" mussten bereits mehr als 900 Menschen ihr Leben lassen. Die jüngsten Terroranschläge jedoch werden von Einigen angezweifelt mit der ETA in Verbindung zu bringen.

Auch Katalonien, eine autonome Provinz in Nordostspanien, die ihre Nationalsprache und eigene Kultur hat, bereitet Madrid Kopfschmerzen. Die Katalanen haben ihren Unterschied zu anderen spanischen Regionen immer betont. Die Provinz genießt unter der Herrschaft der spanischen konstitutionellen Monarchie weitgehende Autonomie. Die Beziehungen zur Zentralregierung in Madrid werden durch eine Sondercharta geregelt.

In der Neubearbeitung der Charta von 2005 werden die Katalanen als separate Nation anerkannt. Doch in der Region gibt es Dutzende Parteien und öffentliche Organisationen, größtenteils linksgerichtete, die sich für eine Abspaltung von Spanien einsetzen. Ihr Ziel ist ein Referendum über die Unabhängigkeit, das sie bis 2014 versprechen.

Auch die spanische Provinz Valencia hat im Juli 2007 einen autonomen Status erhalten.

Nächstes Beispiel, Frankreich: Frankreich hat langjährige Erfahrungen mit der Bekämpfung von Separatismus und Extremismus im eigenen Land, vor allem auf der Mittelmeerinsel Korsika. Die korsischen nationalistischen Gruppen machten Mitte der 70er Jahre durch Zusammenstöße mit der französischen Armee auf sich aufmerksam. Die größten und einflussreichsten sind die "Nationalistische Vereinigung" und "Die Bewegung für Selbstbestimmung", die beide über Kampfgruppen verfügen.

Der Status der Insel wurde in den letzten 25 Jahren zweimal, 1982 und 1990, erweitert. Dabei bekamen die korsischen Behörden immer mehr Vollmachten in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Verkehr, Bildung und Kultur. Vor einigen Jahren hatte das französische Parlament die Existenz des korsischen Volkes anerkannt. Doch später wurde diese Entscheidung als verfassungswidrig rückgängig gemacht.

In der nordwestfranzösischen Provinz Bretagne ist seit Anfang der 70er Jahre die Bretonische Revolutionäre Armee aktiv. Die Nachfahren der Kelten, die einst von den britischen Inseln an die französischen Küste auswanderten, empfinden sich nicht ganz als Franzosen oder als besondere Franzosen. Bei den Volkszählungen bezeichnen sich viele als Bretonen, obwohl sie Französisch als Muttersprache angeben.

Die Bretonische Revolutionäre Armee, die ihren Namen offensichtlich im Einklang mit der Irischen Republikanischen Armee gewählt hat, gehört zum extremistischen Flügel der nationalistischen Bewegung Emgann, die gegen die "französischen Unterwerfer" kämpft.

Und auch Italien: In Italien sind separatistische Stimmungen in den industriellen Regionen des Nordens stark ausgeprägt. Die einflussreiche "Liga Nord" hat bislang auf eine Abspaltungsforderung verzichtet und will Italien in eine Föderation umgestalten. Auch Stimmen, die eine Wiedervereinigung Südtirols mit Österreich nach dessen Übergang an Italien nach dem Ersten Weltkrieg fordern, sind zu hören.

Belgien könnte sich mit einiger Wahrscheinlichkeit in den niederländischen sprechenden flämischen Teil und den französischsprachigen wallonischen Teil aufspalten. Die Ursache der Konfrontation zwischen den beiden Sprachgemeinschaften liegen in den Anfängen der Geschichte des unabhängigen Belgiens, als sich die Wallonen und Flamen zu einer Union gegen die Niederlande vereinigten.

Einst im Namen der Freiheit vereint, versuchen sie seit knapp 200 Jahren getrennte Wege zu gehen. Aufrufe zur Spaltung werden im Land immer häufiger laut: Das wirtschaftlich stärkere Flandern will Wallonien nicht unterhalten. Laut Umfragen schließen mehr als 60 Prozent der Flamen und mehr als 40 Prozent der Wallonen eine Spaltung Belgiens nicht aus.

Wer hätte das gedacht, im heiligen Königreich Großbritannien:

In Großbritannien hat sich der Mittelpunkt der separatistischen Stimmungen aus Ulster nach Schottland verschoben. Bei der letzten Parlamentswahl ging in Schottland die Nationale Partei als Sieger hervor, die einen neuen unabhängigen Staat fordert.

Regierungschef Alex Salmond sagt voraus, dass Schottland im kommenden Jahrzehnt unabhängig werden könne. Allerdings unterstützen nur 23 Prozent der Schotten die Idee der Unabhängigkeit ihres Landes (vor einem Jahr waren es noch 30 Prozent).

Dennoch hat der spätere Premier Gordon Brown, damals noch Finanzminister, in der Presse gewarnt: Wenn der vor 300 Jahren geschlossene Bund zwischen England und Schottland schwächer werden sollte, so droht Großbritannien eine "Balkanisierung".

In Dänemark:

Die zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln sind halb-autonom und leben von den Fördergeldern der Regierung in Höhe von fast 170 Millionen US-Dollar im Jahr. Das hält die Separatisten zurück, obwohl sie noch vor knapp sieben Jahren versucht haben, ein Unabhängigkeitsreferendum durchzusetzen.

Und in der Schweiz:

Auch in der ruhigen Schweiz gibt es Separatisten. Die Befreiungsfront von Jura fordert seit mehr als 30 Jahren die Unabhängigkeit des Kantons von der Eidgenossenschaft. Einst wurde das von französischsprachigen Katholiken bevölkerte Jura dem Kanton Bern angegliedert, in dem größtenteils deutschsprachige Protestanten leben. Doch die Anführer der Front sehen ein, dass die Chancen auf einen Sieg äußerst gering sind.

Schon eher dafür bekannt, Serbien:

Der Verband der Ungarn in der Wojwodina fordert für die autonome Region in Serbien (35 Kilometer von Belgrad entfernt) den Status einer Republik und dann eine Volksbefragung über eine Konföderation mit Ungarn. Die Vertreter des Verbandes regieren fast 70 Prozent der Region. Im März 2007 baten Wojwodina-Magyaren die EU darum, eine Mission "zur Analyse der Situation" zu entsenden. Der ungarische Anteil der Bevölkerung in der Region beträgt gegenwärtig über 40 Prozent.

Im Land des Ordens der Dracul, Rumänien:

Ein ähnliches Szenario entwickelt sich auch im rumänischen Transsilvanien, wo der Anteil der Ungarn mehr als 45 Prozent beträgt. Von 1940 bis 1945 war Transsilvanien ein Teil von Ungarn, 1919 bis 1939 gehörte es zu Rumänien und davor zu Österreich-Ungarn.

Die noch zu Ceausescus Zeiten gegründete Union für die Wiedergeburt des Ungarischen Transsilvaniens veranstaltete bereits mehrere Volksbefragungen über die Autonomie, wie zum Beispiel im März 2007 in drei transsilvanischen Landkreisen. Die dortigen Ungarn haben für eine größtmögliche Autonomie von Bukarest und selbständige Beziehungen der Region zu Budapest gestimmt.

Auch auf der italienischen Insel Sardinien sowie in den hauptsächlich von Kroaten und Slowenen bevölkerten österreichischen Provinzen Steiermark und Kärnten sind "antikoloniale" Zwischenfälle häufiger geworden. Die südalbanischen Griechen und die Bewohner der portugiesischen Azoren fordern auch immer wieder Autonomierechte.

Also wer bedingungslos an ein einheitliches und friedliches Europa glaubt, der sollte sich auf dem eigenen verhältnismäßig kleinen Kontinent ja eigentlich nicht lange umschauen müssen, um letztendlich feststellen zu können, dass das was wir glaubten nur noch aus Geschichtsbüchern zu kennen, die massive Verschiebung und Bewegungen der Landesgrenzen, immer noch Zeitgeschehen, immer noch aktuelle Zeitgeschichte sind. Und zwar nicht irgendwo weit weg. Sondern direkt vor unserer Haustür. Wer den Fehler begeht zu glauben, dass die friedliche Zeit, die wir in den letzten Jahrzehnten im Herzen Europas erlebten, der Beginn des ewigen Friedens sei und nicht nur eine Ruhepause vor dem nächsten Sturm, der könnte uns unter Umständen blind in eine Wiederholung der Geschichte steuern, die wir alle nicht wollen, und sollte sich noch einmal tiefer gehend mit den aktuellen Zuständen auf unserem kleinen Kontinent vertraut machen, auch im eigenen Land, um die Herausforderungen an eine EU in aller Tragweite zu erkennen.

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