Afrika ist ein Kontinent

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Afrika ist kein Land

Afrika ist ein Kontinent

Wie die 3. von der 1. Welt bestaunt wird

Preview Abbildung von afrikanischen Arbeitern in einer Wolfram-Miene

"Wolframite Mining in Kailo". | photo by Julien Harneis | provided by Wikimedia Commons | © CC BY-SA 2.0

Themen Bereich
Lesedauer: 6 mins

Das Thema Wirtschaftswunder vermeintlich weniger bedeutsamer Regionen mit Rang-Nummern außerhalb Europas ist wohl immer noch nicht ausgeschlachtet. Immer wieder werden Länder oder ganze Kontinente ausgegraben, um als Handpuppen der Berichterstattung ins Rampenlicht westlicher Leser und Zuhörer gezerrt und bestaunt zu werden wie Affen im Zoo. "Wie sehr sie sich doch entwickeln haben." Aufklärung ist das nicht. Es ist leider ein weiterer Indiz dafür, dass der Blickwinkel des Westens - der wohl folglich "Ersten" Welt - gegenüber der (warum auch immer) "Dritten" Welt sich nicht wesentlich geändert hat, die Bezeichnung "Dritte Welt" in den Köpfen immer noch suggeriert, wir seien hier die Nummer Eins.

Als Dritte Welt wurden ursprünglich die blockfreien Staaten bezeichnet, die sich im Ost-West-Konflikt des Kalten Krieges weder der Ersten Welt noch der Zweiten Welt zuordnen ließen. Mit dem Ende des Kalten Krieges und des Ost-West-Konflikts wandelte sich die Bedeutung des Begriffs Dritte Welt von der ursprünglichen Blockfreiheit der bezeichneten Staaten hin zum Synonym für Entwicklungsland. -- Wikipedia

So wurde schon damals in mehreren Etappen groß euphorisiert, wie unglaublich schnell #China, Indien und Japan dem Westen Konkurrenz machten und völlig unreflektiert anfangs über das Wirtschaftswachstum berichtet, bis man nach dem Abebben der Euphorie die Dinge als selbstverständlich ansah und ab dann erst in der Lage war auf Augenhöhe und vor allem mit der gleichen Kritik wie im eigenen Kreise zu arbeiten und festzustellen was da alles schief gelaufen ist und wie viel der Westen da seine Finger im Spiel hatte.

Das Rondell drehte sich und es ging weiter: Latein Amerika. Das große Staunen. Die sitzen ja gar nicht auf den Bäumen und frühstücken Koks. Bis die Fußballstadien andere Bilder zeigten. Da war die Welt wieder in Ordnung. Jetzt Afrika. Unerhört! Die tragen ja Turnschuhe von Nike und Sweater von IndiAri. Wachsende Großstädte in #Afrika werden bestaunt, Handel mit Asien dokumentiert. Alles aber immer unter dem Schlagwort Dritte Welt. Und wenn es nur ist um zu sagen: Die Dritte Welt sei nicht mehr die Dritte Welt. Aber genau das ist hier zu kritisieren, weil es verklärt den Blick für das Wesentliche.

Wäre das Staunen darüber, dass es ja gar nicht so ist wie wir glauben, dass die Erde doch keine Scheibe ist und der Westen nicht das Zentrum der Weltwirtschaft, würden wir anfangen unser koloniales Hirn endlich umzuschulen, müssten wir über so etwas nicht mehr staunen und könnten uns auf die kritische Betrachtung der Entwicklungen in der Welten konzentrieren, sowie es im Pressespiegel sein sollte.

Natürlich ist es wichtig zu beschreiben, wie sehr Afrika sich von einem alten und damals schon falschen Klischee weiter entfernt. Ein Freund von mir (Filmemacher) hatte schon vor Jahren gesagt, dass wenn, er gern eine Doku über die Menschen und was sie leisten und aufbauen im Kongo machen, und nicht die hundertste Doku über die arme Dritte Welt, die das Muster des Elendstourismus weiter fördert. Es käme ihm so vor als würden Dörfer auf arm getrimmt, damit große Weltstars dahin kommen könnten und vor laufender Kamera Helfer spielen könnten. Er zeigte mir Bilder von bebenden Straßen und junge Menschen mit Smartphones und Tablets in Cafés. Das ist jetzt fast 10 Jahre her.

Die #Presse und #Politik ist da bekannter Maßen immer ein bisschen langsamer als die Literaten, Wissenschaftler und Künstler. Das ist ja bekannt. So wird Afrika zunehmend also nun als eine überraschende Wirtschaftskraft betitelt und in den westlichen Medien dahingehend bestaunt, dass es nicht so wäre wie man dachte: eine Dritte Welt. Heiß, in der Nähe des Äquators, mit hungernden Menschen die Fliegen in den Augen haben und dünne Beinchen sowie nichts an den Füßen.

Teilweise Zustimmung, teilweise nicht. Wie auch schon bei der Stimmungsmache zur Wirtschaft in Asien, ist alles eine Frage des Blickwinkels und des Zooms. Die Überraschung darüber das vieles nicht so ist wie man es dachte verklärt den Blick über Einzelheiten. Die Großstädte platzen, aber Landseits, vor allem in bestimmten Ländern herrscht #Krieg.

So ein Thema ist einfach zu grob gefasst um immer hin und her geschüttelt zu werden wie die kleinen Schneekugeln aus dem Supermarkt. Das Problem geht ja schon bei der medialen Schlagwortsuche los. Nichts kann groß genug sein, um es zu verkaufen. Afrika wird dann in den Deutschen Medien plötzlich bildlich zu einem Land geschrumpft. Berichterstattung nicht ausdifferenziert wie bei einem Kontinent.

Vor allem was die längst nicht mehr neuen Neuheiten bezüglich China in einzelnen Ländern Afrikas angeht, und die auch jetzt wieder häufiger thematisiert werden, habe ich ganz persönliche Bedenken (auch wieder inspiriert von den Recherche-Ergebnissen des besagten Filmemachers, der Chinas wirtschaftlichen Einmarsch in Afrika schon vor 10 Jahren erwähnte).

Er bezeichnete China damals schon als neue große Produktionsstätte des Westens und somit als die neuen Stadthalter in den afrikanischen Kolonien. In Zeiten, in denen inner-westliche Kritik an den Machenschaften des Westens in Afrika unlängst wuchs und man neue Strohmänner brauchte. Vielleicht etwas milder und etwas fairer. Weil die Weltöffentlichkeit schaut ihnen ja auf die Finger. Aber was sich wie man auch heute noch an der erstaunten Berichterstattung darüber merkt, dass es in Afrika so etwas wie eine Wirtschaft gibt, nicht geändert hat, ist der Blick wie auf westliche Kolonien. Nur das sie jetzt "groß" geworden sind, wie Schulkinder, über dessen Schulabschluss man staunt und wie viel Zeit schon wieder vergangen ist. Das sitzt einfach zu tief in der westlichen Kultur.

Und so wird es nie eine klare Sicht auf die Dinge geben und nie wirklich ausdifferenzierte vom Kolonialblick ungetrübte Analysen zu den Entwicklungen in Ländern Afrikas geben, weil dann würde die erste nüchterne Frage, die man sich stellen müsste sein: Wieso produziert ein Land welches die drittgrößte arbeitswillige Bevölkerung der Erde hat in Afrika, wo doch die Menschen angeblich noch auf den Bäumen leben?

Dann würde man schnell zu der Erkenntnis kommen: Afrika war und ist eines der Bodenschatz-reichsten Regionen der Erde und da darf man dann ruhig mal von Afrika sprechen, denn fast der gesamte mittlere und südliche Raum sind eine einzige große Schatztruhe für Erze die wir im Westen untereinander teuer handeln. Nur in Afrika nicht. Da ist es immer noch billig zu haben. Solange man nur die Öffentlichkeit nicht gegen sich aufbringt und vorgaukelt die Kolonialzeiten seien vorbei.

Das wären sie schon längst, wenn Afrika seit den Kautschuk-Zeiten fair seine Ware bezahlt worden wäre. Dann wäre der Kontinent nicht nur von den Bodenschätzen her das reichste "Land" der Welt sondern Touristen aus Afrika würden dann vielleicht nach #Europa kommen, um die armen Europäer auf den Bäumen zu bestaunen. Aber das wird so lang nicht passieren, so lang wir glauben, dass man unserer Bevölkerung die Wahrheit über ihr Konsumverhalten und ihren Lebensstandard gemessen an dem was wir uns leisten könnten und dürften nicht zutrauen und in Antwerpen immer noch Schokohände verkauft werden.

Themen Schlagworte

Add new comment

The content of this field is kept private and will not be shown publicly.

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Lines and paragraphs break automatically.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.