Am 9. Sept. 2001, heute vor 9 Jahren, 2 Tage vor 09/11 detoniert eine Bombe, die eng mit den Geschehnissen von 09/11 zusammenhängt. Ein unterschätztes Ereignis, das unser Zeitalter nach 09/11 mitbestimmen sollte.
Ein arabisches Fernsehteam hatte sich für ein TV-Interview angemeldet. Die Kameras wurden aufgebaut, der Reporter nahm Platz. Shah Achmad Massoud betrat den Raum, mit seinen Begleitern, seinem Dolmetscher. Das Gespräch sollte in Arabisch aufgezeichnet werden. Massoud war Tadschike, seine Muttersprache damit ein indoarisches Idiom, ein Dialekt des Persischen. Das Interview begann. Die in der Kamera installierte Bombe explodierte, zerfetzte den als charismatisch geltenden Führer der Nordallianz, des letzten militärischen Widerstands-Kämpfers gegen die Taliban. Der Raum füllte sich mit Blut und die Welt sollte ihre Uhren bald auf 09/11 stellen.
Massoud wurde von den Afghanen als "Ahmed Sha Massoud - der wahre Vater Afghanistans" verehrt, besonders von den Völkern Nordafghanistans, den Tadschiken. Noch heute ziert sein Porträt die Wände vieler Wohnzimmer in Afghanistan und in der weltweiten Diaspora dieses leidgeprüften Volkes, dessen Martyrium kein Ende zu nehmen scheint. Massouds Ermordung fand nur einen geringen Widerhall in den Agenturmeldungen der Welt. Im Westen war das Zeitalter der Spaßgesellschaft angebrochen.
Die Ermordung Shah Massouds war Bin Ladens Generalprobe für die 2 Tage später erfolgende Terroraktion. Die Welt des Westens wurde brutal aus ihrem Videoclip-Dauerschlaf gerissen. Massouds Aufstieg begann mit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan. Zeitweise war er Verteidigungsminister der Regierung Rabbani. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die Amerikaner ihr geostrategisches Interesse an Afghanistan verloren, nicht aber Pakistan. Die pakistanische Regierung hatte das Ziel Hekmatyar in Kabul als Marionette zu installieren und startete einen blutigen Bürgerkrieg, der schließlich zur Machtergreifung durch die Taliban, die ebenfalls durch Pakistan unterstützt wurde, führte.
Ahmad Shah Massoud gelang es, eine Allianz gegen die Taliban zu schmieden, aus Vertretern aller von diesen Steinzeitislamisten verfolgten Afghanen. Der Bürgerkrieg zog sich hin, Afghanistan versank erneut in Blut und Tränen. Die Macht der Taliban weitete sich aus, zum Schluss beherrschten sie fast das ganze Land, bis auf einen schmalen Streifen im Norden. Die Taliban errichteten eine Gewaltherrschaft und verwandelten Afghanistan in einen Stützpunkt des dschihadistischen Terrors. Noch im Frühjahr 2001 warnte Massoud bei einem Besuch des Europaparlaments seine Gesprächspartner vor Osama Bin Laden bzw. dessen Terrorplänen. Er fand nur wenig Gehör.
Die amerikanische Hilfe für die Nordallianz blieb lau. Im amerikanischen Außenministerium hegte man starke Vorbehalte gegenüber Massoud aufgrund seiner Verbindungen zum Iran und zu Russland. Dabei stand Massoud zu diesem Zeitpunkt vor dem Sprung zur wichtigsten Führungspersönlichkeit Afghanistans aufzusteigen. Er hatte seine Beziehungen zur Muslim-Bruderschaft längst aufgegeben und sich zu einem afghanischen Patrioten gewandelt. In seiner Nordallianz vereinte er alle von den Taliban verfolgten Gruppen und Ethnien. Massoud war es gelungen eine Vision für eine friedliche Zukunft Afghanistans zu entwickeln, jenseits des Taliban- Terrors und der heutigen Fremdherrschaft.
Im September 2001 war eine Rede Massouds vor der UN-Vollversammlung in New York geplant. Dazu kam es nicht mehr. In seinem Buch "Sturz ins Chaos" beschreibt der pakistanische Journalist eine Begegnung mit Massoud, kurz vor dessen Ermordung: "Er war über Pakistan zutiefst verärgert. Er fragte mich wiederholt warum Pakistans Präsident und Armeechef Pervez Musharraf, der 1999 per Staatstreich an die Macht gekommen war, eine selbstmörderische Politik der Unterstützung von Terroristen betreibe, wie er es nannte. Und noch ärgerlicher über die Vereinigten Staaten und die internationale Gemeinschaft, die Pakistans Hilfe für die Taliban nicht stoppen. Er berichte mir, wie CIA-Agenten ihn in seiner Festung im Pandschir-Tal besucht und nach Hilfe bei der Ergreifung Bin Ladens gefragt hatten, aber er hatte über sie gelacht, als sie ihm sagten, dass sie ihm keine Waffen liefern oder sonstige Hilfe leisten könnten."
Die Amerikaner haben Bin Laden bis heute nicht gefangen. Dafür ließ Bin Laden seinen gefährlichsten Gegner beseitigen, den charismatischen und von den Afghanen geliebten Führer der Nordallianz. Es geschah am 09.September 2001, zwei Tage vor 09/11, des gleichen Monats, des gleichen Jahres, in diesem Jahr der Zeitenwende mit bis heute ungeahntem Ausgang.
Massoud war sicherlich kein Demokrat "westlichen Typus", er war ein Krieger aus dem rauen Hochland von Afghanistan. Man muss ihn eher zu einer "der größten Führer der Widerstandsbewegungen im 20. Jahrhundert zählen", wie es der amerikanische Schriftsteller Rober D. Kaplan in seinem Buch "The Soldiers of God" ausdrückte. Er war ein gläubiger Moslem und gilt als der wahre Vater Afghanistans.
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