Was ist die Scientology?

Sarah Bies
Geschrieben von:

Sarah Bies

Sozialpädagogin, Freie Kolumnistin

Ein Einblick in einen Mythos

Was ist die Scientology?

Ein kritischer Blick auf einen Mythos

Preview Abbildung von Scientology Kirche in Berlin

"Church of Scientology Berlin". | photo by Scientology Media | provided by flickr | © CC BY-SA 2.0

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Lesedauer: 6 mins

Obwohl #Scientology oft Thema in den Medien ist, weiß die Mehrheit eigentlich nicht viel über ihre Anschauungen. Aber für viele geht es schon vorher, nämlich mit der banalen Frage los, was die Scientology eigentlich ist? Ist es eine Organisation, eine Religion, eine Lehre?

Wer kennt sie nicht, die Stände, die oft in Einkaufspassagen stehen, auf denen Altar-ähnlich die Lehren des Scientology-Gründers Ron Hubbard aufgebahrt sind. Aus kindlicher Neugierde bin ich öfter stehengeblieben, hatte jedoch meistens noch nicht einmal fünf Minuten Zeit, das erste Buch aufzuklappen, da ich sofort den Aufklärungsdrang eines Anhängers geweckt habe. Da ich mir kein eigenes Bild machen konnte, bin ich leicht genervt weiter gelaufen.

Und wen lasse ich diese Frage nun beantworten? Suche ich in der Schrift “Was ist Scientology” von den Anhängern selbst verfasst (allerdings nach dem Tod Hubbards 1986) nach einer Antwort, lassen sich Brüche zwischen zwei veröffentlichten Ausgaben finden. Es ist, als würde hier im Nachhinein ein Manuskript mit spirituellen Motiven versehen und so zur Religion stilisiert. Frei nach dem Motto: Was schon einmal geklappt hat, kann wieder funktionieren. (?) Offensichtlich ist man sich in den eigenen Reihen hier auch nicht ganz einig. Oder sie waren sich erst später darüber einig, dass eine Religion lukrativer ist als eine Philosophie. Die Steilvorlage kann man mir nicht übel nehmen.

Ein Blick zurück: Wie fing alles an? Das, was später so viele Anhänger fand (nicht so viele wie die Organisation behauptet, jedoch genug) fing an in Form eines Aufsatzes für ein Magazin namens “Astounding Science Fiction”. Mister Hubbard hatte offensichtlich ein Talent für phantastisches Schreiben, das sich ja bekanntlich nicht immer an den Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit orientieren kann und muss. Damit gelang ihm auch der Durchbruch, was ihn offensichtlich dazu motivierte, das Ganze kurz darauf als Buch zu veröffentlichen. Es wurde 1950 unter dem schlichten Titel “Dianetik” veröffentlicht. Bis hierhin ist alles normal. Ein Mann mittleren Alters hat seinen Durchbruch mit einem Sciencefiction-Roman. Doch dann fängt es an, merkwürdig zu werden: Nur fünf Jahre später wird die erste Kirche der Scientologen in Washington D.C. gegründet. Im Zentrum der Lehre: Die Dianetik.

Die Dianetik ist eng mit Hubbards Theorie (in einem Roman!) über den menschlichen Verstand verbunden. Ziel der Dianetik ist laut Hubbards literarisch durchaus lesenswertes Werk die geistige Gesundheit. Diese Wissenschaft – nicht ganz neu - könne zudem das menschliche Denken demonstrieren und erklären. Der Verstand bestehe des Weiteren aus einem aktiven und einem reaktiven Teil, wobei letzterer Schmerzen körperlicher oder psychischer Natur in einem separaten Speicher als sogenannte Engramme speichert. Das ist der Teil der das Ganze in die Buchabteilung der Fiktion rückt. Diese Engramme gilt es mit Hilfe der Dianetik aufzulösen. Gelinge dies, so käme der Mensch dann in den sogenannten Clear-Zustand.

Wie auch immer man das alles deuten mag, ein Problem daran könnte für andere werden, was es für mich hier ebenfalls wird: Für mich klingt das zunächst nach einem hierarchischen System, das den Menschen in zwei Bewusstseins-Klassen sortiert. Nicht gut. Aber ich lasse es als Fragestellung offen. Wo es mir aber bei aller Mühe um Objektivität anfängt obscur zu werden: Wichtiges Werkzeug bei der Methode ist übrigens das E-Meter, ein schlichtes Gerät zur Widerstandmessung der Haut. Kostenpunkt: bis zu 10.000 Euro. Dabei war es aber wohl - zumindest nach einem Gutachten der Tübinger Universität von 1976 - mangelhaft und nicht den elektrischen Sicherheitsbestimmungen entsprechend. Tatsächlicher Materialwert dieses Gerätes: ca. 250,- Euro, kam man zu Schluss.

Überhaupt kann es ganz schön teuer werden, diesen Clear-Zustand zu erreichen. Aber für die Erleuchtung sollte einem das nie zu viel sein: Bücher lesen, Kurse besuchen, (Erleuchtungs-)Produkte besitzen, kostenpflichtige Dienstleistungen in Anspruch nehmen, wie z.B. den sogenannten “Purification Rundown” (?), in dem die Teilnehmer angeblich von Krankheiten und Drogensucht befreit werden. Meine Objektivität schwindet zusehens. Die Organisation macht in diesem Beispiel den Menschen für 2700,- Euro gesund.

Als Fakt stelle ich mutig heraus: Die wirtschaftliche Ausrichtung der Scientology zeigt sich in dem Stellenwert ihrer Verkaufstätigkeit. Was allein kein Vorwurf ist. Aber so verfolgen die Mitglieder ein bestimmtes Muster, um ihre Produkte an den Mann zu bringen. Eine Methode, wie wiederholt aus Beobachtungen beschrieben ist: Ich lasse mir die Tiefschläge im Leben eines Menschen erklären und präsentiere ihm danach die Lösung für all seine Probleme. Wer dann noch nicht überzeugt ist, wird zum Vertragsschluss mit dem Vorwand gedrängt, es sei nur an diesem Tag zu so guten Konditionen oder überhaupt möglich. Oha. Wenn das stimmt, dann kann ich nur sagen: da läßt man bei Versicherungsvertretern ja schon die Finger von. Wie soll man damit dann noch bei Besuch von Scientologen umgehen?

Des Weiteren wird in den Beobachtungen geschildert: Vor der Öffentlichkeit heißen diese Kosten wohl “Spenden an die Organisation”. Die Schlussfolgerung: Kein Wunder also, dass viele Mitglieder in finanzielle Schwierigkeiten geraten, was die Organisation trotz Wissen, nach Angaben der Beobachter, offenbar nicht davon abhält, ihre Produkte weiterhin anzupreisen. Die Folge: Die “Kunden” (so kann man sie dann nennen) nehmen Kredite auf und verschulden sich noch mehr, sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Auch das klingt für mich erst einmal wenig positiv.

Das schlussendlich daraus folgende leidige Thema, Verbot von Scientology: Ja, Nein? Nun. Einen Vorteil bei verfassungsrechtlichen Fragen gibt es bei der Einstufung als Religionsgemeinschaft nicht. Sie müssen sich als Kirche genauso an die Verfassung halten wie ein Verein oder ein Verband. Nur in die Bereiche, die direkt mit der Religionsausübung zu tun haben, darf der Staat nicht eingreifen. Aber ob die für mich schwer nachvollziehbaren Rahmenbedingungen, Umstände und das vielleicht fehlende Verständnis für die Notwendigkeit ausreichen, um für eine solche Organisation auf ein Verbot zu plädieren, lässt mich zögerlich werden. Zu oft ist der Wunsch nach Gerechtigkeit zu einem Unrecht geworden. Fakt ist, man weiß einfach zu wenig. Das scheint hier auch ein wichtiges Erfolgsgarant zu sein. Der Mythos.

Seit 1997 steht die Kirche der Scientologen in Deutschland bereits unter Beobachtung. Die erste Niederlassung der Scientologen in Deutschland fand bereits 1970 in München statt. Für ein Verbot reichte es bis jetzt nicht aus, obwohl die in der heutigen Form praktizierten Lehren des Ron Hubbard oft als “Die Menschenwürde verletzend” eingestuft werden. Grund ist, dass den Mitgliedern kein offener Kampf gegen die demokratische Grundordnung nachgewiesen werden konnte. 2007 entstand das jüngste Zentrum der Scientology in Berlin Charlottenburg. Und sorgte wie erwartet für eine Menge Zündstoff.

Über die Durchführung eines Verbotes herrscht bei den Abgeordneten in Berlin ebenfalls Uneinigkeit. So sprechen sich nicht wenige Stimmen für eine offene Beobachtung aus und lehnen ein Verbot aus der daraus folgenden schwer durchführbaren Beobachtung ab. Was bei wutentbrannten Bürgern, die Angst vor dem haben, was sie nicht kennen, auf Unverständnis stößt. Aus welcher Debatte kommt mir das bekannt vor? Richtig. Parteiverbote. Und wieder einmal merken wir wie schwer es ist Demokratie zu praktizieren. Vor allem wenn man die Fakten nicht kennt. Oder zu wenige.

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