Allegory of the 1st partition of Poland (Noël Le Mire)
"The Partition of Poland, or the Cake of Kings" (1773, Noël Le Mire) | License: CCO 1.0 (Source)

Kultivierter Ethnozentrismus ist schwer abbaubar : Warum Europa kolonial denkt und handelt

Damals wie heute ... und sich damit selbst auslöscht

Und das ist kein europäisches Problem, sondern ein westliches. Unser Kulturkreis vergisst es gern. Gerade jetzt wo es sich doch so gut über "andere" Verwandte überm Teich lästern lässt. Und deshalb ist es wichtig immer wieder daran zu erinnern. Was auch immer unsere so von uns gelobte und nun nachgetrauerte Hochkultur doch ist oder einst gewesen war, hat sie einer globalen Ungerechtigkeit eines Ausmaßes zu verdanken, welches beispiellos in der Geschichte der Menschheit ist. Eine "Ungerechtigkeit" ist ein sehr mildes Wort für das was es ist. Und sich mit den heutigen Werten selbiger "Hoch"-Kultur nicht deckt, nicht rechtfertigen lässt und sie gern verdrängen würde: Der Kolonialzeit. In der es selbstverständlich war zu glauben, dass “wir” als "höhere" Menschen dieses Kulturkreises auf einer anderen Stufe ständen, als andere, die wir durch die Schifffahrt anfingen zu entdecken und nach sehr kurzer Zeit auszubeuten und zu unterwerfen. Um eine Hochkultur zu werden.

Denn nur so konnte unser Kulturkreis so wachsen, so reich werden. Und so “kultiviert”. Man sollte eben nie vergessen, dass “kultiviert” zu sein, wie wir es heute verstehen und eigentlich eher positiv konnotieren, seine Wurzeln in einer Arroganz hat, die nicht nur gegenüber anderen Völkern, sondern auch gegenüber eigenen Bevölkerungsschichten zu jeder Zeit und so auch heute noch ihren Ausdruck findet. Und es diese Arroganz ist, die leider in unseren Genen, trotz unserer schönen neuen Welt und moderner Wertemaßstäbe und ach so tollen Moralansätze, immer noch innewohnt. Und nun einmal mehr Nährboden in den jüngsten globalen Ereignissen findet. Und eine Spirale hausgemachter innerer Probleme bildet.

Historisches Foto zur Zeit der Kolonialisierung Südafrikas

Zum Beispiel: Ein Land welches man als Nachzügler unserer räuberischen westlichen Kultur bezeichnen kann, und uns nach seiner Gründung alles hinsichtlich kolonialer Neigungen nachahmte, versucht nun in einer Art "industri­eller Erweckung" unter dem Motto „Made in the USA“ sich darauf zu besinnen, dass fleißige Arbeiter einst das Land aufbauten. Und haben dabei übersehen oder einfach vergessen, dass es anfangs vor allem erst einmal Sklaven waren, die härter als die Siedler arbeiteten. Und dafür auch indigene Völker vertrieben werden mussten. Es soll hier kein Zweifel gesäht werden, dass es fleißige Siedler gab, die das Land mit aufgebaut haben. Aber es gibt im Denken und Handeln unseres Kulturkreises, der nun mal auch in ihren Landesgenen innewohnt (wie man jetzt wieder merkt), dann wohl doch immer noch Menschen "unter" ihnen. Die härter arbeiten "dürfen". Und für weniger Lohn, versteht sich. Denn sie profitieren davon nicht so sehr wie jene denen nun das Land gehört. In anderen Worten: sie haben bei der nun geplanten "industriellen Erweckung" das übersehen was zur Zeit viele Analytiker zu übersehen scheinen. Und worum es in dieser Kolumne heute gehen soll: dass diese Idee an genau der Haltung der Menschen unseres Kulturkreises vorbei geht, die ich im Titel als "koloniales Denken und Handeln" bezeichne.⁠

Ohne Gastarbeiter, die man ja nun auch allerorts nicht mehr haben möchte, wäre das Ziel dahinter aber nicht erreichbar: Die Unabhängigkeit von anderen Ländern bezüglich Import und Export. Denn sie verkennen das Grund-Problem. Und das ist wie eingangs gesagt kein rein amerikanisches, kein europäisches, es ist ein westliches. Und begann schon zur Kolonialzeit. Jeder möchte heimlich gern zur Oberschicht gehören. Und das ironischer Weise schon seit der französischen Revolution. Die genau deshalb (wie so viele andere Revolutionen) im Grunde "leise gescheitert" ist, wie S. Ugovsky-Strassburger es so schön schrieb, weil sich Menschen an der Revolution bereichert haben. Denn die größte Triebfeder des Menschen ist, genau das haben zu wollen, was andere haben. Und so sind es gar nicht immer die ausländischen Wett­bewerber, die das Problem heute sind. Und es sind gar nicht die Gastarbeiter. Es ist unsere Haltung. Und die ist kolonialistisch geprägt.

KEPPLERs From the Cape to Cairo Illustration
KEPPLER. "From the Cape to Cairo, Civilization vs Barbarism", Puck Magazine, 1902 | Pro-Colonialism propaganda, illustrating the "White Man's Burden" to save Africans from their so-called "barbarism" | License: CCO Public Domain

Wenn man gerade sieht wie - konträr zu dem wie wir andere Länder überfallen, kolonialisiert und ausgebeutet und ganze Kolonien eigener Landsleute dort stationiert haben - sich gerade nach der großen Flüchtlingswelle um 2015 herum wieder populistische Parteien Europas in ihrem jüngsten wachsenden Umfrage-Erfolgen von der Angst der einfachen Leute "ihr Land würde von Flüchtlingen überschwemmt werden" nähren, muss einem doch klar werden, dass wir immer noch glauben, wir würden oben auf sein. Und wer immer noch so naiv ist dem Framing anheim zu fallen, dass es Rassismus und/oder Fremdenangst nur im Osten oder ärmeren Schichten und Vierteln gäbe, sollte die unterschwellige und geschickt versteckte elitäre fremdenverachtende Haltung unserer wohlhabenden Bildungs-Bürger nicht unterschätzen. Und nicht glauben, von denen hätte keiner auf dem Wahlzettel weiter rechts ein Kreuz gemacht. Googeln Sie doch mal: "Anwohner von Hamburger Villenviertel verhindern Flüchtlingsunterkunft". Es würde den Rahmen sprengen hier noch weiter darauf einzugehen. Aber es verdeutlicht Ihnen vielleicht einmal mehr was ich versuche mit "kolonialistisch geprägter Kultur" zu umreißen.

Nicht wenig dazu beigetragen hatten damals (2015 als die Debatte losging) im Übrigen anders gemeinte aber trotzdem nicht weniger fragwürdige “Kunstaktionen” wie jene “Leichenberge” vor dem Brandenburger Tor. Das sollte zwar eine Mahnwache und Hilferuf sein, dass Europa und Deutschland aufwachen und reagieren müsse, um den Flüchtlingen mehr zu helfen. Aber bei dem “kleinen Mann” löste diese damals dadurch sehr publik gewordene Problematik ganz andere Gefühle aus. "Warum nur?" fragen sich seid Jahrzehnten jene Menschen verzweifelt, die sich auf der richtigen Seite wägen, und glauben Rechtspopulismus zu bekämpfen in dem sie mit dem Finger auf andere zeigen. Und verkennen dabei, dass sie Teil es Problems sind. Denn auch sie halten eine nicht selbst-diagnostizierte aber kulturell bedingte kolonialistische Grundhaltung in ihrer Moral versteckt. Sonst würden sie sich um ihre Gastarbeiter mehr kümmern. Oder mehr Arbeiterkinder groß ziehen anstatt Anwälten. Und so ächzen haupt-”betroffene” Länder mit Küste Richtung Süden wie Italien, Frankreich und Spanien, gleich gefolgt von historisch eh fremdenfeindlich veranlagten Ländern wie Deutschland und Niederlande, unter einem Rechtsruck, wie man ihn sich hätte in der Zeit der Debatten über die Brände in den Flüchtlingsheimen in Berlin in den 1990ern nicht mehr hätte vorstellen können.

Also fassen wir zusammen: Während die Hauptgründe dafür, dass dem Rechtsruck gerade viel Nährboden geboten wird, sehr divers verteilt liegen – von viel zu rechthaberisch und dominant geführten Wok- und Emanzipations-Debatten bis hinzu Elitarismus in Politik und Medien - spielt also genau dieses eine “Ass” im Ärmel des Teufels in das geopolitische Kartenspiel hinein, welches gern übersehen wird: das Kolonialgedankengut in unseren Genen.

Was man ja schon daran merkt wie zum Beispiel öffentliche Moraldebatten über Sitten und Unsitten in anderen Ländern geführt werden. Und wie wir als “Vorreiter” lange Zeit anderen Ländern und Kontinenten eine grüne Wirtschaft auf-diktieren wollten. Ohne dabei zu berücksichtigen, wie lang wir eigentlich den Planet belasteten und unsere Wirtschaft davon profitierte, bis die Sinneswende kam. Aber auch in anderen Bereichen hören wir nicht auf uns wie Missionare aufzuführen. Und nicht selten auf die unvorstellbar perfideste Art. Wie zum Beispiel im Rahmen von Hilfsprogrammen. Oder eigentlich wichtigen Debatten, wie Diversität, Gleichberechtigung der Geschlechter und Kulturrassismus. Und so gibt es sogar im Linken Spektrum unter dem Vorwand des Feminismus Stimmen, die “Ausländer raus” haben wollen, da diese ja ihre Frauen schlecht behandeln. Und werden von Moralisten wiederum dafür angegriffen, die ihre Gastarbeiter gern behalten wollen. Merken sie wie zynisch dieses Spiel ist? Und von außen betrachtet (also der Rest der Welt, und der ist groß) verbindet sie alle mehr als sie trennt: Kolonialblut.

Add new comment

The content of this field is kept private and will not be shown publicly.

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Lines and paragraphs break automatically.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.