Der Mensch war sich schon immer einiger darüber, wenn es darum ging gegen etwas zu sein. Für etwas zu sein hieße ja man müsse tatsächlich etwas tun. Und das ist ja viel anstrengender und mit einer gewissen Verantwortung dafür wofür man ist verbunden. Und man kann dabei nicht so schön zu einer Gruppe gehören und Wut gegen jemanden ablassen. So zeigt sich auch Berlin wieder ganz im Motto des Gegen-etwas-seins. Die AfD gegen #Merkel und Einwanderungspolitik und der Rest der Stadt gegen die AfD. Zugegeben etwas bunter und weniger unattraktiv. Aber würden sich alle Beteilligten mehr ihrer Verantwortung dabei bewusst werden und würde die Menschheit mal so viel Energie in die Lösung der Probleme stecken, die die Ursache für das sind, wogegen sie dann auf einmal sind, hätte dieser Party-Tag wahrscheinlich unter einem anderem Vorwand stattfinden müssen. Denn dass viele das nur als Vorwand nahmen, ist keine Unterstellung sondern reine Geschichtskenntnis. Ich sage nur Stichpunkt 1970er, Stichpunkt '89 und so weiter…
A Pro Pos Geschichtskenntnis: Die Geschichte hat uns auch gelehrt, dass wenn die Realität im Zeitgeschehen härter würde (ihr wisst schon, die böse Vorahnung die wir alle mit unserer Angst vor der AfD bekämpfen), das Bild anders aussehen würde, als zum Zeitpunkt davor (also quasi jetzt). Viele der Gegendemonstranten wären dann nämlich schnell zu Denunzianten und Mittätern geworden und hätten schnell ihr Ticket für die gestrige Gegendemo verbrannt und einige AfD-Demonstranten hätten sich vielleicht sogar gegen diese extreme Entwicklung gestellt und diese vielleicht sogar bekämpft, weil "das war es ja nicht was ich wollte". So zumindest wissen wir heute über die Zeit von damals. Aber wie so oft, davon will man heute erst einmal nichts wissen. Heute geht es erst einmal darum geschlossen gegen etwas zu sein. Auf allen Seiten. Wie sagte Duffy Duck schon einst: "Konsequenzen Schmonzequenzen!" Also scheiß egal was morgen kommt und erst mal los.
Ganz übel wird es dann natürlich immer auf den extremen Sitzplätzen in solchen Situationen. Man hat zwar auch nichts anderes erwartet, aber man ist doch jedes mal aufs Neue geschockt wie sich so manche Sprachrohre in den Ecken zu dem Thema äußern. Und ich ertappe mich dann immer dabei am meisten über die Linken irritiert zu sein. Wahrscheinlich weil ich auf dieser Seite immer höhere Ansprüche gestellt habe und meine Naivität und Erwartungen in die Richtung nie Lehren aus der Vergangenheit mit sich zogen.
Ich habe Zeit meines Lebens dafür aktiv eingestanden, dass so etwas wie in den 1940er Jahren nie wieder passiert, und habe das auch immer offen kund getan und Energie aufgebracht. Zumal Teile meiner Familie Opfer dieser Zeit waren. Daraus hat sich aber noch nie automatisch für mich eine politische "Richtung" oder "Tendenz" und schon gar nicht eine neue Form des Hasses gegen Etwas ergeben. Für mich wie auch für viele andere Autoren dieses Online-Symposiums gibt es dieses politische Koordinatensystem nicht, welches nur als Orientierung für jene dient, die nicht in der Lage sind selbstständig zu denken. Und darüber schrieben wir bereits zu unseren Anfängen. Für uns gibt es nur das was Menschen sagen und tun. Oder eben nicht sagen und nicht tun. Und dann erst ist man in der Lage wirklich mit offenen Augen zu sehen und zum Beispiel so auch Islamfeindlichkeit in linken Parteien zu entdecken, wie wir vorletztes Jahr. Und dabei auch gern für den Zeitpunkt der Erkenntnis eine Position zu beziehen. Wie zum Beispiel meine klare Position gegen Fremdenhass, egal aus welcher Richtung er kommt. Und Fremdenhass ist für mich nicht nur #Hass gegen Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft sondern auch Hass gegen Andersdenkende. Aber dabei eine klare aber konstruktive und nicht destruktive Position zu vertreten und diese mit Argumenten zu unterfüttern und mit Lösungsansätzen zu verzieren ist meiner Meinung nach der aktivere und richtigere Ansatz die Idee der Demokratie ins Spiel zu bringen, als in irgendwelchen Stimmungswellen mitzureiten und zu Technomusik gegen eine andere politische Positionierung als die eigene vorzugehen. Die AfD-Transparente werden ja immer hinreichend zitiert und sind wahrlich hanebüchen. Kein Zweifel. Aber die O-Töne aus den anderen Reihen müssen sich dahinter zum Teil wahrlich nicht verstecken.
Dass dadurch der Pressespiegel auch etwas bedenklich stimmt, ist natürlich für manche in den äußeren Ecken völlig unverständlich und so echauffiert sich die TAZ darüber (warum wundere ich mich darüber nicht), dass die Medien hier "den Rechten in die Hände spielen würden" und zitiert von A-Z mit hasserfüllter Menagerie darüber was für Einfaltspinsel doch all diese Medien wären. Und dann immer Wortaufhänger als Argumentation. Spitzfindig und in Grabenkämpfen trainiert, wie immer. Ich kenne sie nicht anders. Ich erinnere mich noch an eine Erzählung eines Kollegen von mir der vor vielen Jahren mal zu einer TAZ Partie eingeladen war und die damalige Chef-Redakteurin nachdem man sich vorstellte und sie ihm die Hand gab, sich zu ihrer neben ihr stehenden Kollegin umdrehte und ihr abfällig ins Ohr flüstere "Osten!" während sie noch fast die Hand des Kollegen in der Hand hielt und dieser es dank seiner guten Ohren mitbekam. Für mich eine passende Geschichte zu vielen Eindrücken die ich von diesem Blatt sammeln durfte. Die Kommentare unter dem TAZ Artikel zu besagtem Thema lesen sich ähnlich. Mein Lieblingskommentar war folgender:
Zitat (Kommentar): "Das Problem ist die bürgerlich-naive Vorstellung, man müsse mit den AFD-Wähler nur im Dialog bleiben, indem man "ihre Sorgen ernst nimmt" und schon würde sich das Problem wieder von alleine in Wohlgefallen auflösen."
Oha! Ich fand es schon immer interessant wie sich Gegner einer menschenfeindlichen Ideologie nur allzu oft gern derer Rhetorik bedienen ohne es selbst zu merken. Das erlebe ich nicht selten, habe dazu auch in historischem Kontext mehrfach drauf aufmerksam gemacht (Straßenkämpfe in den 1930er Jahren zwischen den Parteien die um Wählerstimmen in der Arbeiterklasse buhlten) und habe auch schon einen namhaften Frontmann einer Rockband jüngst darauf aufmerksam gemacht, als er einen Fußtritt von unten fotografiert in den öffentlichen Medien mit dem Kommentar versah: Das habe ich für solche Menschen übrig (oder so ähnlich, und da ging es glaube ich auch um Pegida, AfD und Konsorten). Ich würde dieses Zitat aus dem Kommentar unter dem TAZ Beitrag gern einrahmen und in ein historisches Archiv packen um es nach den danach vielleicht eskalierten Unruhen hervorzuholen, wie manch andere Zitate in der Geschichte bereits hervorgeholt wurden um zu verdeutlichen, in welchem Zustand die Gesellschaft kurz vor der Eskalation war. Ich hätte den Kommentator gern gefragt: Ach ist das so? Das ist ja furchtbar! Was denken die sich nur dabei! Was würden Sie denn lieber mit ihnen tun als "nur reden"? -- Sie merken jetzt vielleicht durch meine Gegenfrage, was der Kommentator vielleicht nicht bemerkte? Genau das ist es, das Unbewusste aber dahinter verborgene Gefährliche solches "Im-Recht-seins". Und ja, man muss mit Ihnen darüber reden. Im Gegensatz zu Ihnen, sehe ich genau da den "naiven" richtigen Ansatz. Auf allen Seiten!
Jene oft sehr weit außen angesiedelte Argumentatoren, die gewissen Bedenken immer mit völligem Unverständnis und Verachtung begegnen wollen um dem Schwall der die Bedenken auslöste weiterhin vollen Lauf gewähren zu können, argumentieren dann meist mit ihrer perfiden Logik, dass man ja mit der Aufzählung von Entgleisungen auf den Seiten "der Guten" versäume sich auf die Entgleisungen der anderen zu konzentrieren, die die Ursache für derer Positionierungen darstellen und man damit ja die Verursacher aus dem Fokus verliere und ihre Selbstdarstellung als Opfer nur fördere. Sie merken dabei aber nicht, dass das das historisch am meisten verwendete Argument aller Unrechtsstaaten und Bewegungen aller Zeiten war und ist, und nichts weiter ist, als das alte kindische "Der hat aber angefangen!"
Ich weiß nicht wie oft man das noch sagen muss und wie viele Historiker und Humanforscher es noch sagen müssen bis es die Menschheit endlich begreift: Niemand braucht sich als Opfer zu inszenieren, denn wir alle sind Opfer - und Täter zu gleich! Und waren es immer und werden es immer sein. Jeder, der versucht etwas anderes für sich daraus zu machen, belügt sich selbst - und alle anderen.
Zum Abschluss noch ein schönes Zitat aus dem TAZ Artikel: "Die Nachrichtenseite n-tv.de setzte noch einen drauf: Sie kam bei der Gegenüberstellung von AfD-Demo und Gegenprotest zu dem Schluss: "Nazis überall." Auch mit dieser Überschrift bediente sie ein Framing der Rechten. Die AfD ist dafür bekannt, sich als Opfer zu inszenieren und Wirklichkeiten umzukehren."
Als ich den Absatz mit der "Wirklichkeit umzukehren" las, wusste ich dass es keinen Sinn machte mit der TAZ zu diskutieren oder dort einen Kommentar zu hinterlassen. Ihre perspektivische Selbstverzerrung und völlige Außerachtlassung aller philosophischen und historischen Erkenntnisse über Perspektivenwechsel, Relativität, und den gefährlichsten Begriff aller Zeiten, den Begriff der gepachteten Wahrheit, gepaart mit mangelnder Empathiefähigkeit gegenüber Andersdenkenden, zeigen dass sie im Stande sind bei völliger Überzeugung im Recht zu sein gegen jemanden in den Krieg zu ziehen. Eine Attitüde die ich noch nie mochte, von keiner Seite. Deshalb gibt es für mich niemanden der im Recht ist. Weil die Folge daraus fast immer neues Unrecht bedeutet.
Um das klarzustellen: Ja, ich bin anderer Meinung als die AfD, wahrscheinlich in allen Punkten. Und ja, ich wünsche mir eine Welt in der es solche Bewegungen nicht gibt. Aber nein, ich hasse niemanden dafür und grenze für diese meine Meinung auch niemanden aus oder behandle denjenigen respektlos und unmenschlich. Weil das macht mich zu dem was ich bekämpfen will. Solange die Menschheit das nicht begreift, wird die Kette der Ungerechtigkeiten nie abreißen.
Weiter unten heißt es noch bei der TAZ: "Wer Framings der Rechten übernimmt, spielt ihnen in die Hände und macht sie so am Ende doch zu den Sieger*innen der Tages." – Genau das meine ich: Die Frage wer ist der Sieger. Die Menschen haben wirklich nicht aus der Geschichte gelernt. Wer der Sieger ist, darum geht es also? Und die Rhetorik wird sich wohl niemals ändern… Und Framing sollte als neues Unwort des Jahres gekürt werden. Aber das meine ich rein stilistisch.
Würden mal alle soviel Energie dafür aufbringen etwas gegen die Missstände für Einwanderer zu tun um ihre gesellschaftliche und soziale Eingliederung und Gleichstellung zu verbessern um damit den Einwanderungsgegnern die Argumente unter den Füßen zu entziehen, dass die gescheiterten Eingliederungen ja zu der Kriminalität führe die sie als bedenklich erachten etc., wie sie dafür aufbringen, eine große Berliner Party zu feiern (was sie eh ständig tun), würde ich diesen Artikel gar nicht schreiben. Zugegeben, die Idee eine große Gegendemo als bunte Party zu machen um zu zeigen was die Mehrheit denkt, ist nicht schlecht, und auch aus dem Gesichtspunkt der Demokratie ein schönes Mittel. Aber leider nur auf dem Papier. Denn in der Realität sieht es anders aus und der Hass der hier mit der gepachteten "Wahrheit" und im Recht zu sein gerechtfertigt wird, ist für mich Grund genug Wasser ins Feuer zu schütten.
Als mir geschildert wurde, wie ein alter Mann mit eingerollter Deutschlandfahne auf einem U-Bahnhof von vielen bunt angemalten Jugendlichen aufs Heftigste angepöbelt wurde (die zur WM wahrscheinlich genau die gleiche Fahne rausholen werden) und man schon besorgt darüber war, ob man gegen ihn handgreiflich würde, schlug meine Stimmung endgültig um. So, meine lieben Freunde geht es nicht. Und da gibt es keine Rechtfertigung für! Wer das billigt, hat nichts von all dem verstanden, wofür oder wogegen man angeblich glaubt zu kämpfen. Hat weder den Begriff des Fremdenhasses verstanden noch die Demokratie und geschweige denn den Satz: Das so etwas nie wieder passieren dürfe. Denn sie haben vor allem Eines nicht begriffen: Dass es von der Geschichte nicht vorgeschrieben ist, von welcher Seite das Unwetter kommt.
Ich habe mich nun wieder meiner Art und Weise Fremdenhass zu bekämpfen gewidmet und meine Energie dafür genutzt Menschen einen Spiegel vor das Gesicht zu halten. Und zwar allen Menschen! Mir inklusive! Denn dass es mich emotional aufbringt zu erleben wie Menschen in großen Gruppen auf andere Menschen losgehen, hat mir schon immer die Ambivalenz meines eigenen pazifistischen und friedliebenden Ansatzes vor Augen geführt. Mit dem Unterschied, dass ich bis jetzt geschafft habe mich selbst und meine in dem Moment aufkommende Wut gegenüber der Ungerechtigkeit zu entlarven und zu erkennen, dass ich kein Deut besser bin, wenn ich dies ungehemmt kanalisiere und damit anderen Menschen schade.
Und natürlich werde ich auch bei jedem Satz den ich schreibe nie aufhören daran zu zweifeln, ob ich mit meinen Worten Menschen schade oder einem Irrtum unterlegen bin. Das sollten wir alle viel öfter tun.
2 Zitate möchte ich gern mit Erlaubnis der Autoren noch dem Beitrag hinzufügen, weil ich finde, dass sie dem Ganzen einen positiveren Abschluss geben:
1. Enno Park (Publizist, Medieninformatiker): "Sehr vielen Leuten fällt es unheimlich schwer zu glauben, dass andere Leute mit anderer #Meinung als sie selbst diese Meinung nach bestem Wissen und Gewissen gebildet haben könnten." – Zitat, Twitter (link)
2. Sebastian Ugovsky (Autor,Regisseur, Komponist): "Wenn Wissen so euphorisch und umtriebig wäre wie Meinungen, würde Wissen jede Meinung die wir haben permanent in Frage stellen." – Zitat, Twitter (link).
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Berichte von Links gegen Rechts, Berichte von Rechts gegen Links. Die Nation ist gespalten und nur sehr wenige scheinen an einer Lösung interessiert, vielmehr will jeder lauthals in die Welt schreien, gegen was er ist. Die wichtigen Stimmen verschwimmen und gehen im Geschrei der Brüllaffen unter. Dieser Artikel ist einer der wenigen wirklich besonnenen Kommentare in dieser Zeit und ich hoffe dass Auslandszeitungen, wie die in der Schweiz, die sich schon über unseren Umgang damit das Maul zerfetzen, diesen Artikel als ein besseres Beispiel auch mal lesen.
Es ist schwierig geworden „das Richtige zu tun“. Es klingt immer so einfach und gerade im Rückblick auf Ereignisse scheint man sofort zu wissen, was richtig gewesen wäre. Aber als Mensch in der Momentaufnahme hat man es schwer und weiß nur, man will etwas tun und jeder agiert mit der Überzeugung das Richtige zu tun. Ob es das richtige war, wird sich erst in den Geschichtsbüchern von morgen zeigen.
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