Missbrauch der Corona-Krise

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Im Tal der Ahnungslosen wuchert Unkraut

Missbrauch der Corona-Krise

Spendenaufrufe & Quoten Hochkonjunktur

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Lesedauer: 5 mins

Kennen Sie den Witz mit dem Pessimisten und dem Optimisten? So kommt es mir immer wieder vor, wenn ich mir sozial-dynamische Prozesse in der Gesellschaft anschaue in Krisenzeiten. So auch zu Zeiten von Corona. Wir haben lange in der Redaktion darüber diskutiert, ob wir das Wort Corona überhaupt benutzen wollen. Aber das ist schwer, wenn der Inhalt dieses Kurzessays im Kontext dazu steht. Aber eben in der kritischen Weise, dass man die Überkommunikation und den Missbrauch der Krise anprangern will und dabei aber genau in die selbe Falle tappt. Zwangsläufig tappen muss. Schwierig also mit dem Vorwurf. Aber nicht unmöglich. Und vor allem nicht unwichtig zu erwähnen. Von daher gehen wir das Risiko des Widerspruchs ein und bringen den 2. Artikel zu dem Thema. Weil uns nichts anderes übrig bleibt…

Es ist der Mensch. Der den Virus durch sein Verhalten so schnell verbreitete. Der den Virus unterschätzte. Der den Virus gleichzeitig aber medial gewinnbringend auswertete und so überkommunizierte, dass Menschen, falls sie es je taten, es spätestens da aufhörten ernst zu nehmen. Und es war auch der Mensch der wiederum gleichzeitig den Virus seinen anderen menschen-üblichen Interessen, von denen er nicht abweichen will, unterordnete. Und somit fälschlicher Weise zu lang ignorierte. Um ihn dann in der ausgebrochenen Krise auch noch zu melken und als Mittel zum Zweck zu missbrauchen. Es gibt scheinbar KEIN widersprüchlicheres Wesen im Ganzen Universum als uns.

Wem das noch nicht reicht um zynisch zu werden und zu dem Schluss zu kommen: dem Menschen ist nicht mehr zu helfen, der ist in dem oben erwähnten Witz eindeutig der Pessimist. Denn der Witz geht so. Sagt der Pessimist zum Optimisten: „Schlimmer geht’s nicht mehr.“ Sagt der Optimist: „Doch!“…

Wo kommen nur all diese egomanen Experten her, die jetzt plötzlich zu der Gefahreneinschätzung und der Medienpräsenz des Virus eine scheinbar „qualifizierte“ und mit ihren Doktortiteln, Auszeichnungen und verantwortungsvollen Aufgaben in dem Bereich untermauerten Meinungen kommentieren wollen, in dem sie voreilig alles zu Humbug erklären und Entwarnung geben und den Menschen in ihrem heimlichen Bedürfnis nach Frieden, Ruhe und „Ist ja alles gar nicht so schlimm“ befriedigen? Für ihre 5 Minuten Ruhm? Warum wurden sie nur nicht befragt als Regierungen und Gesundheitsbehörden in der ganzen Welt ihre Einschätzungen und Studien offenlegten? Ja und wo selbst die Virologen, die akut daran forschen zugeben mussten: „Wir wissen einfach noch zu wenig um Entwarnung geben zu können. Und die Zahlen und Folgen in der ganzen Welt sind nun mal einfach nicht mit einer einfachen Grippewelle vergleichbar.“ Unsere selbsternannten Experten wissen es aber besser und attestieren all denen, die da draußen versuchen, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen die Unfähigkeit Corona richtig unter „Heuschnupfen“ einzuordnen! Das ist genau das was ich Stammtisch-Politik nenne. Heute heißt es Internet. Während in Afrika und Amerika die Wirtschaft und das Gesundheitssystem zusammenbricht. Diese unheilsame Fähigkeit zur Ignoranz hätte ich auch gern mal, wenn mir eine zu hohe Rechnung ins Haus fliegt. Es muss unglaublich heilsam sein auf einer geistigen Insel zu leben…

Aber das ist noch nicht genug des „Menschlichen“. Die nächste Perversion wartet schon hinter der nächsten Ecke. Nicht nur dass nun alle zu dem Thema etwas sagen wollen und somit Aufmerksamkeit bekommen. Nein auch das Miteinander und ach so Menschliche - und damit ist in der Regel das Gute im Menschen gemeint, was aber im selben Moment ad Absurdum geführt wird – kommt zutage und bittet nun tunlichst, wo man sich über die Tragödie einig ist, um eine Spende. Und in den aufgewühlten und emotionalen Zeiten merkt natürlich keiner, dass das was man in langen Jahrzehnte andauernden Kämpfen mit viel Blut und vielen Missverständnissen errungen hat, plötzlich keine Geltung mehr zu haben scheint, um Missbrauch zu vermeiden: die einzufordernde Spenden-Transparenz!

Wahllos wird an jeder Ecke des Internets und in Print und Medien zu blinden Spenden und hin zu überall neu aufpoppende Organisationen aufgerufen. Interessanter Weise da, wo Zielgruppen zugegen sind, die am wenigsten Mittel zum Spenden zur Verfügung haben und selbst von der Krise betroffen sind. Ein böswilliger oder trocken-humoriger Analytiker könnte jetzt genüsslich resümieren: Ach da will wohl jemand, dass die Leute ihre gerade erhaltenen Fördermittel, die zu Großzügigkeit verleiten könnten, auf dem Kopf haut? – Stop! Moment! Das wird jetzt aber sehr zynisch! – Ach ja? Wieso? Wird es das? Genau genommen nicht, denn: Fördermittel sind dazu da die eigene Situation zu stabilisieren (nicht mehr!) und werden vom Steuerzahler finanziert und auf wirkliche Notdürftigkeit hin genehmigt. Genau wie soziale Unterstützung oder Kulturförderung. Hintergrund ist der, dass eine wirtschaftlich zusammenhängende Region solche Krisen nur überleben kann wenn die Dinge weiter funktionieren und der Bürger einkauft und die Wirtschaftskreisläufe nicht zum Erliegen kommen. Sicherlich, als Philosoph ist man zu der Frage verleitet: Will man das? Aber bleiben wir in der Realität. Wo Not ist, da ist auch der Scharlatan nicht weit, der aus der Not anderer für sich eine Chance wittert. Und gerade in solchen Zeiten neige ich ganz besonders dazu skeptisch gegenüber Spendenaufrufen zu sein, die bei Nachfrage nicht bereit sind aufzuschlüsseln wie und wo das Geld eingesetzt wird. Vor allem ist es doch interessant, dass (wieder einmal!) die durch das Raster fallen, die es am Nötigsten brauchen. Weil sie in keine förderfähige Menschengruppe einordbar sind. Während zur Zeit jedes große Unternehmen jeden Fehltritt gegenüber dem kleinen Kunden mit der Corona Krise entschuldigen will.

Fakt ist also zusammengefasst: alles bleibt beim Alten. Opfer der Krise sind diejenigen die immer die Opfer waren und Gewinner der Krise sind jene, die schon immer schamlos auf Kosten anderer gekonnt weitergekommen sind. Somit beweist der Mensch wieder einmal - wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sagen: „auf köstliche Weise“ - wie die Evolution und Mutation innerhalb seiner Gattung und somit die innere natürliche Auslese genau umgekehrt zu seinem Moralkompass verläuft, und im Gegensatz zur Evolution und Mutation in anderen Gattungen nicht zu seinem Selbsterhalt sondern langfristig eher zu seiner Selbstauslöschung dient.

Und wieder reagiert der Homo Sapiens falsch auf die Botschaften, die ihm das Universum sendet…

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