Ignoranz des Menschlichen

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Klimawandel kein Sturm im Wasserglas

Ignoranz des Menschlichen

Selbstrettung ein humaner Trugschluss?

Preview Fotomontage Strum im Wasserglas

"Strum im Wasserglas". | photo montage by unknown artist

Preview Abbildung eines surrealen Gemäldes mit einem zähneputzenden Mann und Vögeln

"Mirror in the Bathroom". | Artist: vmoldavsky | provided by DevianArt | ©  CC BY 3.0

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Lesedauer: 4 mins

Brand aktuell: Der Klimawandel lässt den Winter zu einem Herbst Sturm werden. Botschafter des Wandels - nicht selten wohlhabende und erfolgreiche Mediengestalten - werden mit schlecht versteckter, aber heimlicher Freude geifern: Wir haben es Euch doch gesagt! Die Frage die dabei zwar oft gestellt, jedoch oft gekonnt ignoriert wird, ist: Was hat der Mensch tatsächlich damit zu tun? Wenn wir ehrlich sind, wissen wir es eigentlich immer noch nicht genau.

Der namhafte amerikanische Kabarettist George Carlin benannte einst eine seiner denkwürdigen Standup-Comedian-Shows "The arrogance of mankind" und rettete 2010 damit bei einer Stippvisite im Netz meinen Tag. Er sprach mir in meinen seit Jahren sehr zurückhaltend geäußerten Quer-Gedanken aus der Seele und gab mir in meinen langjährigen Zweifeln darüber, ob ich mich durch meine philosophischen Essays und sich wiederholenden und selbstauslöschenden Denkschleifen nun gänzlich in der Unmenschlichkeit verloren hätte, zum Zyniker geworden wäre, eine gewisse Selbstsicherheit zurück. Denn schließlich ist dies ein nicht ganz unbegründeter Vorwurf, der vielen Geisteswissenschaftlern an einem bestimmten Punkt ihrer Erkenntnis-Evolution gemacht wird.

Aber in der heutigen so übermedial aufgebauschten Welt, bekommt Zynismus eine ganz andere Bedeutung, eine ganz neue Rolle zugeteilt. Während der Mensch sich selbst seine Lieblingsrolle gibt: Rettet die Wale, rettet den Urwald, rettet das Meer, das Theater! Nein wollen wir mal nicht so bescheiden bleiben: Rettet die Welt! Eine menschliche Form der Arroganz und indirekt sogar eine neue Form der menschlichen Ignoranz gegenüber ihrer Rolle im Universum, die sicherlich viel Spielraum für Satire lässt.

Aber wie schon in vielen anderen meiner Essays, ist auch in der bei mir häufig zu findenden Relativierung der moralisch überarbeiteten Beta-Version des auf Erhalt und "Rettet-die-Welt" als Trend annehmenden industriellen Neuzeit-Menschen der selbe relativierende kritische Rückschluss anzuwenden, der das möglicher Weise entstehende Ungleichgewicht aus der Konterbewegung wieder auffängt. Denn nichts anderes ist es, wenn George Carlin die Arroganz der Menschheit kabarettistisch aufarbeitet und uns erklärt, dass die Erde schon ganz andere Plagen als den Menschen abgeschüttelt hat und das 200 Jahre Industriezeitalter, Plastiktüten und Kraftfahrzeugabgase über Milliarden Jahren Erdbeben, Meteoriteneinschlägen, Eiszeiten, Kontinentalverschiebungen, Magnetstürmen, Klimaextremen, Sonnenstürmen, Vulkanausbrüchen und Lebewesen-Epochen gegenüber stehen.

Aber Vorsicht! Es ist nur eine satirische Relativierung. Diese darf am Ende nicht auf selbe fälschliche Weise zu einem absoluten Leitbild gemacht werden. Denn dies würde uns um genau diese 2 Jahrhunderte zurückwerfen. Wenn wir trotz Zynismus gegenüber der medialen Klimawandel-Überpräsenz ehrlich zu uns sind, müssen wir uns doch eingestehen, dass es schon gut war, dass die "grüne Idee" seit ein paar Jahrzehnten in den Köpfen etwas bewirkt hat. Der Mensch lernt langsam. Und alte Gewohnheiten brauchen lang, um abgestreift zu werden. Und mal davon abgesehen: nicht alles Neue ist bekanntermaßen immer besser als das Alte. Und somit hat es von der Thematisierung bis zur Veränderung 30 Jahre gebraucht damit ich heute zu mir sage, ich kann mir gar nicht mehr vorstellen im Supermarkt mit Plastiktüten einzukaufen.

Sicherlich, der vom Menschen produzierte Müll könnte rein theoretisch ein von uns Menschen missverstandenes astronomisches Element sein, welches wir in unserer Arroganz als etwas was wir dem Planeten antun missinterpretieren. Uns damit eine viel zu einflussreiche Rolle zusprechen, während das Universum uns womöglich einzig und allein aus dem Grund geschaffen hat: Um diesen Müll zu hinterlassen. Der Mensch wird nicht mehr sein, sein Müll aber wird ganze Galaxien mit chemischen Elementen hervorbringen. Während der Mensch unlängst vergessen ist. Diese satirisch zu betrachtende Hypothese ist ein denkbares Ergebnis bei Überlegungen zum Menschen, seiner Lebensweise, seines Einflusses auf der Erde, dem Hin- und Her zwischen "Das ist doch alles egal" oder "Rettet die Welt" und die Sorge um eine mögliche moralische Orientierungslosigkeit.

Es ist aber vor allem, egal wie herum gedacht, beides ein guter Spiegel unserer Ignoranz. Ein vom Menschen gedachter Gedanke ist ein Perpetuum Mobile menschlicher Reflexion und wird sich niemals als "perfect isolated object" extrahieren und vom Menschen losgelöst analysieren lassen, solang es kein Wesen gibt, welches dies unabhängig von uns in einen größeren Kontext stellt.

Somit ist auch jede neue moralische oder ethische Betrachtung, jede neue Bewegung in der menschlichen Gesellschaft nur ein weiterer Stein auf einer Gedankenmauer, gebaut von Menschenhand, um uns auf ihr die Welt in einer rein und ausschließlich menschlichen Weise zu projizieren.

Aber all diese Gedanken sollten eines nicht verwischen: eine Welt mit weniger Müll und weniger Abgasen ist deutlich schöner.

Comments

Lars Meuthen

Da fällt mir doch gleich ein Zitat von Marc-Uwe Kling ein:
„Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.“

marissa2000

Ich finde es total richtig, dass dieses Thema so Medienpräsent ist, sonst würden die Menschen nicht merken wie wichtig es ist und würden es dann eher als eine Modeerscheinung abtun. Aber ich finde es großartig, dass gerade die jungen Leute ein solches Bewusstsein dafür entwickeln. Sie werden es besser machen.

miLLie_pOw

@marissa2000 eigentlich finde ich es ja auch toll, dass das Thema Umwelt nun regelmäßig und vor allem ernsthaft besprochen wird. Aber das die Nachrichten nun jeden Tweet von Greta zum Tagesthema machen und durch zu schnelles Umsetzten nicht zu Ende gedachter Verordnungen trifft es leider oft den einfachen kleinen Mann, der nicht versteht warum er mit seinem Dieselwagen vom Malerbetrieb nun nicht mehr überall hin fahren kann, aber weiterhin Kreuzschiffefahrten und Inlandsflüge boomen. Es wirkt alles etwas unüberlegt und dass weckt glaube ich das Misstrauen.

Bob

So habe ich das noch nie gesehen :D Vielleicht stören wir jetzt den Plan des Universums, weil wir eine umweltbewusste neue Generation heran züchten… Ich finds ja super lustig. Das sollten nur nicht die Dummbrote von den „Anti-Alles-Vereinen“ lesen, die würden das glatt als ernstgemeintes Argument anbringen.

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