Eine Welt ohne Computer ... das können wir uns unlängst nicht mehr vorstellen. Überall sind sie in unser Leben integriert und übernehmen zuverlässig viele Aufgaben des Alltags und werden als bessere Spezialisten in vielen Bereichen eingesetzt. Der Satz selbst schon eine Floskel. Und der Computer? Damals eine bahnbrechende Erfindung. Mit der sich die gesamte menschliche Zivilisation verändert hatte. Im Denken, im Handeln und vor allem in ihrer Vorstellungskraft und ihrem Selbstvertrauen dahingehend, was sie in der nun darauf folgenden Zukunft damit alles bewerkstelligen könnte. Weltraumforschung ohne Computer? Unvorstellbar. Moderne Medizin? Praktisch unmöglich. Passagierflugzeuge? Forschung? Er - der Computer - ist und bleibt ein Meilenstein der modernen Zivilisation. Aber wer hat's erfunden? Ricola? (Scherz). Nein, ernsthaft: Wenn wir mal von der schon 1837 von Charles Babbage und Ada Lovelace (eine englische Mathematikerin) entworfenen Rechenmaschine "Analytical Engine" absehen, die als Vordenker-Modell der weitaus moderneren universellen programmierbaren Computer gilt, gibt es darauf trotzdem keine einfache Antwort.
Immer mehr junge Menschen stellen sich diese Frage, da nun, nach der anfänglichen Euphorie der ersten Computergenerationen, junge Menschen mit einer Selbstverständlichkeit in das Computerzeitalter geboren werden, die dazu führt, dass ein Geschichtsbewusstsein dafür an Stelle der Begeisterung für das damals Neue tritt. Beispiele wie der Film "The Imitation Game", die die Geschichte solcher Pioniere wie die des britischen Logikers, Mathematikers, Kryptoanalytikers und Informatikers Alan #Turing erzählen, der während des Zweiten Weltkriegs die gleichnamige Turing Maschine erfand, zeigen wie sehr Computer zum Teil des Menschen geworden sind, wenn sie sich nun sogar schon mit der Ursprungsgeschichte wieder befassen. Ein Interesse, dass leider etwas spät kommt, denn viele dieser Pioniere litten zu späten Lebzeiten in der 2. Computergeneration unter dem Vergessen der Menschheit darüber, wer das alles auf den Weg gebracht hat. Viele von Ihnen konnten das nun wieder neu aufkommende Interesse für ihre damaligen historischen ersten Schritte jedoch leider nicht mehr miterleben. Die Frage, wer nun aber der offiziell anerkannte "Erfinder des Computers" ist, ist keine neue, denn sie ist nicht einfach zu beantworten.
Ein lang währender Patentstreit zwischen John Atanasoff und John Mauchly brachte John Atanasoff in Amerika den Titel "Erfinder des Computers" ein, da er 1939 den ABC (Atanasoff-Berry-Computer) entwickelte. Wie viel Patriotismus da oft in solche Fragen mit rein spielt, wenn an vielen Enden der Welt in die gleiche Richtung geforscht wird, sieht man daran dass es auch in Deutschland immer wieder heißt, der Computer sei eine deutsche Erfindung. Denn aus der Sicht der Z3-Verfechter hat der deutsche Bauingenieur, #Erfinder und Unternehmer Konrad #Zuse 1941 den ersten funktionierenden Computer, nämlich den "Z3" erfunden. Das dies in der Nachkriegszeit nicht unbedingt laut die Runde machte, ist auf Grund dessen, dass ausgerechnet diese Zeit nicht gerade eine rühmliche für Deutschland war, nachvollziehbar, aber sollte so die Anhänger Zuses natürlich das wissenschaftliche Auge in der Frage nicht trüben. Ungeachtet einer möglichen teilweisen Unterschlagung von Zuses Rolle müssen da aber noch viele andere Pioniere dieser Zeit gefragt werden.
Jede dieser und anderer Biografien dieser Zeit rund um die Entstehungsgeschichte des Computers hätte das Zeug zu einem mindestens mittelmäßig erfolgreichen Kinofilm. Zum Beispiel die Geschichte von John Atanasoff, um zum ABC Computervorreiter zurück zu kommen, der als Sohn eines Elektroingenieurs und einer Mathematiklehrerin schon früh die nötigen Fähigkeiten für sein späteren Ruf als "Erfinder des Computer" in den USA mit auf den Weg bekam. Oder der Patentstreit gegen John Mauchly und John Presper Eckert, die gemeinsam den ENIAC, den ersten rein elektronischen Universalrechner entwickelten, der sich bis 1973 hinzog, also bis zur nächsten Generation von Computerpionieren. Und die Geschichte, dass Mauchly Atanasoff jahrelang ausspioniert haben soll um dann selbst einen Computer entwickeln zu können, wäre sicher auch ein guter Stoff für die Leinwand.
Ein weiterer John wird genannt, wenn es um die Erfindung des Computer geht. John von Neumann, geboren in Ungarn, lebte in den USA und ist Namensgeber des "Von-Neumann-Rechner". Auch er käme im Film "John erfand den Computer" vor, da er zeitweise von John Mauchly und John Eckert begleitet wurde, die sich später als eigentliche Erbauer des Röhrencomputers ENIAC nach Auseinandersetzungen mit Von Neumann von ihm trennten, da sie im Gegensatz zu Neumann eine kommerzielle Nutzbarkeit des ENIAC ins Auge gefasst hatten.
Zurück ins nicht so rühmliche Kriegsdeutschland: Ein "nicht John" ist Konrad Zuse, der in Berlin 1910 geboren wurde, also 2 Wetlkriege miterlebte, und der seine Erfindung "Z3", das Nachfolge-Modell des "Z1", in Nazi-Deutschland entwickelte und von der Rüstungsindustrie und NS-Institutionen mit über 250.000 Reichsmark finanziert wurde. Was sicher ein Grund dafür ist, dass man es geschichtlich ungern hervorheben mag. Aber auch dieser Film wäre sicher sehenswert. Wissenschaftler und die Regime und Zeiten in denen sie lebten und interagierten, waren oft umstrittene Passagen aus derer Biografien. Zuse erfindet während des Zweiten Weltkriegs, gefördert von Nazis, den - so heißt es - ersten funktionsfähigen Computer, während er in seiner Freizeit nicht weniger talentiert malt und unter dem Künstler-Pseudonym "Kuno See" Ölgemälde, Kreidezeichnungen und Linolschnitte signiert. Auch hier streiten sich die Geister.
Ein weiterer Filmtitel könnte heißen "Amazing Grace". Dieser Film würde die Erfolgsgeschichte einer Frau erzählen, die schon ihr Studium der Mathematik und Physik an der Yale University mit Auszeichnung absolvierte um dann später noch ganz andere Dinge auf den Weg zu bringen: Grace Murray Hopper. Da sie aus einer Familie mit tiefer militärisch-patriotischer Tradition kam, trat sie während des 2. Weltkriegs in die US-Navy ein und wurde 1944 dem #Navy-Computerprojekt zum Bau der Mark I zugeordnet, der ersten programmierbaren Großrechenanlage der USA. Grace Hopper war die dritte Person überhaupt, die in dieser Konstellation programmierte. Und dann noch eine Frau. Programmieren war höchst mühselig und erforderte mathematische sowie physikalisch-technische Kenntnisse. Entgegen der damals herrschenden Ansicht war Grace Hopper schon Ende der vierziger Jahre von den breiten Anwendungsmöglichkeiten von Computern überzeugt und wechselte in eine junge Computerfirma, mit der sie wenig später den ersten kommerziellen Computer UNIVAC I präsentieren konnte. Grace war eine starke Person und konnte sich auch als Frau in den Fünfzigern durchsetzen und brachte durch die Entwicklung und Nutzung des UNIVAC I für die Geschichte der Programmierung zahlreiche bedeutsame Entwicklungen hervor. Ende 1951 entwickelte sie beispielsweise das Konzept eines Programms, das Programmierkommandos in Maschinensprachencode umwandelte. Diese Idee bildete die Grundlage für Generationen von Programmiersprachen, nicht zuletzt auch für die Entwicklung von COBOL, der bis heute meist genutzten Programmiersprache weltweit. Grace Hopper war die erste, die ein kaufmännisches Vokabular für die Datenverarbeitung anlegte, und sie entwickelte 1956 mit FLOW-MATIC die erste Programmiersprache, die für Daten und Befehle umgangssprachliche Worte (z.B. Compare, Replace, Price) verwandte.
Wer den Computer erfand, ist also keine so leicht zu beantwortende Frage und hängt an erster Stelle davon ab, wie der Computer definiert wird. Zählt man bloß Geräte ab den Röhrenrechnern für Computer, hätte man die Wahl zwischen dem ABC-Rechner (Atanasoff-Berry-Computer, 1942), dem Ungetüm ENIAC (Presper Eckert, Jean Bartik und John Mauchly, 1946) oder dem englischen Spezialrechner Colossus (Thomas Flowers, 1943), der hier noch gar keine Erwähnung fand. Wie so Vieles, was noch erwähnt werden müsste. Spricht man aber erst von einem modernen Computer, wenn er speicherprogrammiert ist und das Programm intern im Hauptspeicher und nicht extern, z.B. auf Lochstreifen, gelagert ist, dann hätten Frederic Williams und Thomas Kilburn (1948) von der Universität Manchester die Nase im Rennen um den "Erfinder des Computer" vorn. Auch eine Geschichte für sich, die erzählt werden müsste.
Viele weitere Namen von Pionieren der Computertechnik können hier aufgelistet werden, wie z.B. Gottfried Wilhelm Leibniz (1679 - erste Beschreibung einer Rechenmaschine mit binärer Zahlencodierung), Herman Hollerith (1888 - Einführung von Lochkarten in die Datenverarbeitung), Ralph Hartley (1928 - Mitbegründer der Informationstheorie), Emanuel Goldberg (1931 - frühe Suchmaschine), Clifford Berry (1939 - Atanasoff-Berry-Computer), Helmut Theodor Schreyer (1942 -Visionär für voll elektronische Rechenautomaten), Sir Maurice Vincent Wilkes (1949 - Erfindung des "benutzerfreundlichen Computer" EDSAC) und nicht zu vergessen die unzähligen Frauen wie Jean Bartik (geboren als Elisabeth „Betty“ Jean Jennings) (ENIAC), Kay McNulty, Betty Holberton, Marlyn Meltzer, Ruth Teitelbaum, Frances Spence, die während der Kriegsjahre als Rechnerinnen und Programmiererinnen arbeiteten um die Männer für die Arbeit an der Front frei zuhalten. Diese Auflistung ist nur ein kleiner Ausschnitt und kann durch eine große Anzahl weiterer bedeutender Personen der Computertechnik erweitert werden.
Wie man also schnell feststellen kann, ist nicht allein Alan Turing ein Pionier auf diesem Gebiet, was so einigen nach dem Film "The Imitation Game" ohne Vorkenntnisse so erscheinen könnte, da sie sich nicht weiter damit beschäftigten. Aber eines ist sicher gewiss: die hier kurz erzählten Geschichten und auch die hier nicht erwähnten, würden uns sicher noch so einige Male ins Kino locken und das traurige Schicksal von Alan Turing und der Umgang der Gesellschaft mit ihm als Menschen ist ungeachtet dessen ob er ein Genie war oder nicht, wieder einmal ein Indiz dafür dass wir wohl immer erst rückblickend in der Lage sind, Menschen zu tolerieren wie sie sind und ihnen ihre Errungenschaften in Gänze anzuerkennen.
Comments
Ein sehr guter Artikel zu dem Thema wie ich finde. Als ich in meinem früheren Leben noch Informatik studierte, wurde in den Vorlesungen die Erfindung Computer hauptsächlich den Herren Zuse und Turing zugeschrieben. Ich denke der Artikel bringt es da ziemlich gut auf den Punkt, da es eben nicht ganz so einfach ist weil sehr sehr viele Ideen von zahlreichen Personen mit eingeflossen sind. Ich halte es auch für sehr wahrscheinlich, dass je nachdem auf welchem Fleckchen Erde man sich eben gerade befindet, das Bild von DEM Erfinder des Computers variiert. In meinen Augen gibt es auch nicht DEN Erfinder des Computers, es war eben Teamwork. Schön ist, dass hier auch mal Frauen wie Bartik und Hopper erwähnt werden, denn meistens ernten ja Männer die Lorbeeren für technische Errungenschaften wie diese, obwohl Frauen eben auch maßgeblich daran beteiligt waren.
Zuse hat mit Abstand aber den lustigsten Namen von allen :-)
Eigentlich auch schön zu sehen, das von Anfang an auch Frauen an Computern arbeiteten. Ich hoffe, dass sich in Zukunft wieder auch mehr Frauen mit Computern und neuen Technologien beschäftigen.
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