Die Psychologie der Vermessenheit

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Eine Schulmedizin des Farbenratens

Die Psychologie der Vermessenheit

Wenn das Messgerät der Geist ist

Preview Abbildung von Kopfzeichnung des Bewusstseins von Robert Fludd

"Robert Fludd Bewusstsein 17 Jh" Die verschiedenen Ebenen, Winkel und Ecken unserer Psyche. Wäre es vermessen diese zu vermessen? | Artist Robert Fludd | provided by Wikimedia Commons | ©  Public Domain

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Lesedauer: 5 mins

"Wenn man heute belegen könnte, dass jedes Auge jede Farbe in der Gegenüberstellung in vergleichbar identischer Farbgebung wahrnimmt, würde man von einer menschlichen Fähigkeit einer visuellen subjektiven Farb-Objektivität ausgehen können. Dem ist aber nicht so. Dies wäre aber eine Grundvoraussetzung zur objektiven Deutung oder Interpretation von Farbgebung ohne vorherige Prägung, wie z.B. bei Signalfarben in der Natur oder in künstlerischen Werken des Menschen. Mal vom Verblassen oder der Veränderung, z.B. durch Raum und Zeit oder Licht, also einer Abweichung während verschiedener Beobachtungen, ganz abzusehen, muss also davon ausgegangen werden, dass die Deutung der Wahrnehmung mit einer Beeinflussung der Deutung unabhängig von der tatsächlichen Wahrnehmung in Form einer Prägung voran gegangen sein muss. Sicher sein kann man sich also nie, dass wir Menschen alle #Farben des selben Objektes gleichermaßen wahrnehmen und vor allem dann noch die selben Schlüsse daraus ziehen, oder eben nicht, wenn diese scheinbar nicht nur in der Wahrnehmung sondern auch ihrer Erscheinung variieren. Die Theorie über solche Abweichungen in der Wahrnehmung gehen sogar soweit, dass man durch die frühe Definition von Farben in der Entwicklung des heranwachsenden Individuums und der Deckungsgleichheit zwischen Definition und wiederholter Beobachtung sogar im Vergleich völlig andere Farben sehen könnte als ein Vergleichs-Proband ohne dass man es feststellen könne, da die Prägung die Deckungsgleichheit in der Benennung der Deutung erzeugt, aber nicht die Wahrnehmung. Was aber bei Farben schwer zu belegen ist, ist bei Formen und Abständen unlängst klar: nämlich dass die menschliche Wahrnehmung tatsächlich und definitiv variiert (Beispiel: messbare 3D-Schwäche). Beim Hören ist es noch deutlicher anhand von Frequenzbereichen und dem Alter des Hörenden belegbar. Der einzelne Mensch hat keine mit der Allgemeinheit identische akustische Wahrnehmung. Bei Farben wird es höchstwahrscheinlich nicht anders sein: Keine gleiche Wahrnehmung. Somit auch keine objektive Einschätzungsfähigkeit, die rein auf den Wahrnehmungen beruht, sondern nur auf Übernahme von allgemein gültiger Deutung der Wahrnehmung. Also keine reine Beobachtung sondern eine Annahme, eine beeinflusste Beobachtung. Und was für Farben und Töne gilt, kann und muss auch für Gerüche oder die Deutung von Beobachtungen oder zwischenmenschlicher Interaktion wie Sprachkommunikation oder Körpersprache angenommen werden und führt zwangsläufig zu der Frage, ob der Kommunikation oder Identifikation zu Grunde liegende Annahmen des Menschen einen Konsens erzielen können. Meine These lautet: Nein."

-- (Ausschnitt aus "Alles eine Frage der Interpretation", '99, Autor: S. Ugovsky)

All diese widerlegten Aspekte einer theoretisch anzustrebenden objektiven Beobachtung wären aber die Grund-Voraussetzung für eine begründete und annehmbare praktische Psychologie und der Psychoanalyse, sowie dessen #Therapie. Die Psychologie ist schon im Grundansatz eine äußert arrogante weil sich eben mental und charakterlich über den Probanden erhebende und dadurch stark zweifelhafte Sparte der Schul-#Medizin, vor allem da sie voraussetzt, dass es für gegenüberstehende Vergleichswerte der Psyche zwischen Proband und Beobachter absehbare objektiv feststellbare Abstufungen der Psyche gäbe. Sie ist schon im Ansatz gescheitert, da sie annimmt, ein vermeintlich ausreichend gesunder oder reflektionsfähiger Mensch (und eben da geht es ja schon los: was ist ein gesunder Mensch?) sei in der Lage eine Diagnose über einen vermeintlich aus seiner subjektiv doch objektiven Einschätzungsfähigkeit heraus nicht gesunden Menschen zu erstellen. Das hat zur Folge, dass - rein objektiv betrachtet - lauter vermeintlich gesunde Menschen sich gegenseitig vermeintliche Abnormalitäten und Diagnosen erstellen könnten und Empfehlungen zur Abschwächung dieser Anomalien aussprechen dürften.

Ferner geht die angewandte Patienten-orientierte Psychologie ja bei der Argumentation ihrer Daseinsberechtigung häufig von anzustrebender Heilung einer unterstellten schädlichen Zwanghaftigkeit aus, die in Form verschiedener sogenannter Zwangsstörungen kategorisiert wird, aber vergisst dabei völlig diese Zwanghaftigkeit glaubhaft als Anomalie zu definieren, ohne dabei nicht ungewollt ins humoreske abzurutschen, da es keine wirkliche eingrenzende Definition erreicht. Von der Begriffsklärung ganz zu schweigen. Ein natürlicher Überlebenstrieb müsste dem nach, also derer Definition nach, dann auch eine Zwanghaftigkeit sein. Nach allen bekannten Definitionen bleibt eine glaubhaft eingrenzende und nicht relativierbare Umschreibung offen. Und selbst wenn man es schaffen würde dies nahezu eindeutig begrifflich zu klären (was dann einmalig in der Geschichte der Sprache wäre), geht es ja weiter mit der zweifelhaften Argumentation, dass es der Psychologie vor allem um jene Zwanghaftigkeit ginge, "die für jene Person oder andere nachweisbar schädlich ist". Hm. Okay, so gesehen: Dann kann Liebe definitiv pathologisch auch als bedenklich eingestuft werden. Hiermit attestiere ich jedem liebeskranken Pubertierenden eine Zwangsstörung und empfehle die sofortige Einweisung... (Wenn ich es mir recht überlege: Bei manchen Jugendlichen allerdings empfände ich nebenbei bemerkt diese Vorgehensweise als gar nicht so unangebracht.)

Konstruktiv ist ein völliges Anzweifeln der Psychologie nur in der Theorie. In der Praxis wäre sie heute nicht mehr weg zu denken, außer für mich vielleicht. Aber um konstruktiv an berechtigte und hier nicht zum ersten Mal angesprochene Zweifel an der Psychologie anzuknüpfen und daraus notwendige Schlüsse zu ziehen, würde ich in der Psychologie ähnlich wie bei Gerichtsverhandlungen, da die Konsequenzen ähnlich gravierend sind, für eine Art Wahrscheinlichkeits-Annäherung durch Stimmenvermehrheitlichung plädieren: also es darf NIEMALS ein Psychologe allein ein Gutachten oder eine Diagnose erstellen, sonder es müssen immer mindestens 3 sein. Ferner müssen alle Psychologen sich gegenseitig ihre psychologisch einwandfreie Einschätzungsfähigkeit und Gesundheit attestieren und Psychopharmaka sollte einen Rechtsschutz-Fund haben, ähnlich einer Hausratsversicherung, wo die spät festgestellten Folgen von zu wenig getesteten Medikamenten eingeklagt und entschädigt werden können ohne dass dabei Firmen in den Ruin getrieben würden.

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