Die dunkle Seite des hellen Sterns namens Internet

Larissa Neuhofer
Geschrieben von:

Larissa Neuhofer

Kunsthistorikerin, Freie Kolumnistin

Eine Analogie zum Leben und der Natur

Die dunkle Seite des hellen Sterns namens Internet

Hassreden und Fakenews, was tun?

Preview Abbildung einer Silhouette vor einem Laptop

"anonymous-internet-user" | photo by B_A | provided by Pixabay | © CC0

Themen Bereich
Lesedauer: 7 mins

Das Internet bietet grenzenlosen Austausch. Auf verschiedensten Plattformen, in Foren, Blogs, auf sozialen Netzwerkseiten und im Überfluss darüber hinaus unter den Einträgen auch gleich noch einmal in den jeweiligen Kommentar-Bereichen. Auf Videoplattformen sowie in sogenannten Snippet Netzwerken oder neueren „Innovationen“, mal vorausschauend mit eingeschlossen. Hintergrund dessen ist das Bedürfnis des Menschen sich miteinander auszutauschen und sich zu verbinden. Auch wenn man es nicht immer glauben möchte: Der Mensch ist ein soziales Wesen. So auch im Internet. Und im Internet werden für die Kontaktaufnahme am liebsten #Meinungen ausgetauscht. Na ja oder einfach kund getan. Klingt ja erst einmal toll. Doch der Mensch wäre ja nicht der Mensch, wenn er sich in der virtuellen Welt nicht auch so verhalten würde wie im realen Leben. Nämlich nicht nur sozial, sondern leider nicht selten auch asozial oder gar manipulierend bis aggressiv. Von den Betreibern und ihrem Hintergedanken zu den angebotenen Möglichkeiten mal ganz abgesehen.

Die vermeintliche Anonymität im Netz scheint den Menschen darin besonders zu reizen. Auch das liegt in der Natur fast aller Lebewesen und hat etwas mit „aus einer Sicherheit heraus agieren“ zu tun. Das ist keines Wegs eine neue Erkenntnis oder gar zu verteufeln. Es ist wie es ist. Die Natur besteht aus Möglichkeiten. Und aus anderen Elementen in der Natur, die diese Möglichkeiten nutzen, wenn sie sich bieten. So auch im Internet. Wie der Wassertropfen, der den geringsten Widerstand sucht, um an einer unebenen Schräge an den einfachsten Stellen entlang herunterzurollen.

Somit hat das „Netz“ eines von vielen Problemen: es hat dem Menschen unter anderem die Möglichkeit gegeben im Netz Hassreden (Hate Speech) und sogenannte „Fake News“ (Falschnachrichten, nicht selten mit manipulierten Fotos) zu verbreiten. Und wie gesagt, wo eine Möglichkeit besteht, da findet sich auch jemand der sie nutzt.

Das Thema ist ja nicht mehr neu, aber immer noch relativ aktuell und viel besprochen. Hin und wieder hört man auch von Strafen, die für rechtswidrige Aussagen im Netz verhängt wurden. Aber im virtuellen Alltag scheint sich noch nicht ausreichend etwas verändert zu haben. Somit ist das Thema noch lange nicht vom Tisch. Natürlich fütterte das Problem auch unlängst die Debatte um den zu überdenkenden Datenschutz, also die Anonymität im Netz. Denn, wie war das gleich noch mal mit den Möglichkeiten? Genau, sie werden genutzt. Und so haben die „Entgleisungen“ im Netz natürlich auch gleich beim Ruf nach „dass da etwas gegen getan werden müsse(!)“ die Netz-“Kontrollettis“ auf den Plan gerufen, die mit den Negativbeispielen als Argument am liebsten alle Daten überwachen wollen, Webseiten sperren möchten, Provider anzapfen wollen und das Netz unter Generalverdacht stellen um alle Server und Knotenpunkte am liebsten direkt durch die Empfangshalle eines Überwachungsdienstes laufen lassen zu können.

Nur wird das nichts ändern. Das ist der berühmte „Weiße Hase“. Das Briefgeheimnis wurde damals auch „gut begründet“ verletzt um ja nur kriminelle Machenschaften zu entlarven. Aber diese haben immer einen Weg gefunden, das wieder zu umgehen. Der Leidtragende war am Ende immer eher der einfache Bürger, dessen Rechte dabei gleich mit verletzt wurden. Und am Ende wurde das nicht selten auch missbraucht und die dafür geschaffenen Strukturen dienten plötzlich der verfassungswidrigen Überwachung von freien Menschen.

Gerade mit unserer deutschen Vorgeschichte eigentlich ein absolutes No-Go. Wozu haben wir denn das Beamtengeheimnis nach dem Krieg eingeführt? Damit eben kein Missbrauch mehr gegen freie Bürger betrieben werden kann, keine ethnischen Bevorzugungen und verfassungswidrige Geheimbündnisse auf Staatsebene mehr eine Chance haben, sich zusammen zu rotten. Na ja. Soviel zur Theorie. In der Praxis ist das weltweit eine Grauzone und eigentlich weiß keiner so genau, wann etwas korrekt abläuft und wann nicht. Und genau davon profitieren die Fakenews- und Hetzreden-Verbreiter und reden den Menschen direkt in ihre verängstigten Köpfe. Die daraus entstehenden Ressentiments gegen andere Menschen oder gegen Vorgänge die man nicht versteht ist bedenklich gestiegen und man neigt zu der Sorge es könnten sich „Weimarer Republik“ ähnliche Zustände wieder entwickeln. Der Autor Sebastian Ugovsky warnte in seiner Essay „Alles eine Frage der Interpretation“ im Kapitel „Worte sind ein langsam wirkendes Gift“ bereits 1999 davor, mit Erwähnung der alltäglichen „Dramaturgie“, die auf uns wirkt, wie die Emotionen bei einem Zuschauer eines Films.

Wenn wir am Anfang gesagt haben, dass es sich im Netz mit dem Menschen nicht anders verhält als im realen Leben, dann muss man doch schlussendlich auch konsequent sagen können, dass es sich mit der Zivilcourage im Netz auch nicht anders verhalten würde als im Leben? Dass sie funktioniert wissen wir. Wir nutzen sie nur zu wenig. Und wenn dann oft falsch. Aber wenn richtig genutzt hat sie auch schon Vieles verhindert. Deswegen denke ich, kann jeder Einzelne etwas tun, um das Netz von solchen Dingen ein wenig mehr zu befreien und mithelfen zu beweisen, dass wir es ohne „Großeinsätze“ und ohne Einschränkung der Menschenrechte im Netz schaffen zusammen dafür zu sorgen, dass das Netz sich „selbst heilen“ kann. In dem man es genauso macht, wie auf der Straße. Wer Unrecht sieht, sollte nicht weg schauen, sondern sollte es melden und versuchen darauf aufmerksam zu machen um diese Dinge aufzudecken.

Was kann man also z. B. aktiv bei gefundenen Hetzreden (Hate-Speaches) im Netz tun, von denen man sicher ist, dass sie verfassungswidrig sind und dazu aufrufen Menschen Unrecht anzutun?

Erstes Vorgehen:

  • Den Inhalt bei dem Netzwerkbetreiber melden
  • Link zum Inhalt speichern
  • Screenshot des zu meldenden Inhaltes machen
  • Profil des "Urhebers" von #Hass- oder illegalen Postings anschauen, Screenshot machen, Link speichern
  • Screenshots bearbeiten, so dass keine persönlichen Daten und Daten unbeteiligter Dritter ersichtlich sind
  • Meldestelle suchen
  • Meldung und oder Anzeige erstatten
  • In Abständen den gemeldeten Inhalt und das "Urheber-Profil" überprüfen

Je mehr Beweise und Angaben man angeben kann, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Strafverfolgung.

  • Datum/Uhrzeit des Postings
  • Datum/Uhrzeit der Meldung beim Netzwerkbetreiber
  • Anzahl der Freunde, Follower, Mitglieder der Seite/Gruppe/ des Profils
  • Persönliche Daten des "Urhebers" wie Wohnort, Arbeitgeber, Schule usw.

MÖGLICHKEITEN ZUR ANZEIGE

Die Polizei Baden-Wüttenberg z. B. ruft auf ihrer Webseite zur Mithilfe bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus auf, mit dem Hinweis: "Wir wahren Ihre Anonymität." Hierfür wurde extra das bkms (Business Keeper Monitoring System) eingerichtet. Hier können anonym schwerwiegende Straftaten und Hinweise auf rechtsextremistische oder terroristische Strukturen angezeigt werden. Link zur Webseite - Polizei Baden Wüttenberg

JunIT | Kanzlei für IT- und Wirtschaftsrecht

Die Kanzlei hat seit 2015 eine extra Seite eingerichtet, auf der man Inhalte melden kann, die gegen geltendes Recht verstoßen. Link: JunIT Kanzlei

Auszug der Webseite25.09.2015 - Wir haben eine Seite eingerichtet, auf der Sie uns Inhalte melden können, die nach Ihrer Meinung gegen geltendes Recht verstoßen könnten. Gründe dafür könnten beispielsweise sein:

  • Rassistischer Aufruf zu Gewalt/Aufstacheln zum Hass (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB)
  • Verletzung der Menschenwürde durch rassistische Beschimpfung (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
  • Androhung oder Vortäuschung der Androhung einer schweren Straftat (§ 126 StGB)
  • Gewaltdarstellungen (§ 131 StGB)
  • Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB)

Wir leiten die Inhalte nach rechtlicher Prüfung an Facebook weiter und fordern schriftlich zur Löschung auf. Sollten rechtswidrige Inhalte trotz Kenntnis der Facebook-Verantwortlichen auf der Seite verbleiben, übergeben wir den Fall an die deutsche Staatsanwaltschaft.

WEITERE MELDESTELLEN (ABER NICHT ANONYM)

Auszug der Webseite von „Online Strafanzeige“:

Mit der Erstattung einer Anzeige in Berlin zu einer vermuteten Straftat werden polizeiliche Ermittlungen ausgelöst. Eine Anzeige kann grundsätzlich nicht zurückgezogen werden. Wenn Sie eine Straftat vortäuschen oder jemanden ungerechtfertigt beschuldigen, können Sie sich selbst strafbar machen. Außerdem erschweren Sie dadurch die Ermittlungsarbeit bei anderen Delikten, wenn die Polizei Ihrer "vorgetäuschten Straftat" nachgehen muss.

In vielen Fällen ist es sinnvoll sich vor der Erstattung einer Anzeige bei der Verbraucherzentrale Ihres Bundeslandes zu informieren.

Um eine ordnungsgemäße Bearbeitung Ihres Anliegens zu gewährleisten, werden die von Ihnen angegebenen Daten zu Ihrer Person und Ihrer Erreichbarkeit gespeichert. Bei der Nutzung der Internetwache wird darüber hinaus auch Ihre IP-Adresse erfasst. Für deren Speicherung benötigen wir Ihre Zustimmung.

Comments

clara_jupiter

Die diversen Plattformen haben ja oft eine Meldefunktion. Der „Melden“-Button könnte aber auch gut „Melde uns deine Bedenken und wir ignorieren sie“-Button heißen.

Piotr

Naja… Das Internet war mal frei, gerade weil man anonym war. Weil keiner deine IP verfolgt hat und dir maßgeschneiderte Werbung nach deinem Suchmaschinenverlauf geschickt hat. Jetzt wird das Internet reguliert und damit ist keiner mehr frei. Und auch die User machen sich selbst zu „Un-Freien“. Wie frei kann man noch sein, wenn die ganze Welt deine Fotos auf Instagram sehen kann.

Mangold

Das Internet wurde mal unter solch wertvoller Prämisse erdacht. Grenzen überwinden und Gemeinschaft schaffen. Hierarchien überwinden und frei von jeglicher Gesellschaftsform allen einen freizugänglichen Ort schaffen… Aber wie so schön im Artikel beschrieben, ist der Mensch wohl nicht für die Freiheit gemacht.

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