Ich-bin-wichtig-Mienen fliegen hastig in der Fußgängerpassage an meinem Bildausschnitt vorbei, adoptierte Gesten aus Film und Fernsehen, gleich wiederzuerkennen, ebenso wie die Jacke von Cojak, die Frisur von Drei Engel für Charlie - Überall gleich aussehende Modetrends im Widerspruch zu pseudo-individualistischem Getue, welches einander ironischer Weise so sehr ähnelt, dass es weniger mit #Individualismus zu tun hat als beim Aufmarsch der chinesischen Armee. Verstrahlt von TV -und Medien-Formaten, die sich seit den 50ern eigentlich nicht mehr wirklich gewandelt haben. Als da wären Serien, Soaps, Talkshows, Werbeeinblendungen, Fotos, City-Displays, Mode-Zeitschriften, bis hinzu endgültigen Entgleisungen wie "Deutschland Sucht das Supermodel", dann natürlich die dazugehörigen Antisendungen oder "Bad-Publicity"-Marketing in Form von "Anti"-Demonstrationen gegen "Deutschland Sucht das Supermodel", Schönheits-Blogs, Anti-Schönheits-Blogs, Trend-Magazine, Anti-Trend-Magazine, Szene-Clubs, Anti-Szene-Clubs, 3x4 Meter große Werbeplakate und Busaufkleber, A3 große Werbebilder von glücklichen Hühnern, eingeblendete Werbung für eine Haar-Extension oder das neueste Strähnchen-Color-Waschmittel direkt unter einem Interview mit einem Ex-Guantanamo-Häftling, der darüber berichtet wie er gefoltert wurde ... mir wird schwindelig. Ich muss mich hinlegen, in die Wolken starren und kurz das Menschsein vergessen. - Da bekommt der Name der Band "Radiohead" eine ganz neue Bedeutung.
Man könnte meinen es ist von einem westlichen Bildausschnitt die Rede. Aber selbst in Lateinamerika, Russland, Asien, und selbst jungen Megastädten wie Lagos in Nigeria erlebe ich diesen massenmedial retardierten Gemütszustand einer beängstigenden äußerlichen Gleichnis im Glauben der jeweiligen Einzigartigkeit durch Nachahmung eines inszenierten medialen Ideals. Nicht selten einher gehend mit synchroner Gleichgültigkeit gegenüber bedeutend brisanteren Fragen, als die einer rein äußerlichen Reflexion in der Gesellschaft. Und ihrer zur Spitze getriebenen Absurdität, wenn sie neben wirklich brisanten Fragen gleichwertig einhergeht. Einst hieß es, der Mensch und die Medien. Heute muss es heißen: der mediale Mensch. Spätestens seit sich gelangweilte Prototypen der westlichen Gesellschaft beim Gang auf die Toilette filmen und das dann auf #Youtube veröffentlichen, ist klar wo das Schiff hinsteuert.
Ich muss mich an manchen Tagen wirklich beherrschen, dass ich mich bei dem Anblick eines sich wie filmisch einstudiert umarmenden Pärchens auf der Szene-Meile in der Großstadt nicht gleich übergeben muss. Man ist so überreizt dass einem selbst das unecht vorkommt. Oder was macht man wenn man einen dieser "coolen" Typen mit der unnötigen Sonnenbrille auf der Herrentoilette im Nacht-Club trifft? Im Winter? Im Dunkeln? Ihm eine kalte Dusche unter dem Waschbecken-Wasserhahn verpassen? Ihm ein Ständchen trällern? „I wear my sunglasses at night!“ Am schlimmsten empfinde ich es, wenn ich direkt vom Land in die Stadt komme. Nichts wirkt mehr in irgendeiner Weise intuitiv, alles ist eine Choreografie und Analogie zu Medien.
Solange man noch halbwegs in der Lage ist, den Unterschied zwischen ungewollter Selbstverständlichkeit und gewollter vermeintlicher Coolness zu erkennen, erkennt man dass viele Menschen permanent eine imaginäre Filmkamera im Kopf neben sich her tragen, die sie dabei filmt, wie sie bei allem was sie machen aussehen. Wer hätte gedacht dass "Drei-Wetter-Taft - Die Frisur sitzt" mal als Ernst zu nehmende Bedrohung verstanden werden könnte. Das erinnert mich an das Märchen mit dem Wunsch, alles was er anfasse solle zu Gold werden. Und jedes Essen was er versuchte in den Mund zu stopfen, wurde ungenießbar. Ja es ist mittlerweile so ungenießbar geworden, dass bei einem Filmdreh Schauspieler immer wieder dazu angehalten werden, BITTE NICHT zu schauspielern. Sie sollen bitte die Kamera vergessen und SO WENIG WIE MÖGLICH "machen". Das ist schwer. Denn so bewegen wir uns schon lange nicht mehr.
Der Mythos von der Seele im Foto ist war geworden. Die Indianer, die einst die Prärien Mittelamerikas bewohnten, glaubten fest daran, dass das Foto einem die Seele raubt und hatten Angst davor fotografiert zu werden. In anderen Kulturen herrschen ähnliche Überlieferungen. In anderen Saagen ist von einem Dämon im Spiegel die Rede, der im extremsten Falle auf die andere Seite treten könne. Auf eine merkwürdige Weise sollten sie alle Recht behalten, denn das Spiegelbild hat sich gedreht, das Blatt zwischen der virtuellen und der realen Welt hat sich tatsächlich gewendet. Viele Filme wirken ungestellter und natürlicher als manch Selbstdarsteller auf der Einkaufsmeile.
Ich weiß gar nicht was das richtige Wort dafür ist. Ich weiß nur, an Tagen wo ich von einem Alptraum wach werde und raus geh, bin ich mir manchmal nicht sicher ob ich noch schlafe oder schon wach geworden bin. Die ganzen einstudierten Gesten, selbst im flüchtigen Vorbeigehen auf der Straße, müssen doch so offensichtlich sein, dass ich mich ständig verwundert umschauend frage, ob es denn nicht endlich mal auch jemand anders bemerkt?
Frauen die deinen Weg passieren mit dem Blick der sagen soll, ach jetzt schaut mich wieder so einer an. Was sie nicht wissen können: Das Einzige was mich in dem Moment an ihnen interessiert, ist diese auffallend alberne und sehr komisch aufgeblasene Art und diese unwillkürlich komisch wirkenden nachgemachten Modetrends, die - um es mal vorsichtig auszudrücken - nun wirklich nicht jedem stehen. Wenn es nicht so traurig wäre, ist es eigentlich nur zum Lachen. Sie wirken wie kleine Kinder, die sich die hochhackigen Schuhe von Mama heimlich angezogen haben und damit durch die Straßen stacksen. Symbolisch gemeint. Es gibt ja auch andere bekloppte Moden. Können sie nicht einfach mal ganz normal und natürlich agieren? Ohne diese schlecht aufgesetzte Pseudomasche der „Frau“, die zu begehren sein muss, und diesen extrem schlecht gespielten Blick, der wohl erotisch oder so sein soll?
Ich will die Männer nicht schonen: Diese Muskel-Shirt-Typen mit ihren schnippenden Schlüsselbund und dem ekligen Kaugummi in der Visage, den man ihnen am liebsten manchmal kurz tiefer in den Hals drücken möchte, damit sie mal einen anderen Gesichtsausdruck bekommen, als diesen "ich bin der Super-Dandy". Oder die Bruno Banani Laptop Manager, die von den Werbeplakaten direkt herunter zu uns auf die Straße steigen, um uns zu sagen, dass es Zeit sei ihnen die Potenz zu zusprechen, die sie für sich beanspruchen. Oder die "Out-of-Bed" Look Dauerstudent-Typen (heute Hipster genannt, agbs aber vorher auch schon), die für ihren "Out-of-Bed" Look zwei Stunden vor dem Spiegel brauchen, bis jede Strähne im Chaos an ihrem geordneten Platz sitzt. Glauben sie wirklich das merkt niemand? Andere wissen auch das Punk-Stiefel 200 Euro kosten und nichts mit dem Urgedanken des Punks zu tun haben. Glauben sie auf diese Weise interessant zu sein und so einen interessanten Menschen kennenzulernen? Noch nie was von "Gleiches gesellt sich zu Gleichem" gehört? Wollt ihr denn wirklich mit solchen oberflächlichen Typen wie euch selbst leben und sterben? Pispers hat es auf den Punkt gebracht: Eindruck schinden vor Menschen die man nicht leiden kann. Ist denn die ganze Welt ein scheiß #Catwalk? Apple hat die verkorkste Seele des coolen jungen modernen Mannes von Welt schon gut erkannt und dafür gesorgt, dass die nötigen Accessoires dafür käuflich erhältlich sind: Es wird wohl nicht mehr lange dauern und ohne einen "iSchwanz" wirst du wohl oder übel nicht mehr als Mann anerkannt.
Dass ich das alles wenig beeindruckend finde hat nichts mit Abgeklärtheit zu tun, sondern damit, dass man wenn man ein wenig Sensibilität besitzt, den Leuten ihre Bühnenshow leider gleich ansieht. Man kommt quasi gar nicht drum herum es zu bemerken und seltsam zu finden, wenn man das Ganze ein bisschen von außen betrachtet. Und das waren nur die auffälligsten Beispiele. Es gibt jeden etablierten Stereo-Typen auf der Straße als Kopie in Massenproduktion. Das liegt daran, dass wir Stereo-Typen erfinden, etablieren und als erstrebenswert definieren, da wir sie brauchen, um all unsere bescheuerten Trend-Magazine mit sinnfreien Inhalten zu füllen.
Ob es der "Ich bin intellektuell und trotzdem gut im Bett" Typ ist oder der "Mein bekiffter Blick soll erotisch sein" Typ, der sich durch sein übertrieben lässig versuchten Gang und sein demonstrativ hervorgeholtes iPhone verrät, oder der adrette Typ, der jeden morgen sein schwarzes T-Shirt mit der Fusselbürste bearbeitet, ein Stofftaschentuch für Lederschuhe dabei hat und sich durch die antrainierte feste Obermacker-Miene und das übertrieben durchgedrückte Kreuz verrät. Oder viele Frauen, die sich schon durch die Masche mit dem in Zeitlupe durch die Haare fassen oder dem auf Verachtung gespielten Blick entlarven. Ich glaube sie denken, das man sie dann interessant findet. Hm - Interessant im anderen Sinne finde ich nun wirklich nur das stümperhafte und absurde daran, dass offensichtlich niemanden sonderlich stört oder niemand bemerkt.
Jeder Satz, jede Zeile, jede Geste ist vorhersehbar, nichts ist in irgendeiner Weise noch glaubhaft, ja geschweige denn überhaupt diskussionsfähig dass es nicht intuitiv also nicht "aus dem Bauch" heraus sondern kalkuliert geschieht. Die schmetternden Stimmenlagen der TV- und Radio-Moderatoren sind Sonorität heuchelnd und wichtigtuerisch und unerträglich, und das in abgewandelter Form in allen Jahrzehnten, die Dramaturgie der Sendungen für die Erreichbarkeit von völlig Zugedröhnten oder Wahrnehmungs-Gestörten angepasst. Eine Trendsendung jagt die nächste und die News sind wie die eingeritzten Sprüche auf Schultischbänken: jedes Jahr hatte so seine Sprüche die man dann überall lesen kann.
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