Garden State

Britta Leuchner
Geschrieben von:

Britta Leuchner

Filmkritikerin, freie Publizistin

Eine Kritik zu Braffs Regie Debüt

Garden State

Motivation rettet Fehlbesetzung

Preview Abbildung des BluRay DVD Covers zum Kinofilm - Garden State - 2004

BluRay/DVD Cover zum Kinofilm "Garden State" aus dem Jahr 2004, mit Schauspieler Zach Braff.

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Lesedauer: 10 mins

Garden State (EN/DE) | 2004

Regie: Zach Braff
Drehbuch: Zach Braff
Originalsprache: Englisch
Produzenten: Gary Gilbert, Dan Halsted, Danny DeVito, Pamela Abdy
Musik: Chad Fischer
Kamera: Lawrence Sher
Schnitt: Myron I. Kerstein

Schauspieler (Cast):

Zach Braff: Andrew Largeman
Ian Holm: Gideon Largeman
Ron Leibman: Dr. Cohen
Method Man: Diego
Natalie Portman: Sam

Produktion: Camelot Pictures, Jersey Films, Double Feature Films, Large's Ark Productions
Produktionsland: Vereinigte Staaten
Länge: 99 Min. | Freigabe: FSK 12, JMK 12

Es gab sie schon einmal in der Filmgeschichte: die Zeit der Orte. Seit jüngster Vergangenheit (10 Jahre sind nicht viel für die Filmbranche wenn man bedenkt dass ein Projekt Jahre braucht) scheint wieder einmal eine Ära für Filme zurück zu kommen, die nach den Orten an denen sie spielen benannt sind: Garden State (2004, USA) ist einer dieser Fälle, ein Spielfilm, der in Deutschland und Österreich am 26. Mai 2005 in den Kinos anlief und das Regie- und Drehbuchdebüt des Scrubs-Darstellers Zach Braff, der im Film auch die Hauptrolle spielt, darstellt. Der Titel „Garden State“ (zu deutsch „Gartenstaat“) ist der Spitzname des US-Bundesstaates New Jersey, der Dreh- und Handlungsort des Films ist, in dem ein lethargischer junger Schauspieler die Hauptrolle spielt, der zu Besuch in seiner alten „Heimat“ ist, ein Wort was im Laufe des Filmes noch eine Rolle spielen wird. Leider begründet der Verlauf des Films nicht ausreichend die Namensgebung. Aber gut. So viel zum Speiseplan und das war es auch schon mit dem Spoiler. Nun zum Eindruck.

Viele bezeichnen diesen Film meiner Ansicht nach fälschlicher Weise als eine Indie-Perle. Das ist er zwar bei Weitem nicht, aber: während ich - was schwer so zu sagen ist da er sich ja quasi selbst besetzte (und da kommen wir vielleicht auch schon zum eigentlichen Problem) - Zach Braff teilweise für eine Fehlbesetzung für diese Figur halte, möchte ich diese Kritik mit einem gut gemeinten Anliegen zum Film beginnen. Ein Anliegen, welches ich, so erscheint es mir zumindest – und so ist das meistens mit Filminterpretationen: man sucht eine mögliche Verbindung – mit diesem Film und seiner Intension teile: Die soziale also gesellschaftliche Programmierung von Verhaltensmustern und wie wir diesen wenn wir "gut" programmiert wurden entsprechen, oder eben nicht, und wie viel oder wenig dieses Kriterium unsere zwischenmenschlichen Entscheidungen beeinflussen sollte. Idealer Weise. In der Theorie. In der Lyrik. In diesem Film. Was ihn adelt.

Und während wir auf der Reise unseres Lebens vielen Menschen begegnen und Enttäuschungen versuchen mit mehr oder weniger „Humor“ zu nehmen – ebenfalls ein Stichwort aus einem schönen Dialog des Filmes -, führen uns unsere Verletzungen im Besten Falle immer weiter zu der Frage, ob die zu erwartenden Verhaltensmuster im Zwischenmenschlichen eine Garantie für ein zwischenmenschliches Verhalten sind, welches wir aus unserer Sicht für den Moment für das passendste oder je nach Wichtigkeit des Moments, das Tollste bezeichnen würden. Oder eben nicht. Kurz gesagt: Wir sind von Menschen verletzt worden. Und die Poesie kann es sich erlauben von einer Fiktion zu träumen, in der Menschen, die wir im wahren Leben vielleicht als „weird“ einschätzen würden, als die Menschen zu erkennen, die sie dahinter wirklich sind. Die zwar anders sind als andere, aber im positivsten Sinne, aus der Ich-Perspektive vielleicht jene, die mich eben nicht verletzen. Ein Film-Muster? Ja. Neu? Nein. Dennoch Wichtig? Ja.

Das klingt soweit erst einmal nach seichtem #Hollywood. Ist es aber nur, wenn man bis zur Kuss-Szene denkt. Würde man das Ganze mehr in den realen Kontext stellen, der wenig mit Romantik sondern eher mit einer Lebensherausforderung für den jeweiligen Menschen zu tun hat, so wie für die Figur im Film, also wie zum Beispiel für einen Menschen, der wirklich völlig anders mit Gefühlen umgeht, aus welchem Grund auch immer, dann merkt man in dessen Konflikten aber auch positiven Überraschungen schnell, dass es Möglichkeiten im Leben gibt, wo genau diese Fiktion eintreten könnte. Mit allen Schattenseiten. Und dann meinetwegen Kuss-Szene inklusive. Muss man ja nicht hinsehen.

Damals die Inquisition, heute die Skandalpresse, man hat uns ja schon so einige merkwürdige Menschen zum Fraß vorgeworfen und die Meute hat sie gelyncht – aktuelles Beispiel: Der Copilot (Das Schlimme daran ist: man muss es noch nicht einmal erklären, denn jeder weiß wer gemeint ist. Traurig oder?) - und so empfinde ich es nur eine ausgleichende Gerechtigkeit, einige davon als wundervolle Menschen zu enthüllen, die halt nur nicht nach den gleichen Mustern ticken wie andere. Und vor allem - das ist wichtig! - nicht mehr oder weniger potentielle Beteiligte von Tragödien sind, wie alle anderen! Eine Frage, die mich neben vielen anderen umtrieb in der Debatte um die aktuelle Flugabsturztragödie: warum muss einem Menschen erst ärztlich attestiert werden, z.B. dass er Probleme hat, um daran die Tragödie oder ein Muster zu begreifen? Jeder hat welche. Mal davon abgesehen, dass ich nicht nur die Hetzjagd und voreiligen Schlüsse der Presse furchtbar fand und immer noch ganz andere Ursachen im Raum stehen. Aber das ist ein anderes Thema. Warum ich rhetorisch diese Gegenüberstellung bediene? Weil es im wahren Leben und in der Menge leider so ist: es wird eine stark verallgemeinernde Linie gezogen zwischen jenen die sich vermeintlich komisch verhalten, und jenen, die es vermeintlich nicht tun. Wechselt man die Perspektive, so wie es der Film hin und wieder auf köstliche Weise tut, merkt man schnell, dass das eine Frage des Betrachtungswinkels ist. Und das ist auch schon das Wertvolle an diesem Film.

Aber ich fürchte um das im Ganzen auskosten zu können, womit der sonst sehr teenager-love-lastige Film da spielt, muss man schon ein bisschen gereift sein im Kopf und auch schon viele Menschen im Leben getroffen haben, oder viele Situationen verarbeitet haben, mit sich selbst und mit anderen, die je nachdem so oder so verlaufen sind und heute eine große Summe vieler normaler bis merkwürdiger Erfahrungen in einem bilden. Dann macht es stellenweise wirklich Spaß diesen Film mit den eigenen Erfahrungen zu synchronisieren und je nach Bedarf sich auf den verschiedenen Seiten des Betrachtungswinkels aufzuhalten. Der Film macht dies auf sehr unprätentiöse Weise, was sehr angenehm ist, aber so kommen wir auch gleich zu ein paar Schattenseiten des Projektes:

Es ist genau dieser Versuch einen nicht reißerischen Film zu diesem Thema zu machen - was ich im Gegensatz zu vielen Kritikern des Filmes sehr schätze, weil es einfach auch dem Thema entspricht, in dem sich Menschen eben genau diesem Mitreißen von Gefühlen gemäß zu erwartender Programmierung entziehen - der sich hier aber in der „Selbst“-Besetzung von Zach Braff leider als etwas ausgedehnt und inkompatible anfühlt, was durch seine Mimik als auch seine Aura sich permanent wie das Gefühl, sich in einem seichten Teenager-Film zu befinden, anmutet. Das Finale unterstützt das Ganze leider. Und die so gelobte Filmmusik, die allein schön zu hören, aber in dem Film eher den Eindruck verstärkt, leider auch. Aber das zu abstrahieren und auszudifferenzieren, stellt für wohlwollende Cineasten keine Herausforderung dar und vielleicht ist das auch als etwas Gutes an diesem Film einzuschätzen: Um eben genau jene Zielgruppe zu erreichen, die am meisten mit zu erwartenden Verhaltensmustern und dessen Verklärung zu kämpfen hat: Teenager. Leider fürchte ich, dass ihnen der Perspektivenwechsel als Herausforderung den Film verleiden könnte. Da ist ihnen ihre Coolness im Weg. Gelingt ihnen das ja schon in der Auseinandersetzung mit ihren Eltern nicht...

Ich schreibe oft keine wirklichen Filmkritiken, sondern meist sehr subjektiv motivierte Erlebnisberichte, Verfechtungen, weil was mich am meisten an Filmen interessiert, ist ihre Wirkung auf den Menschen. Das führt mich dann oft zu sehr gnadenlosen und oft auch humoresken Verrissen, für die ich schon etwas verschrien bin, aber auch oft zu Inschutznahmen von Filmen, die aus vielerlei Hinsicht die Kritik verdienen, aber dessen Botschaft mich zu der Notwendigkeit ihrer Verteidigung führen. Denn leider ist eine Filmkritik nicht das für was es viele halten: Es ist weder ein ernst zunehmendes Punktesystem zur Überprüfung von Zutaten-Mengen, noch kann es eine olympische Jury sein, noch kann es alle gewollten und ungewollten Aspekte des Filmes kennen und am aller wenigsten eine Bedienungsanleitung oder Empfehlung zum Film. Wie kann man dem Film „Die Brücke“ vorwerfen dass die Explosionen nicht echt aussehen, wenn dieser Umstand genau das ist was aus ihm einen der wenigen aufrichtigen und nicht ambivalenten Antikriegsfilme macht?

Es wird und kann im Besten Falle immer nur der Kampf des Kritikers sein, das Publikum vor der Industrie zu schützen, einer Industrie, die großen Einfluss auf unsere Gefühle und unseren Kopf hat. Kritiker sind verhasst bei Künstlern, weil sie nichts erschaffen, aber Erschaffenes kritisieren, weil sie nicht im Feld stehen, sondern am Feldrand und brüllen, was mich an die Kritik an Pazifisten und Kriegsgegner erinnert, denen vorgeworfen wird, dass sie es sich leicht machen nie ihr Land im Krieg verteidigt zu haben aber sich anmaßen die Kriege zu dämonisieren. Dabei ist es in beiden Fällen ganz einfach: stellt euch einfach eine Welt vor, in der es sie nicht geben würde. Bei allem guten Glauben, was denkt ihr, was die Filmindustrie macht, wenn sie keine Scheu mehr vor der Filmkritik und der Bewertung ihrer Filme haben muss, der Zuschauer nur noch ihre Teaser (Trailer, Vorschau) und Werbungen als glaubhafte Empfehlungen bekommt? Was glaubt ihr, was die Kriegstreiber machen, wenn sie merken, dass es keine Gegenstimmen mehr gibt? Glaubt ihr das Maß an Dreistigkeit bleibt gleich? Ich nicht. Ich weiß, ich bin Idealist. Ich halte edle Motive so wie diese Wächter für wichtig und brauchbar. So wie diesen Film, um zu ihm zurück zu kommen. Und während man sich in der Kritik an einer ungeschickten Geschichte rund um die Finanzierung dieses Films festkrallt, habe ich mich entschlossen, diesen Aspekt erst gar nicht nachzuschlagen, und den Film unvoreingenommen anzuschauen. Es sei dazu gesagt dass ich in der Regel beide Fassungen sehe: die Originalfassung und die Synchronisierte. Auch sei angemerkt, dass ich nur in Einzelfällen auf die Unterschiede oder Besonderheiten in Synchronisierung eingehe, da ich diese nur in einzelnen Fällen für wichtig erachte. Eine gute Synchronisation zeichnet sich in ihrer Unmerklichkeit aus. Und so sollten Kritiker auch in der Regel mit ihr umgehen.

Es gibt sehr sehr vieles zu diesem Film zu sagen. Und andrerseits werde ich einen für mich persönlich schwierigen Aspekt des Filmes hier bewusst auslassen, weil er einige abschrecken könnte ihn zu schauen, weil es andere, wichtigere Aspekte des Filmes gibt, für des sich lohnt. Aber lasst mich für den allgemeinen Filmbetrachter ein nutzbares Fazit zu diesem Film anbringen, in dem ich versuchen werde, dem Film aus meiner Sicht so gut wie möglich gerecht zu werden: Es ist ein Film für die Stunden, in denen man bereit ist, sich darauf zu besinnen, worauf es ankommen sollte im Leben. Es ist kein origineller oder einzigartiger Film, noch ist es Einer der etwas thematisiert, was nicht schon unlängst zuvor thematisiert wurde. Aber muss er das? Nein. Denn manches kann man nicht oft genug sagen. Und damit meine ich nicht die Schulhofträumereien (Hint) des Filmes. Nein. Er wirkt zuweilen etwas halbherzig, aber das ist meiner Ansicht nach im Sinne der Sache und wirkt über große Teile des Films passend und wurde vielleicht etwas unnötig begünstigt durch die Besetzung von Zach Braff, die ich aber aus rein subjektiver Sicht etwas anzweifele und was noch begünstigt wird durch das, wie ich finde, rein optisch-genetisch etwas seltsam missratene Casting von Vater und Sohn. Mrs. Leon der Profi hingegen wirkte in der Originalfassung des Filmes sehr authentisch und sympathisch und führte ihre Rolle konsequent in ihre Aufgabe. Ihre Synchronisation verschob das Bild ein wenig. Der Vater und seine Motive bleiben zurück, was schade ist. Aber das sind letzten Endes alles Kritiker-Spielereien, von denen sich ein erfahrener Cineast nicht abschrecken lassen sollte, denn ein Film bleibt ein Film, also ein Theaterstück im weitesten Sinne, auf das man bereit sein muss sich einzulassen und auch eventuelle Lücken mit der eigenen Fantasie zu füllen. Und dafür lässt der Film viel Raum. Und egal wie sehr das gewollt war, es ist keine Kritik an dem Film. Ich empfand es hier als sehr angenehm. Vor allem in dem vorgegebenen Rahmen des Zwischenmenschlichen. Das Ende zieh ich ab. Das war nicht für meine Altersgruppe gedacht.

Ich will ihn nicht vergleichen, weil er nicht den Eindruck macht, sich messen zu wollen: Der Film wird nicht in die Annalen der Filmgeschichte eingehen, aber er bekommt von mir eine klare Empfehlung mit der vorwarnenden Einschränkung, die man heute bei den Sehgewohnheiten Einiger machen muss: Für jene, die die kleinen feinen gewollten Symboliken und Groteskitäten (und nein, ich mein nicht die komische 2. Metaebene, sondern die 3. und 4. darunter) nicht sehen können, oder es nicht wollen, ist und bleibt es wahrscheinlich ein seichter Dialog-Film. Warum ich nicht auf Braffs Regie-Debüt weiter eingegangen bin? Nun ... 1.) Weil es unerheblich sein wird für den Eindruck des Zuschauers. Und 2.) Weil Debütanten oft viel Unterstützung von Erfahrenen links und rechts bekommen. Ein Aspekt, der oft in der Einschätzung junger Regisseure, die Geld haben, vergessen wird.

Ich mochte den Film dennoch. … Zu großen Teilen.

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