The Fall

Britta Leuchner
Geschrieben von:

Britta Leuchner

Filmkritikerin, freie Publizistin

Filmrezension

The Fall

Eine Kritik zum Kino-Film

Preview Abbildung des BluRay DVD Covers zum Kinofilm - The Fall - 2006

BluRay/DVD Cover zum Kinofilm "The Fall" aus dem Jahr 2006. Für seinen zweiten Kinofilm hat sich Tarsem Singh von dem bulgarischen Film "Mein Freund, der Pirat" (1981) von Sako Cheskija inspirieren lassen. Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Singh arbeitete vier Jahre an The Fall und reiste dazu an über 20 verschiedene Drehorte.

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Lesedauer: 5 mins

The Fall (EN/DE) | 2006

Regie: Tarsem Singh
Drehbuch: Tarsem Singh, Dan Gilroy, Nico Soultanakis
Originalsprache: Englisch
Produzenten: Tarsem Singh
Musik: Krishna Levy
Kamera: Colin Watkinson
Schnitt: Robert Duffy

Schauspieler (Cast):

Catinca Untaru: Alexandria
Lee Pace: Roy Walker/Schwarzer Bandit
Justine Waddell: Nonne Evelyn/Schwester Evelyn
Daniel Caltagirone: Sinclair/Gouverneur Odious
Marcus Wesley: Otta Benga/Eismann

Produktion: Googly Films, Absolute Entertainment, Deep Films
Produktionsland: Indien, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten
Länge: 117 Min. | Freigabe: FSK 12

The Fall ist kein Film für Jedermann. Und das ist auch gut so. Manche brauchen die Botschaft in großen Druckbuchstaben, Anderen wäre es schon zu viel, wenn sie überhaupt im Dialogbuch geschrieben steht oder gar wenn es überhaupt eine gibt. Muss es denn immer eine geben? Sind wir Schafe, die immer einen Bibelspruch zum Abschluss brauchen?

Ersteren empfehle ich Tatort, da wird in jedem Dialog erklärt, wer wer ist und warum der eine gerade so traurig ist und der andere stottert und am Ende wird dir erklärt, dass es nicht nett ist Menschen deswegen zu töten. Zweiteren empfehle ich Filme wie "The Fall": nicht nur wie oft erwähnt, ein optisches Meisterwerk der Kameraarbeit und Bildkomposition, sondern weit darüber hinaus, ein sehr fragiles Erzählwerk, welches, wenn man nicht genau aufpasst, sich einem sofort wieder verschließt wie ein Kind, was merkt, dass ihm nicht die volle Aufmerksamkeit zu teil wird.

Wer sich bei diesem Film beschwert, die Dialoge und die Märchengeschichte seien holperig und ergäben keinen Sinn, ja sind sogar teilweise arg langweilig, der hat den (Un)Sinn des Filmes meines Erachtens nicht verstanden und womöglich noch nie genau hingehört, wenn ihm ein kleines Kind eine selbst erfundene Geschichte erzählt, oder wenn Väter sich darin versuchen eine zu erfinden, oder das Kind einem nacherzählt, was ihm gestern im Kindergarten so alles passiert ist. Das kann sehr amüsant sein, aber das kann auch dauern. :) Und vor allem die Art wie es das erzählt.

Sinn des Filmes war es meines Erachtens, ihn aus dem Blickwinkel des Kindes zu zeigen und uns Erwachsenen damit gleichzeitig eine neue Perspektive zu eröffnen. Denn das Kind hatte ziemlich gute Instinkte und hat sich in manchen Situationen klüger verhalten als die Erwachsenen, ohne dabei wie diese nervigen kleinen Klugscheißer aus den sonstigen US-Produktionen daher zu kommen.

Dass der Film keinen Unterhaltungswert à la "Wir wünschen ihnen spannende Unterhaltung mit Pro7" hat, sollte einen neugierigen Cineasten nicht abschrecken und wer genau hinsieht, wird bei diesem Ausnahme-Film auch belohnt. Nur halt nicht wie ein Überraschungsei, so wie manche sich das vorzustellen scheinen. Interessant ist, dass genau das, was ich an diesem Film so existenziell wichtig finde, da er sonst meiner Ansicht nach in seinem Konzept gar nicht funktionieren würde, genau das ist, was in den diversen Rezensionen im Netz und schlechten Bewertungen oft kritisiert wird: Dass das Kind so komisch "dumm" daher reden würde, die Dialoge dadurch so "öde" wären und das Märchen teilweise so langatmig sei oder "irgendwie keinen Sinn" ergäbe, oder der "entblätterte" Film schlussendlich wenig Inhalt hätte.

Dabei ist die Kritik das größte Lob an diesen Streifen: Das Kind spricht in diesem Film endlich einmal wie ein echtes Kind. Und das ist a) nicht leicht zu schreiben (Drehbuch) und b) sehr schwer zu inszenieren. Ich finde es furchtbar grässlich und oft extrem unrealistisch, wenn Kinder in Filmen wie kleine klugscheißende Erwachsene daherkommen à la in "The Magic of Belle Isle" oder wenn sie Geschichten in einer Weise erzählen, als wäre Goethe, Fontane oder Dickens persönlich in sie gefahren. Was für ein Quatsch. Oder wenn ein aus Kinderaugen erzählter Film Metaebenen-überladen klugscheißend wie "The Hobbit" einem auf die Nerven geht. Nur sind die Zuschauer wohl nichts anderes mehr gewohnt. Ich hingegen kann mich viel besser in die aufkommenden Vater-Gefühle des Stuntman hineinversetzen, wenn das Kind ein Kind ist, wie es nun mal in der Realität oft ist: leicht unsinnig daher brabbelnd, streckenweise nervig und langatmig Unsinn redend, bis man heraus gefunden hat, was es denn nun hat oder einem sagen will.

Das ganz eigene Wesen der Kleinen war sehr authentisch und unfassbar gut inszeniert (einfaches Beispiel: ihr Umgang mit großer Angst) und es gibt Kinder, die in ihrem Verhalten Rätsel aufgeben. Wie im wahren Leben. Ich fand das sehr gut gelöst und war sicher nicht sehr einfach in Bilder einzufangen. Zugegeben, wer sich nicht mit Kamerafahrten beschäftigt, kommt in manchen Szenen wenig auf seine Kosten. Wer aber doch, der wird oft vor Begeisterung aufgesprungen sein. Diese sind zum Teil wirklich sensationell.

Wenn man dann so Ressentiments in den Kommentaren liest wie, der #Regisseur sollte sich demnächst nur noch auf visuelle Effekte zurückziehen und "richtige" Regisseure dazu holen, dann muss man sich schon an Kopf fassen. Singh hat hier nicht nur optische sondern auch Schauspieler-Führungsqualitäten bewiesen und sein Regie-Konzept ging, wenn man sich darauf einlässt, voll auf. Wer das nicht zugeben will, soll zumindest fair genug sein und sich eingestehen, dass er sich auf den Film und sein gewolltes Konzept nicht einlassen wollte oder konnte, oder der Film einfach nicht nach seinem Geschmack ist. Meinen Geschmack traf er zumindest.

Meine Empfehlung: Nichts für Rambo und Friends Gucker. Ein Film für Freunde von Filmen wie "Brazil", "Waltz with Bashir", "Das weinende Kamel" oder Filme im Allgemeinen, die die Kopf-Mitarbeit des Zuschauers einfordern und mit einkalkulieren, und wo es Spaß macht versteckte Dinge zu entdecken ohne aber den großen belohnenden Aha-Effekt zu erwarten. Dieser Film ist wie ein guter Wein: wunderschöne Farbe, beeindruckendes Bouquet, samtig auf der Zunge und trocken im Abgang. Ohne Cocktail-Schirmchen und Konfetti. Herrlich.

0.5 Punkte Abzug gab es bei mir für die Geheimsprache des Mannes aus dem Baum. Die war wirklich nervig. :-)

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