Beruf: Reporter, im Englischen "The Passenger" im Italienischen "Professione: Reporter" ist wieder ein Beweis dafür, dass es in Europa seit Jahrzehnten einen üblen Filmtitelvirus geben muss. In diesem Falle sogar einmal nicht aus dem amerikanischen ins Deutsche schlecht übersetzt sondern umgekehrt, denn der italienische Originalname, der dem deutschen ähnelt, ist genauso schrecklich, wie der deutsche und vom Empfinden des Filmes her finde ich - wie leider so oft - passt sogar der amerikanische übersetzte Titel einfach am Besten. Was ist nur los mit den europäischen Filmtiteln? Sie sind zum Teil so grauenhaft, dass man um den Film in Schutz zu nehmen, die Namensgeber verklagen möchte.
Über den Film Klassiker kann man nur wenig sagen, außer dass man ihn mag oder nicht. Und wenn man ihn mag, noch Jahre später Bilder aus dem Film im Kopf haben wird. Ein wahnsinnig schwer erklärbarer Stimmungsfilm, der ähnlich wie andere Filme dieser Art eine Menge Thesen über das was er sagen will heraufbeschworen hat und an denen ich mich auf Grund meiner bedingungslosen Liebe zu diesem Film nicht beteiligen will um ihn einfach als Stimmung, als ein zu betrachtendes Bild in seiner Wirkung bei mir behalten will.
Es ist ein typischer Antonioni-Film und wer Kino nur mit Popcorn verbindet, wird jetzt wahrscheinlich fragen: wer? Michelangelo Antonioni (* 29. September 1912 in Ferrara, Italien; † 30. Juli 2007 in Rom) war ein italienischer Filmregisseur, Autor und Maler. Er gehört zu den Top 10 der klassischen Filmregisseure aus einer Zeit wo man sich noch nicht dafür entschuldige musste wenn man einen Film machen wollte und den Prozess gleichzeitig als eine Kunstform verstand, kurz gesagt man mit den Mitteln des Films noch Kunst machen wollte. Heute ein Grund dafür dass einem die Finanzierungen gestoppt werden.
Die Besetzung mit Rauhbein Jack Nicholson sitzt perfekt wie eine alte Jeans und die Kamera ist wirklich wie ein Pinsel eingesetzt worden. Man spürt hier bei Antonioni sein Gespür für Bilder, Settings, Positionen im Bild und seine künstlerische Arbeit als Maler. Ähnlich wie bei Peter Greenaway, nur nicht so verspielt, eher etwas karg. Aber unglaublich stimmungsvoll mit Hilfe der hervorragenden Kamera von Luciano Tovoli zu den Klängen von Iván Vándor. Nun habe ich ja doch Worte über den Film selbst verloren. Ich konnte es mir nicht verkneifen, denn es ist ein Muss und gehört in jede "Muss einmal gesehen werden"-Liste.
Jack Nicholson war letztendlich von dem Projekt so begeistert, dass er später die weltweiten Rechte am Film erwarb. Die erste Fassung des Films hatte vor Veröffentlichung eine Länge von 4! Stunden und wurde dann auf 2 1/2 Stunden und dann nochmal auf 2 Std. gekürzt. Die längste Szene ohne Schnitt dauert 6 Minuten und ist ein Meilenstein in der Filmgeschichte und gehört in jedes Repertoire einer Filmkamerahochschule.
Die spätere amerikanische Version des Films wurde noch einmal gekürzt und hatte dramaturgische Veränderungen zur Folge die Antonioni massiv kritisiert hat ohne die Entscheidung der Filmstudios MGM beeinflussen zu können. Aber das gehörte vielleicht auch zum "guten Ton" der Zeit als Künstler symbolisch Konter zu bieten. Ähnlich wie sich Buchautoren immer wieder öffentlich über die Filmversion mockieren. Ich weiß immer nicht inwieweit ich da mitgehen will, denn einerseits habe ich das selbst auch oft gespürt und unterstützt aber letztendlich mit den Jahren für mich zumindest verstanden, dass das auch viel Buzz ist und man letztenendes weiß worauf man sich bei einer Filmadaption einlässt. Und so wusste es Antonioni bestimmt auch als er einen Film für MGM drehte.
Für die knisternde androgyne Erotik war keine geringere als die damals für solche Rollen gern genommende laszive und kindlich aber verwegen spielende ewig schmollende Maria Schneider ("Letzter Tango in Paris", Marlon Brando) und wie so oft entdecke ich wieder einmal Parallelen in den Schönheitsidealen oder Typen verschiedener Epochen, oder einfach die Wiederkehr von bestimmten Gesichtstypen. Ich habe ja schon des Öfteren den Verdacht geäußert, dass man heute eventuell einfach keine neue Ideen mehr hat oder wagt und unterbewusst nach altbekannten Mustern castet. So haben viele heutige Stars das Glück, dass sie optisch an Stars vergangener Tage erinnern (Clooney, Kidman, Affleck, Law) und Ellen Page hat wie ich finde in ihren ersten Rollen eine ganz ähnliche Ästhetik und Reizwirkung im Gesicht wie Maria Schneider ihrer Tage. Maria Schneider starb 2011 im Alter von 58 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Was viele nicht wissen, dieses schüchtern wirkende Mädchen aus den alten Filmen hatte ein bewegtes Leben mit massiven Exzessen und vielen heftigen Auf- und Abs. Sie galt als nicht sehr umgänglich aber hoch sensibel und bei den Dreharbeiten zu "1900" (Bertolucci) verließ sie das Set und stieg aus dem Projekt ganz aus und lies sich in einer Nervenheilanstalt behandeln. Über den Film "Beruf: Reporter" (The Passenger) sagte sie später, dass sie diese Rolle von allen am meisten schätzte.
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