Bücher, die die Welt nicht braucht

Britta Leuchner
Geschrieben von:

Britta Leuchner

Filmkritikerin, freie Publizistin

Das Buch im Wandel der Zeit

Bücher, die die Welt nicht braucht

Und die die Welt nicht ändern

Preview Kollage von Abbildungen von Bushido, Eminem und Dieter Bohlen

"Bohlen - Bushido - Eminem" Was haben die drei von der Tankstelle gemeinsam? Viel Geld abseits von Musik verdient.

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Lesedauer: 7 mins

Dieter Bohlen mit 'nem Biolek-Lächeln, Bushido in kontraststarkem Schwarz-Weiß und Eminem in Denkerpose mit Nickelbrille. Die Buchcover machen Kabarettplaketen Konkurrenz. Schlagwort: Autobiografie. Was daran ist autobiografisch? Irgendwer hat mal gesagt, dass Bücher die Welt verändern würden. Das war gestern. Den heute weigern sich diejenigen von denen es einen interessieren würde, eine Autobiografie zu schreiben und von jenen von denen man eh das gesamte Privatleben aus Klatschzeitungen schon kennt, gibt's das Ganze jetzt auch unnötiger Weise noch als Buch.

Vorher vielleicht noch mit Schusswaffen und leicht bekleideten "Damen" in einem Musik-Video und von einer Sekunde auf die Andere auf dem Buchcover die "Leseratte" mit Nickelbrille mimen? Immer so wie es grad gebraucht wird. Es geht nicht um falsche Ideologien oder fragwürdige Ambivalenz oder Widersprüchlichkeit, denn dann wäre ich ein Paradebeispiel. Es geht um das drehen der Fahne im Wind. Um zu verkaufen. Heute so, morgen so.

Das ist selbst mir jetzt echt ein wenig zu offensichtlich. Auch wenn ich Verkaufsstrategien in gewissem Maß verzeihlich finde und ja selbst immer zu Leuten, die das alles zu kritisch sehen sage: "Leute! Selbst der Out-Of-Bed Look braucht zwei Stunden vor dem Spiegel! Es gibt nicht die 'guten' und die 'bösen' Jungs im Musikbusiness, es gibt nur 'gutes' oder 'schlechtes' Musikbusiness". Ja aber 'gutes' ist es nur dann, wenn es gut gemacht ist und man nicht zu offensichtlich für "dumm verkauft" wird.

Aber der Ausverkauf hat ja bis jetzt vor Nichts und Niemandem halt gemacht. Das Buch als Vermarktungsinstrument von Musik-Konserven zu missbrauchen ist für mich der Gipfel der Kultur-Ausverkauf-Dreistigkeit. Die ja die Musikbranche in den letzten Jahrzehnten eh stark für sich gepachtet hat. Man könnte meinen sie hat sie erfunden. Und auch hier belegt die #Musikindustrie wieder ihre mentale Nähe zur Porno-Industrie. Diese hat den Buchmarkt nämlich unlängst für sich erobert. Wie so oft, hinkt die Musikindustrie auch da halt wieder mal ein wenig hinter dem Zeitgeist hinterher.

Für den Rückgang der Verkaufszahlen das Internet die Schuld in die Schuhe schieben und seine "Zugpferde" in Buchform verticken... Das Verhalten der Medienbranche nimmt politische Dimensionen an. Und wieder der selbe Etiketten Schwindel wie schon früher. Als hätte Niemand dazu gelernt. Die Musikindustrie hört partout nicht auf an Ränge, Chart Platzierungen und Top-Listen zu glauben. Dabei müsste ihnen doch längst nicht entgangen sein, was Evergreen Komponisten und Künstler (damit sind die ewig bekannten Songs und ihre Bands gemeint) die in den Charts gar nicht vertreten sind oder lokale Live-Bands so an Jahresumsatz machen: Nämlich oft mehr als ihre frisch gebackenen Top 10 Künstler! Warum? Weil die Top 10 eine Milchmädchen Rechnung sind! Und genau das machen sie hier wieder.

Wo die Buchverkäufe zurückgehen, brauchen die Verlage Schlagwort-Themen und neue Leser. Und der dumme kleine Chart-Gucker und #Musikjunkie will seiner Freundin beweisen, dass er auch mal ein Buch gelesen hat. So kommt eine Biografie von einem durchschnittlichen Schriftsteller (Und damit meine ich nicht den Künstler der seinen Namen dafür hergibt, sondern der Typ, der sein Schreibtalent für diesen Künstler auf dem Cover hergibt) auf Platz Eins der Büchercharts. Weil die Charts inzwischen eh schon total im Keller sind und Platz 1 heute nur noch 1/10tel verkaufter Bücher bedeutet als noch vor ein paar Jahren. Und sich dann wundern dass die Kasse wieder nicht so richtig klingelt. Naja - wären sie so gut im Umgang mit Zahlen würden sie ja auch nicht in der Musikindustrie den Manager spielen, sondern in Industriezweigen wo die richtigen Zahlenprofis halt arbeiten. Und wo halt richtig Geld verdient wird. Während die Glas- oder die Möbel - oder die Auto - oder die Bekleidungsindustrie so ihre 20% am Jahresumsatz eines Landes für sich verbuchen können, steht Musikindustrie, für die es noch nicht wussten, unter nicht mal läppischen 3%. Damit könnte eine Partei noch nicht einmal in den Bundestag einziehen.

Da werden auch die Biografien nichts dran ändern, und die ausgeliehenen Limousinen für die Award Nächte auch nicht. Wusstet ihr dass 90% der lesenden Bevölkerung - ich meine die regelmäßigen Buchkäufer - noch nicht einmal wissen wer Bushido eigentlich ist? Auch jetzt nicht, wenn sie mit fragenden Blicken an dem Bestseller-Regal vorbeigehen. So ist das mit Statistiken und Chart-Listen. Sie sagen überhaupt nichts aus. Und wer glaubt, dass man damit Nicht-Leser zu Lesern macht, dem seien zwei Dinge gesagt: a) wird das dann eines der wenigen Bücher bleiben was Derjenige in seinem Leben gelesen hat und somit ist das Ziel nicht nur verfehlt sondern hat auch noch Kollateral-Schäden verursacht - und b) wer sagt, dass Lesen bildet, hat vergessen hinzuzufügen, dass nicht Lesen wegen des Lesens Willen bildet, sondern die Auswahl des Lesestoffs darüber entscheidet, ob es bildet. Nur weil jemand liest und 'ne Brille trägt, ist sie/er noch lange nicht "belesen"!

Wie auch immer. Musik bleibt! Auch wenn die sich darin tummelnden Manager hoffentlich bald verschwinden, dem hoch angekündigten Finanzuntergang der Musikindustrie sei's gedankt wenn da nichts mehr zu holen ist: Musik bleibt, und sie bleibt nun mal etwas für Musikliebhaber. Und das (bleibt und) ist auch gut so.

Zu den harten Fakten: Ich habe Bohlens Biografie nicht gelesen, Bushidos ebenso wenig, und Eminems werde ich mit Sicherheit auch nicht lesen. Und das Herr Bernd Eichinger sich die Filmrechte zu Bushidos Biografie gesichert hat, ist ein Zeichen der restlosen Verzweiflung in dieser Industrie, oder der Versuch eines Filmveteranen die für ihn neue Hip Hop-Kultur zu verstehen. Aber mal ehrlich, da kommt er so zirka 20 Jahre zu spät. Denn mit Hip Hop hat das schon lange nichts mehr zu tun. Und es ist eines dieser ewigen "wer ist schneller am Abzug" Spielchen auf den Märkten um sich die Filmrechte von potentiellen Themen zu sichern. Ich sag immer: Wer die Rechte hat, darf sie behalten. Oder mit Onettis Worten: "Schauen sie nicht so irritiert auf meinen Mund, ich habe meine Zähne einem erfolgreicheren Schriftsteller verliehen - zumindest was die Mehrheit unter erfolgreich versteht-, er brauchte sie für die letzte Preisverleihung!"

Das ist wie mit der Internet-Adressen-Jagd. Und letztendlich gibt es aber nur wenig wirklich gute Seiten im Internetwald, und nur wenige davon berufen sich auf populäre Begriffe. Das hält aber die meisten nicht davon ab weiter Jagd auf Rechte zu machen.

Der Beweis: Ich wollte schon mal in einem früheren Artikel den Scherz mit einbauen: "Ich hab' mir im Übrigen die Filmrechte für Obama seine Biografie schon mal im Vorhinein gesichert!" Das war so zirka Ende 2008. Da sagte mir ein Freund, die Rechte seien ernsthaft schon vergeben und der Film kommt nächstes Jahr in die Kinos! Was bitte?!? Das war von mir als Scherz gedacht. Wann wache ich aus diesem Alptraum auf?

Versteht mich nicht falsch. Ich will weder Künstlern noch ihren Fans auf die Füße treten. Aber warum kann man die Künstler nicht durch ihre künstlerische Arbeit sprechen lassen? Dafür haben die Künstler doch ihre Bühne? Warum über ihre Lebens( oder Leidens) - Geschichte? Andere hatten auch ein schweres Leben !?!

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten und ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich über einen erfolgreichen Musik-Act künstlich aufregen, nur weil ich dessen Musik einfach nicht mag. Ich respektiere alle hier erwähnten Künstler für ihre harte Arbeit in der Musik. Aber halt in der Musik!

Aber genauso wenig wie ich halt kein Müsli mit gebratenem Hühnchen esse oder Tomaten mit Schlagsahne, genauso wenig werde ich Bücher von Rappern oder anderen Leuten aus der Musikindustrie lesen, die ja nun wirklich vorher nie einen Hehl daraus gemacht haben, was sie von Büchern oder anspruchsvollen Filmen hielten. Denn wenn ich es zeitlich schon mal wieder schaffe ein Buch zu lesen, dann lieber Eines, was es nicht schon tonnenweise in CD Form, Presseartikeln oder in Form von Klatsch und #Tratsch in News gibt. Da brauch ich nicht auch noch das Buchformat von.

Um irgendwelche Geschichten aus der Kindheit von Rappern zu lesen, dafür gibt es im Übrigen das Internet. Das ist voll davon ... und:

Das ist billiger.

Good Night and Good Luck ...

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