Ob jemand den Grimme-Preis erhält

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Medien-Qualität und ihr Preis

Ob jemand den Grimme-Preis erhält

Oder in China ein Sack Reis umfällt

Preview Abbildung der Karikatur eines Vloggers, gezeichnet von Sebastian Ugovsky 2011

"Der Videoblogger - Karikatur eines obscuren Kommunikationskonzepts". Ein Videoblogger oder kurz "Vlogger" als bei der "Digi-Nation"-Jugend akzeptierter Alltags-Moderator, gezeichnet in einer kritischen Karikatur. © 2015 All rights reserved | Zeichnung (Kohle & Graphic-Pen) von Autor, Theater & Filmemacher und Komponisten Sebastian Ugovsky Was früher die Labertaschen von Musikfernsehkanälen waren, sind heute die Videoblogger von Youtube, oder sollte man inzwischen von Gestern sagen? Youtubekids sind doch inzwischen auch schon Eltern. Der Videoblogger, die Geräuschkulisse für das vor der Ruhe und Selbstreflexion fliehende Teeny-Emotions-Chaos. Beruhigend zu wissen, dass ihnen das später genauso peinlich sein wird wie uns.

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Lesedauer: 9 mins

Unlängst leiden all die ehemals so hochrangigen angesehenen Bienchen-Verteiler aller Nationen, so wie der Nobelpreis, der Pulitzer Preis oder das Meer an Filmpreisen und einst gediegene Preise wie der Grimme-Preis, tendenziell unter einem zunehmenden Problem: Dass das aufgeweckte nachkommende Publikum sich mehr und mehr weigert für das rümpfige Verteilen von solcher Art Bienchen zu interessieren. Oder zumindest als hochrangig anzusehen. Und so versuchen die Initiatoren mit Ach und Krach und viel Mühe sich bei besagtem Publikum mit fragwürdigen Aktionen, die es nicht besser machen, zurück ins Gedächtnis zu rufen. Da wird verliehen was das Zeug hält. Mit den schlimmen Konsequenzen: a) ehemals verliehene Preise an Persönlichkeiten damals werden dadurch heute postum durch die Inflation wertlos gestempelt, und b) die Tendenz zum Desinteresse beim Publikum ist weiter sinkend. Es interessiert zunehmend weniger. Was, wenn man mal nur kurz genauer nachdenkt, auch nicht weiter verwunderlich ist.

Denn wenn man sich mal so manchen heutigen Preisträger anschaut, wird einem unweigerlich klar, warum die Glaubwürdigkeit solcher Juries inklusive ihrer Preise zunehmend in Zweifel gezogen werden muss. Die jüngsten Negativschlagzeilen aus dem Hause Grimme der Bienchen-Verteiler beispielsweise war der Vorschlag, allen Ernstes das #Dschungelcamp zu nominieren. Ja sie haben richtig gehört: der redaktionelle Dünnschiss aus der Kategorie Assi-TV, den uns allen durch sein hochrangiges Niveau bekannten Privatsendern. Und frei unter dem Motto, "Täglich grüßt das Murmeltier": Schmerzt eine Nachricht noch so sehr, kommt direkt noch eine hinterher. Wer es noch nicht wusste: die Sinnlosigkeit hat einen neuen Namen. Der Grimme Online Award. Der gegründet wurde um zu zeigen, dass die Bienchen-Verteiler-Mentalität auch vor den neuen Medien keinen Halt machen wird und will. Warum sollte sie auch? Dass das alternative nicht mehr ganz so alternative Medium, in welches ganze Generationen ihre Hoffnungen dahingehend gelegt hatten, dass nun alles anders und besser würde, im selben Sumpf endet, wie die Medien davor, wunderte mich eher weniger. Und als hätte ich es geahnt, werden Kandidaten wie Mr. Missinformation-Schnellplaudertasche-Facepalm-WTF-Gamer LöPläusch und ähnliche Konsorten brav antanzen, wie kleine Schulkinder, und vor der Jury brav einen Knicks machen und sich für den tollen tollen Preis bedanken. Weil jetzt gehört man dazu. Und schwubst hat man vergessen warum die nach Alternativen suchende Jugend einst zu diesem Erfolg verhalf. (Ich ziehe notwendiger Weise zum Kommentar mal etwas vor, was ich später noch aufgreifen möchte: Also wenn etwas ausnahmsweise wirklich mal einen Facepalm verdient hätte, dann das.) Ich hätte da einen Kooperations- und Advertisement-Vorschlag zu machen, der zeitgemäß wäre: Vielleicht kann Helene Fischer ja den neuen Titelsong für seinen Youtube-Kanal Einspieler singen? Was meine vor langer Zeit geäußerte Vermutung, dass Youtuber auch nur fernseh-geile Hupfdohlen sind, die sabbernd auf ihren Applaus warten, bestätigen dürfte. Schade dass hier kein Rückgrat bewiesen wurde. Aber vielleicht war das alternative Medium ja auch von Anfang eine Illusion? Vielleicht ist ja nicht das Medium sondern das Sendebedürfnis einiger darin das Problem? Nun das wäre dann ein anderes Thema zu einem anderem Zeitpunkt.

Jüngst wieder so ein Dünnschiss von meiner Lieblingslabertasche LöPläusch-Ich -Sonst-Nix-Mit-Meinem-Leben-Anzufangen auf Gamer-Niveau zum Thema Schutzimpfung: wo er kurzerhand beschloss, die Impfungs-Phobie einiger Mitmenschen mit einem Facepalm zu beantworten um seinen Zuschauern zu suggerieren, wie dämlich doch wieder all diese Nichtgamer und computerjugendintolleranten Nichtversteher sind, die sich und ihre Kinder nicht impfen lassen wollen.(?) Also: auch wenn ich das ebenfalls bedenklich finde, würde ich solche Menschen nicht mit einem Facepalm, sondern einem Aufruf zur Aufklärung zu den Ängsten und Fragen, begrüßen. Das wäre alternative Presse-Reflexion. Und nicht Facepalming! Unreflektiertes Facepalming ist sowieso ein neuer Lieblingssport vielerorts, weil es ja soo cool und witzig ist und so schön verdeckt, dass man eigentlich gerade schön Ignoranz demonstriert. Wie kann man solche gequirlte Scheiße von sich geben? Und das als jemand der Psychologie studiert hat? Ist ihm schon einmal in den Sinn gekommen, dass er als Massenmedium (ja so ist das nun mal!) eine mediale Verantwortung hat? Und wenn er schon als Sendekonzept nebst Community-High-Five das Community-Facepalming etablieren möchte dann doch bitte mit den richtigen Botschaften an die Jugend. Dann hätte er versuchen können eine Vermittler-Position einzunehmen und lieber ein paar Fragen an die Öffentlichkeit zu richten, weil ihm, wie allen Kanaltaschen, doch eh so wichtig ist, dass Leute zu seinen Themen Kommentare schreiben.

Ich mag Menschen eh lieber die bei zunehmend breiter aufgestelltem Sende-Spektrum und ihrer wachsenden Verantwortung umsichtig anfangen dazu zu neigen lieber Fragen zu stellen als Antworten zu geben. Ehrfurcht vor dieser wachsenden Herausforderung zeigen. Eine interessante Frage hätte zum Beispiel bei dem Thema sein können: Hashtag Massenverblödung? Wenn ungeimpfte Menschen geimpfte Menschen gefährden, gegen was hilft dann die Impfung? - Oder: Hastag Aufklärung. Anstatt sich gegenseitig anzupissen, sollte man zu öffentlichen Symposien und Aufklärungsrunden aufrufen: Sind Impfängste begründet? Wenn nicht, wo kommen sie her? Wie kann man sie abbauen? - Aber auf solche Ideen kommt man natürlich nicht, wenn man 2 mal die Woche 4 bis 8 Themen im Gamer-Laber-Isch-Lach-Misch-Kaputt-Stil und #MTV-Jumpcut durchkaut und dabei von einem Bein aufs andere hüpft, um der lesefaulen Jugend mit einem Facepalm ein Abbild über die dumme Welt zu vermitteln. Auch verkauft es sich so besser als reflektierte Fragen zu stellen. Wer guckt sich denn sowas langweiliges wie Sachlichkeit an? So wird fleißig Putin Fehlinformation weiter gestreut , Edathy kurzerhand mal entgegen aller Untersuchungen zum Fall und völlig falsch übernommenen Fakten aus den Akten, die im Stille-Post-Prinzip von der Presse übernommen wurden, sowie entgegen richterlicher Beschlüsse und der Unschuld bis zum Gegenteil, von Rechtsexperte LöPläusch offiziell zum Pädophilen gestempelt und auf Til Schweiger Niveau Witze darüber gemacht, ob er nicht als Kindergärtner arbeiten sollte . Ganz großes Kino. Glückwunsch. Dafür hat man doch ein Online Grimme Award verdient, finden Sie etwa nicht? Und es werden natürlich immer wieder die Vorurteile der Gamer-Kritiker als lahme Ente hervorgeholt. Er muss dabei nur langsam ein bisschen aufpassen, dass sich diese lahme Ente nicht bald zu einem Fisch unterm Bett entwickelt der anfängt zu stinken und der Verdacht aufkommt, die fälschlicher Weise angenommene Verblödung der Jugend durch Computerspiele anhand seines Beispiels neue Rechtfertigung findet.

Wer kann es da Jan Böhmermann verübeln das gefundene Fressen auch zu essen, wieder auszuspucken und darüber seine Witze zu machen? Aber selbst er scheint sich der zunehmenden Medien-Macht bewusst zu werden und greift nur jene an, die es ihm leicht machen angegriffen zu werden und wo die Gefahr die der Gegenangriff darstellen könnte, verhältnismäßig gering zu dem ist, was auf ihn zu käme, wenn er sich zum Beispiel mit der Toleranz-geschulten Gamer-Community von LeFloid anlegt. Oder warte mal, haben die beiden vielleicht das gleiche Zielpublikum? Da kann man es irgendwie nachdem man den ersten Schock verdaut hat, irgendwie nachvollziehen, dass eine Katrin Sass bei Markus Lanz in der Sendung die Fassung verliert und ein Dschungelcamp Besucher ohne Gnade attackiert wird , oder ein Reich-Ranicki nicht bereit ist den Fernsehpreis entgegen zu nehmen. Also wenn selbst jene die von den Medien leben sich zunehmend aus der Deckung wagen um diese Medien zu kritisieren, also die Hand beißen die sie füttert, sollte man darüber nachdenken, ob dies nicht eventuell begründet ist. Und das gilt auch und vor allem für die verliehenen Preise.

Man kann jetzt von DiCaprio halten was man möchte, aber er eignet sich gut für folgendes Beispiel: Seit Jahren wird in der Presse und unter Fans verwundert verfolgt dass der Erfolgsschauspieler der die Gemüter spaltet noch nie einen Oscar bekam. Was würde ich es feiern, wenn dieser vom Phorbes Magazin zu einem der einflussreichsten Schauspieler dieses Jahrhunderts gewählten Hollywood Stars, den Oscar bekommen würde, diesen aber überraschend ablehnen würde mit der Begründung, dass er diese Auszeichnung nicht brauche um ein erfolgreicher oder vom Publikum akzeptierter Schauspieler zu sein. Das würde ich Rückgrat nennen! Und das würde ein Welle von Nachahmern auslösen, die merken, dass man damit sogar mehr Presse machen kann, als mit einer Dankesrede an Mutti und den Manager. Vielleicht würde dann auch endlich mal hinterfragt, wie wichtig solche Preise wirklich sind und was es mit der Kollegialität und dem Menschen im gegenseitigen Blick aufeinander macht, wenn einzelne herausgezogen werden für eine Auszeichnung, Herr Psychologe! Erstes Semester Pädagogik: Leistungsbenotung in der Kritik. (Kleiner Hinweis falls du die Studienbücher noch hast). Ein wünschenswerter Nebeneffekt wäre dann vielleicht auch, dass endlich mal die eine Million Filmfestivals wieder rückläufig würden und Filme nicht mehr als Geisel genommen werden von den Preisverleihern, in dem man sie dazu zwingt, Nominierungen als auch Verleihungen gemäß Vertragspflicht im Abspann zu zeigen. Tja da staunt man nicht schlecht, nicht wahr? Ja so ist das ... Wer die Macht hat.

Wie immer in der Menschheitsgeschichte fängt alles mit einer guten Idee an. Und endet im schwarzen Loch unter "Ferner Liefen..." So wurde aus der Emanzipation ein Marketing-Gag und Machtkampf, aus der Revolution der Arbeiterklasse die Freie Marktwirtschaft, aus der Deutschen Einheit der Dumme Osten der nur Geld kostet und aus dem Netz der freien Meinung, alternativer Diskussionskultur und Möglichkeit der Massenverblödung im Fernsehen auszuweichen ein Netz Medien-geiler Katzenliebhaber, Gamer, Missinformanten und Labertaschen, die sich alle zusammen gut unter der selben Kategorie zusammenfassen lassen, wie das Nachmittagsprogramm von RTL: "Arbeitslosen-Bestrahlung".

Frei unter dem Motto des Entertainment-Klüngel: "dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe." Und so schaukeln sich Preise, Verleiher und Empfänger fleißig weiter die Eier, während ohne Konsequenzen täglich Müll in unseren Köpfen abgeladen wird. Aber hey! Wie sagte man mir so gern wenn ich den Mangel an guten Filmen oder Infosendungen ansprach: "Was willst du denn? Ein bisschen Spaß muss doch sein. Entertainment muss es doch schließlich auch geben." ... Muss ich jetzt wirklich auf die Worte "bisschen" oder "auch" eingehen? Oh, ich fürchte mir wird nach dieser Laudatio niemals solch ein schönes Bienchen zu Teil werden. Muss mir das Sorge bereiten? Nein.

Diese ganzen Preise, die einst so einen einschüchternen Namen und Klang hatten, ... Gott Sei Dank hat die Euphorie um diese Komitees und Würdenträger in der Mehrheit der Gesellschaften unlängst nachgelassen. Mich erinnern diese News über neue Würdenträger immer ein bisschen an solche, wie wenn es heißt dass die Queen wieder einen TV Serienstar zum Ritter geschlagen hat oder irgendwo eine Parade zu Ehren eines altehrwürdigen Adligen abgehalten wurde. Diese ewig Adligen von damals und ihre Uniformen, die heute nur noch weniger als eine Symbolrolle spielen, weder wichtige noch politische oder bedeutende Entscheidungen treffen, aber immer noch bemüht werden, um etwas zu berichten, was irgendwann einmal Bedeutung hatte. So wie die großen Preise.

Ob irgendjemand einen #GrimmePreis erhält, oder in China ein Sack Reis umfällt ...

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