Ich kann mich bei solchen Anlässen gar nicht entscheiden, was ich aufsässiger finden soll, die Millionen von #RIP Nachrichten im Netz und übertrieben Trauer demonstrierenden Fans auf den Straßen oder die "Anti-Emos", wie ich sie gern nenne, die zu solchen Anlässen gern krampfhaft demonstrieren müssen, wie sehr Ihnen das am Arsch vorbei ginge und wie albern doch die anonyme Trauer sei. Wenn ihr mich fragt, ist beides nicht gesund.
Letztendlich ist es doch ganz einfach: Es reicht aus, Jemanden vom Namen her zu kennen, damit einem sein Schicksal zumindest erreicht. Das ist doch ganz natürlich. Sofern man kein Eisblock ist. Und wenn ich erfahre, dass jemand gestorben ist, den ich vom Sehen oder Hören her kenne, dann erfasst es mich natürlich auch. Was ist daran albern? Ob berühmt, berüchtigt oder Kassierer bei Edeka. Ganz egal. Ein Mensch ist gestorben, und jeder der den Tod nicht nur aus Computerspielen kennt, weiß dass jetzt Angehörige eine schlimme Zeit durchmachen. Alles andere ist nur der Versuch, vor dem Tod oder den Gefühlen drum herum zu entfliehen, Gefühlen die wie der Tod selbst zum Leben gehören.
So habe ich überlegt, was ich wohl nun am Besten schreiben könne. Denn unkommentiert wollte ich diesen Tag nicht lassen. Das wäre mir selbst gegenüber auch nicht ehrlich gewesen. Da kam ich auf eine Idee: In anderen Kulturen ist es Brauch, beim Abschied eines Verstorbenen eine persönliche Anekdote über Denjenigen zu erzählen. So bleibt derjenige durch den Austausch von Geschichten gegenseitig in Erinnerung.
Nun - auch wenn es bei Mister Jackson wahrlich nicht an Anekdoten mangelt - hier ist meine Anekdote. Sie beginnt mit einem euphorischen Anruf eines befreundeten Musik-Produzenten, der mich Nachts aufgeregt aus dem Bett klingelte um mir zu erzählen, dass heute jemand in seinem Ton-Studio anrief und fragte ob es möglich sei, dass Michael Jackson kurz vorbei käme, um ein paar E-Bass Läufe einzuspielen, weil der Tourbassist ausgefallen sei und umliegend dieses Studio den kürzesten Anfahrtsweg habe.
Mein Freund und Kollege glaubte einem Scherz von Freunden auferlegen zu sein - so erzählte er mir weiter - und lachte wohl nur laut in den Hörer und sagte dann: "ja klar doch! Kommt vorbei!" Er freute sich schon auf die "Vorstellung", den vermeintlichen Scherz und stellte lachend ein paar Bier kalt. Als dann 2 Autos vorfuhren, konnte er vom Fenster seines im Souterrain befindlichen Studios aus ein paar Füße erkennen, konnte somit erahnen wie mehrere Männer aus den schwarzen Autos stiegen. Einer von ihnen hatte wohl auch markante Stiefel an und er dachte sich in dem Moment noch lachend: "Ich bin mal gespannt wer sich da in Schale geworfen hat", und machte laut lachend vor Vorfreude über den nachgeahmten Michael Jackson die Studiotür auf. Als Michael Jackson vor der Tür stand, musste er sich stotternd mit ein zwei Blicken versichern, dass es nicht doch eine gut gelungene Maske sei, doch dann fiel ihm die Kinnlade endgültig herunter und das Lachen gefror ihm im Hals. Schnell schüttelte er alle Hände und bat herein.
Als er dann auch noch sah, wie der Künstler ohne groß zu überlegen die Studiogeräte bedienen konnte und die E-Bass Läufe innerhalb kürzester Zeit sauber und präzise einspielte wie er es bei keinem anderen Bassist jemals vorher gesehen habe und als wäre das Instrument ihm in die Wiege gelegt worden, fiel ihm gänzlich "Alles aus dem Gesicht". Michael Jackson spielte die Läufe in einer Aufnahmeschleife ohne Zwischenstop und ohne Korrektur ein, kurz nachdem er sich mit zuvorkommender Freundlichkeit der Genehmigung vergewisserte, die Geräte allein bedienen zu dürfen, hinterließ alles wie er es vorgefunden hatte und bedankte sich höflich, respektvoll und warmherzig.
Alles was nach 2 Stunden blieb, waren mein verdatterter Freund und Kollege mit kaltem Bier im Kühlschrank, Tonspuren die er noch mastern und dann ins Hotel schicken solle, und ein anderer Mann in der Tür, der ihm einen Vertrag für die Handhabung der Spuren und die Frage, was dies denn kosten würde offenbarte.
Dies ist schon ein paar Jährchen her, aber wahr. So gut hat er in diesem Jahr wohl nicht mehr verdient. Ich werde diese Geschichte und den nächtlichen Anruf wohl nie vergessen. Aber noch viel weniger werde ich vergessen, wie ich "Beat it" das erste mal hörte, nachts im Bett als ich noch nicht schlafen wollte, heimlich, unter dem Kopfkissen aus einem alten Kastenradio meiner Mutter, als wir in meiner Schulzeit in den Urlaub gefahren sind. Ich war 10. Und Michael Jackson 25.
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