Im Internet rücken wir alle näher zusammen. Und während wir das tun, rücken wir weg von unserem Nachbarn, verlieren den Bezug zu den Menschen auf der Straße oder zu dem unmittelbar Nächsten in unserem Umfeld? So zumindest der allgemeine Konsens von Internetgegnern. Aber wenn Internet ein Dämon des Bösen ist, wer hat ihn geschaffen? Mensch und Maschine und die Angst davor was es mit uns macht ist ein Thema, so alt wie der moderne Mensch selbst. Seit 2 Jahrhunderten beschäftigen sich Philosophen, Soziologen, Bücher, Filme und Mythen mit der ewigen Frage um das Verhältnis zwischen Mensch und jenen maschinellen Geistern, die er zuvor schuf.
Ein böser Geist, der in der Matrix wohnt und versucht uns in seine Welt zu locken? Wenn man nach dem Buch "Das Bildnis von Dorian Gray" geht, oder danach wie Internetkids das Internet nutzen, scheint der alte Gedanke, wie der Körper zu Materie wird, oder in anderen Medien wohnt, zumindest symbolisch bis heute die Menschen zu faszinieren.
Zunächst bestätigen könnte ich das - wie viele von uns -anhand glasklarer Beispiele: Ich erhalte inzwischen Twittermitteilungen von einem Freund der drei Häuser weiter wohnt. Mitteilungen durch die ich erfahre, dass er oder ein weiterer Freund einen Fahrrad-Unfall hatten. Und ich möchte gar nicht so genau wissen, wie oft schon Beziehungen über eine #Twitter Nachricht beendet wurden.
Erst hieß es: die Welt schreibt SMS. Heute heißt es: die Welt twittert. Morgen heißt es vielleicht: die Welt lässt über das Handy permanent einen Video-Livestream bei jeder Person mitlaufen. - Wie alle großen Bewegungen, ist auch das Internet ein Widerspruch in sich selbst. Sowie jede große #Revolution, wissenschaftliche Errungenschaften oder sei es auch die #Emanzipation der Frau - all diese Bewegungen lösen Probleme und bringen neue Probleme hervor. Und alle Medien wurden von denen geschaffen die es auch nutzen: vom Menschen. Die Gefahr die von diesen Medien ausgeht ist: der Mensch.
Ich war mir nicht sicher, ob das Thema für interscenar.io relevant sei, aber hatte mich letztendlich entschieden, diesen Artikel dennoch hier rein zustellen. Dieser Artikel will sich vielleicht damit befassen, wie wir das Internet nutzen können, dabei aber unseren Bezug zur Realität behalten oder konstruktiv mit der virtuellen Welt verknüpfen können. Internetjunkies und Pros können getrost - nennen wir sie mal vorsichtig: - technische Passagen, die hier selten aber gelegentlich auftauchen, überfliegen. Können aber vielleicht dem hier gemachten Denk-Schritt zurück gehen und der Beleuchtung "von der Seite" etwas abgewinnen. Vorrangig soll hier jedoch mehr ein gesellschaftlicher, ein sozialkritischer Aspekt, diskutiert werden, als denn das Internet im technischen Sinne. Ich habe für diesen Artikel bewusst versucht eine umgangssprachlichere und symbolische Schreibweise zu verwenden.
Meine Rot-Grün-Gelbe Pyramide:
Ich betrachte - vereinfacht gesagt - technische Errungenschaften wie eine Pyramide mit drei unterschiedlich gefärbten Bereichen: Die Spitze ist rot gefärbt und geht zur Mitte in ein weiches grün über, wird unten am breiten Fuß zu einem Gelb. Die Spitze symbolisiert die neuesten technischen Möglichkeiten, die aber nur von Wenigen bereits genutzt werden und noch nicht auf alle Konsequenzen geprüft wurden. Während der breite gelbliche Fuß unten die breite Masse symbolisiert, zu der sich bereits ältere technische Errungenschaften herumgesprochen haben und welche alltäglich genutzt werden. Dieser Fuß der Pyramide ist aber in altem gelb gefärbt, weil diese technischen Möglichkeiten vielleicht bereits veraltet sind und wahrscheinlich bald nicht mehr erneuert oder "offiziell" unterstützt werden - keine Zukunft haben. Der grüne mittlere Bereich unter der Spitze der Pyramide beschreibt hingegen genau die Übergangszeit, in der zunehmend Menschen sich dieser technischen Neuentwicklung angeschlossen haben, Testberichte sich häufen, als auch Verbesserungen und Kritik bereits im Gange sind. Diese Pyramide wiederholt sich seit Beginn des Industriezeitlalters ständig, so meine These. Mit jeder neuen Entdeckung oder jedem neuen Trend.
Was denkt ihr? Wo befinden wir uns in Sachen Internet?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns noch im Übergangsbereich von Rot zu Grün, oder schon im Dunkelgrünen Bereich befinden. Aber eines weiß ich gewiss: Kritik gibt es trotz Begeisterung eine Menge zu üben - so wie bei vielen anderen technischen Neuerungen oder anderen Medien auch. Foren und Blogs sind voll von Diskussionen über das Netz und seine Vor - und Nachteile. Ich möchte diese hier auch nicht wiederholen. Witziger Weise finden die Diskussionen über die Kritik an bestimmten Medien immer in ihrem eigenen Medium statt. Vielmehr möchte ich konstruktiv über die Anwendung als denn über das Ja oder Nein zum Netz diskutieren - laut nachdenken.
Optimale Nutzung des Internets:
Um vorerst einmal meine vorangestellte Frage der optimalen Nutzung zu beleuchten, müsste ich einen typischen Internetgang meinerseits kurz schildern: Es öffnen sich zumeist zwei Programme als erstes am Rechner. Das Email Programm und der Browser. Nachdem ich alle Spams die mein Spamfilter nicht erfassen konnte gelöscht habe, lese ich alle relevanten Mails und gehe direkt danach zum Browser über. Im Hinterkopf mache ich mir über die Email-Antworten Gedanken. Im Browser versuche ich so gut ich kann Informationsfluten zu filtern und auf die für mich relevanten Dinge runter zu dezimieren und zu konzentrieren. Dazu gehört natürlich ein Popup-Blocker, ein vorkonfigurierter Browser für Bookmarks und Extratools, sowie eine gut trainierte Google Suche, die auf Zeit, Ort und Inhalt eingrenzt. Ich kann nur jedem Internetnutzer zur Zeitersparnis anraten, sich mit den Suchmaschinen mal genauer zu befassen, damit man nicht versehentlich einen technischen Artikel aus dem Jahre 1998 öffnet, ohne dass der Artikel einem das freundlicher Weise mitteilt - Archivartikel sind oft nicht mehr mit Datum versehen. Seit Längerem mache ich mir auch wieder Handnotizen zu den Fragen über die ich im Internet recherchiere, weil ich merkte, dass man sich sonst schnell auf Blogs, Infoseiten, und deren benachbarten Themen in endlose Tiefen verrennt. Meine Emails beantworte ich im Übrigen leider oft erst am nächsten Tag, wenn ich das Email-Programm erneut geöffnet habe. Vermutlich habe ich mich am Vortag wiedereinmal in einer Internet-Recherche verrannt.
Im Internet Tagebuch führen? Twitter?
Ich persönlich warne vor der Nutzung von Twitter für persönliche Statusmeldungen per Handy, da hier wirklich der absolute Realitätsverlust mit einher gehen kann ohne dass man es selbst merkt. Wer anfängt zu kommentieren, wie er sich eine Tütensuppe zubereitet, kann sich weder auf die Tütensuppe noch auf andere Dinge im Kopf konzentrieren. Geschweige denn auf Denjenigen, der vielleicht im selben Augenblick die Küche betritt und zu dir sagt: Ich liebe dich. Der respektvolle Umgang mit Lebewesen in der realen Welt um dich herum wird eingeschränkt, wenn man parallel dazu eine virtuelle Welt versucht zu meistern. Das gilt wie gesagt für alle Medien. Diese Anmerkung könnte also genauso aus einer Debatte über das Fernsehen aus dem Jahre 1970 stammen, der Startzeit heute als Klassiker geltender TV-Serien.
Gibt es einen Fokus? - Das Warum - Die Qualität.
Der Fokus ist glaube ich ein Schlüssel. Während in manchen Haushalten der Fernseher rund um die Uhr in den Kopf "hämmert", haben andere - z.B. ich zu Zeiten als ich noch einen Fernseher besaß - ausgewählte Sendungen und Spielfilme ausgewählt und bewusst fokussiert. Aber nicht nur im Internet oder Fernsehen, sondern auch überall sonst im Leben. Mit einem konkreten Fokus kann möglicherweise im Falle des Internets oder Fernsehens eine Art Suchtverhalten, wie es schon häufig diskutiert wurde, vermieden werden. Aber hier können wir uns auch ganz schnell verrennen - den Fokus verlieren, weil: Fokus ist ein Denkkonzept welches in vielseitiger Wechselwirkung mit unserer Lebensauffassung als auch psychischer und physischer Verfassung verstrickt ist. Also andersherum, konstruktiver gefragt: Was kann das Internet mir bieten, was andere Medien nicht können um beim Thema zu bleiben?
Nun, zum Beispiel das Finden seltener Musik, weil das Internet keine redaktionelle Vorauswahl trifft, sowie es Fernsehsender oder Radiostationen tun müssen, um ihre Zielgruppen besser auszumachen. Oder das schnellere und/oder demokratischere Zulassen anderer Blickwinkel auf aktuelle Geschehnisse, wissenschaftliche Erkenntnisse, mit der Möglichkeit vielseitiger und offener hinterfragen oder angreifen zu können, mehr Möglichkeiten für Thesen oder Gegendarstellungen, die den Weg in Bücher oder Zeitschriften noch nicht gefunden haben, so wie interscenar.io, zum Beispiel. Des Weiteren sls Kommunikationsmittel, wie Email oder Serviceseiten auf denen ein Gewerbe Kontakt zu seinen Kunden hält oder schnellere Hilfe bieten kann. Oder in Form von Webseiten, auf denen man Werbung in eigener Sache betreibt und für jeden nachlesbar hinterlässt. Oder zur alternativen Nutzung von klassischen Medien wie Radio und Fernsehen und Film nach individuelleren Kriterien in Internetkanälen. Oder als klassisches Nachschlagewerk, weil das Blättern in Lexika oder anderen altertümlichen Suchformen oft länger dauert als das Eintippen gut gewählter Suchbegriffe in Suchmaschinen oder Online-Nachschlagewerken. Die Warnung vor eventuell unsachlichen Inhalten im Internet - wie zum Beispiel die ewige Diskussion über Wikipedia - sollte man dabei zwar (wie immer auch in anderen Medien) ernst nehmen und vergleichsweise verschiedene Quellen zu Rate ziehen. Aber man sollte die Warnungen nicht absolut annehmen. Das Internet dahingehend zu dämonisieren wäre absoluter Unfug und mindestens genauso unsachlich. Denn wie oft wurden Geschichtsbücher umgeschrieben, wie oft haben sich wissenschaftliche Erkenntnisse als völlig falsch und als Gegenteil einer neueren Erkenntnis herausgestellt, wurden dabei aber Jahrzehnte lang in Fachzeitschriften oder hoch angesehener Fachliteratur fortwährend propagiert und können schlecht - da gedruckt - bei jeder neuen Erkenntnis in bestehenden Auflagen korrigiert werden. Internet unterliegt dem Menschen als der Inhaltgeber genauso, wie andere Medien. Die Prüfung der Inhalte ist zwar in anderen Medien strenger, aber dafür sind andere Medien wie geschildert langsamer darin ihre Inhalte zu korrigieren als im Internet. Von Sachlichkeit in Fernsehsendungen wollen wir da gar nicht erst anfangen.
Mögliches Fazit:
Wer für sich genau eingrenzen kann, warum und wofür er das Internet nutzen kann oder braucht, kann möglicherweise auch gut eine Zeit-optimierte und der Realität weniger absprechende Variante der Internetnutzung für sich finden.
Bei aller Kritik als auch mir innewohnender Bedenken gegenüber dem Internet und anderer Medien: Das Internet scheint - so wie die damalige Furcht vor Großstädten und Metropolen welche vornehmlich bei Traditionswächtern oder starr religiösen Verfechtern alter Werte zu beobachten war - ein Sündenpfuhl und ein Ort der Aufklärung zugleich zu sein.
Aber wie Großstädte bewiesen haben, kann man bei dem Willen es richtig umzusetzen, die Menschheit in ihrer Weiterentwicklung ein großes Stück voran bringen.
Sarah Bies (Autorin bei interscenar.io):
In der Tat ein sehr komplexes Thema, welches - wie man sieht - viele Dimensionen aufgreift. Was die technische betrifft, kann ich immer etwas hinzulernen, musste also bis jetzt keine Passagen überfliegen.
Das Internet und der Realitätsverlust: Wie oben bereits erwähnt - Die Gefahr besteht überall, wo Medien einen Anlaufpunkt bieten, wo sie ein kompensatorisches Element darstellen. Nicht umsonst fällt in letzter Zeit immer häufiger der Begriff der Medienkompetenz. Hier muss man zwischen Inhalt und Form, in dem Falle Medium unterscheiden. Ob jemand sich bspw. pornographische Bilder im Internet anguckt, einen Porno "liest" oder sich die Low-productions im Fernsehen anguckt ... es wird dasselbe Bedürfnis im Individuum bedient. Hier kann der Inhalt kritisiert werden. Das Medium tritt bei manchen Phänomenen vielleicht insofern in den Hintergrund, als dass das Individuum, um Kompensation bemüht, nach Niederschwelligkeit wählt.
Unabhängig davon, bestimmt die Form den Inhalt zuweilen. Ein aktueller wissenschaftlicher Diskurs verliert häufig seine Aktualität auf dem Weg zur Veröffentlichung. Gerade beim wissenschaftlichen Arbeiten muss man auf neue Studien und Erkenntnisse zurückgreifen, die der Diskurs in Büchern - und das ist dem langen Verfahren von der Idee zum Buch geschuldet - zum Teil nicht bietet. Viele Studien und Erkenntnisse finden ihren Weg aufgrund der Verlagssituation erst gar nicht zum Publikum.
Bezeichnend für die Kritik am Internet ist auch, dass sie im Internet stattfindet. Hier kann ich mich meinen Vorredner kurzum nur anschließen: Das Internet zu dämonisieren, ist zu einfach. Das Internet bietet für alles Platz. Natürlich auch für Dinge oder Konzepte, die wir ablehnen. Aber diese existieren auch ohne das Netz. Natürlich können sich Verfechter bestimmter Ideale, die den eigenen widersprechen, besser "finden", aber das gilt für alle. Statt das Internet zu dämonisieren, wäre es wohl besser, Ursachenforschung für diese nicht gern gesehenen Phänomene zu betreiben und zu versuchen, Fragen, die sich ergeben, gesellschaftlich zu beantworten. Das Medium kann kein Sündenbock sein, es entlarvt schließlich lediglich die Probleme, die gesellschaftlich verursacht werden, in all seiner Vielfalt - und das in kürzester Zeit.
Was in der Einleitung des Artikels schon zum Tragen kommt: das Internet kann sowohl soziale Kontakte fördern als auch hemmen. Zum Teil kann es auch virtuelle Kontakte fördern und dadurch reale hemmen. Das muss natürlich nicht der Fall sein. Das Medium, und der Umgang mit diesem, zeigt wohl immer auch ein bisschen den Menschen. Wir sollten dem Internet, d.h. den Menschen, die sich hier aufhalten, allerdings keine Unschuld bescheinigen. Genau wie auf jeder anderen Plattform, unterliegt die Nutzung einer gewissen Verantwortung.
Interessanter Artikel, der - wie man merkt - viele Fragestellungen weckt, in deren Beantwortungsversuch man sich verlieren kann. Ich jedenfalls koch jetzt erstmal eine Tütensuppe.
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