Der verblasste Glanz der Glitterwelt

Gabor Munier
Geschrieben von:

Gabor Munièr

Autor, freier Kolumnist, Essayist

Das gescheiterte Prominenz-Prinzip

Der verblasste Glanz der Glitterwelt

Der Ruhm vergangener Tage blättert

Preview Abbildung des Oscar Awards

Oscar" | screenshot of a video at 00:45 | by Deutsches Filmmuseum | ©  Standard YouTube License

Preview Foto des roten Teppichs bei den Emmy Awards 2010 in Los Angeles

"Red Carpet Arrivals" (Creative Emmy Awards 2010) | photo by Marco Recuay | provided by flickr | ©  CC BY SA 2.0

Preview Abbildung von einem roten Teppich

"Red Carpet". | photo by We Are Social | provided by flickr | ©  CC BY-SA 2.0

Preview Abbildung von ankommenden Stars auf dem roten Teppic

"Arriving on Red Carpet" | photo by Alan Light | provided by Wikimedia Commons | ©  CC BY-SA 2.0

Preview Abbildung von Amanda Lepore auf rotem Teppich

Life Ball 2014 Red Carpet Amanda Lepore" | photo by Manfred Werner/Tsui | provided by Wikimedia Commons | ©  CC BY-SA 3.0

Preview Abbildung von Models in Kleidung aus roten Einkaufsbeuteln

"The Red Carpet" | photo by Photocapy | provided by flickr | ©  CC-BY-SA-2.0

Themen Bereich
Lesedauer: 6 mins

Carl Laemmle senior (* 17. Januar 1867 in Laupheim; † 24. September 1939 in Beverly Hills; eigentlich Karl Lämmle) war ein deutschamerikanischer Filmproduzent, der 1912 die Universal Studios in Universal City im Los Angeles County begründete und bis 1936 leitete. In dieser Funktion gehörte er zu den mächtigsten Studiobossen seiner Zeit und war Produzent von über 400 Filmen. Er gehörte zu den einflussreichsten Filmpionieren der amerikanischen Filmgeschichte und wird auch als einer der Gründerväter von Hollywood bezeichnet. Laemmle war maßgeblich beteiligt, als eine neue Kunstform kreiert wurde, der Spielfilm. Er erkannte als einer der ersten, dass man die Massen für diese Kunst begeistern kann. Karl Lämmle auf Wikipedia

Was viele nicht wissen, es war ein Schwabe, der sich damals auf den Weg machte und mit seiner Grundauffassung, wie das damals neue Filmzeitalter bald funktionieren könne, quasi Hollywood wie wir es heute kennen, begründete. Nur noch eine verstaubte Statur auf dem hintersten Gang in einem der großen Studios im sonnigen Kalifornien erinnert daran zaghaft, wie ein Herr Lämmle, der mit Groschenkinos an der Ostküste anfing und mit dem Plan, unter der Sonne mit optimalen Lichtbedingungen und billigen Arbeitskräften noch viel Größeres zu erschaffen, ein weltweit für großes Kino stehendes Denkmal an die Hollywood Hügel stellte. Davor gab es da damals nur Kühe auf der Weide. Und Schweine im Stall. Ein Witzbold würde jetzt anmerken: "Ja und dann haben sie einfach ein Studio um sie herum gebaut und die Kamera auf sie gerichtet!"

Andere Filmpioniere lachten ihn damals aus, war die Ostküste doch derzeit der große Sogpunkt aller Zukunft. Aber als sie merkten, dass sich sein Plan wirtschaftlich auszahlte - ja! mit Zahlen kannte sich der Pfennigfuchser von den Straßen der Ostküste aus, denn so hat er sich Groschen für Groschen von der Straße hochgearbeitet zum Filmproduzenten - , da wurden sie aufmerksam und es wurde ein neuer Sogpunkt in Sachen Film geschaffen. An der damals noch sehr ländlichen Westküste.

Von nun an hörte man auf Lämmles Ideen und eine davon sollte unserer späteres Empfinden und Funktionieren in Sachen Film bis heute stark prägen: Er kam auf die Idee, dass es doch gar nicht so schlecht wäre, wenn man die damals noch meist namenlosen austauschbaren Akteure vor der Kamera bei dem Publikum, den Leuten die die Filme schauen, zu interessanten Persönlichkeiten hoch stilisiert, die Figuren die immer wieder in Filmen auftauchen, zu bekannten Größen avanciert, um so noch mehr Anreiz beim Publikum zu schaffen in die Folgefilme zu gehen, die den selben Akteur im Bild haben. Er ergänzte die Idee mit dem Vorschlag diese Personen namentlich im Film aufzuzählen und legte damit weiterhin den Grundstein für das was wir heute den Abspann nennen. Auf jeden Fall fing an sich alles dahin gehend zu verschieben, dass mit der Anwesenheit von solchen Stars Filme oder Musik Erfolg hatten und Lämmle hatte wieder einmal recht behalten. Das mag für heutige Leser banal klingen, aber das war es damals alles bei Leibe nicht. Das war eine absolute Innovation! Hier wurde der Grundstein für das gelegt, was wir heute mit einer fast schon angestaubten Selbstverständlichkeit einen Filmstar nennen. Ein Phänomen, was sich erstaunlich lang gehalten hat, wenn man bedenkt, wie schnell doch gewisse Trends kommen und gehen. Auch damals schon.

Der prominente Medienstar war damals alles andere als normal. Es war etwas völlig Neues. Die damals noch kleine aber wachsende Filmindustrie war ebenso wie die Musikindustrie zu der Zeit gerade erst dabei all die Mechanismen für sich zu entdecken, die wir heute als Schnee von Gestern betrachten. Und einer ihrer größten Coups war der Star! Die Leute begannen alles erdenkliche in diese Personen hinein zu projizieren und die zuständigen Produzenten in Film und Musik förderten dies natürlich nach besten Gewissen und begannen deren Fotos an die Presse zu geben und auf die Filmplakate und Schallplatten zu heften. Ihre Namen wurden plötzlich zu Schlagworten und es dauerte nicht lang bis diese Personen auch zu allen Fragen der Welt befragt wurden, als seien sie der Präsident der Vereinigten Staaten.

Das war damals, zu den Anfängen des Medienrummels. Und schon da zeichnete sich ab was heute gängiges Wissen ist: Nicht jeder Star ist wirklich einer. Denn hier vermischen sich Erwartungen, Marketing und Realität. Zu den absoluten Topzeiten des Starkults jedoch interessierte das Keinen. Und Kinder wie Erwachsene, Mädchen wie Jungen, Frauen wie Männer, wurden einfach ohnmächtig, fielen einfach um, wenn sie realisierten, dass Michael Jackson das Kaufhaus betrat in dem sie sich gerade befanden. Zu Zeiten wo Lämmle auf die Idee kam, diesen damals völlig unbedeutenden Akteuren vor der Kamera als Protagonisten "Namen" zu geben war das noch völlig unvorstellbar.

Aber nicht nur damals war das merkwürdig. Es war eigentlich zu jeder Zeit merkwürdig und absurd. Es ist ein völlig debiles und ausschließlich kosmopolitisches menschliches Wohlstands-Phänomen, welches in den Wäldern des Amazonas sicher auf wenig Verständnis gestoßen wäre, wenn man es versucht hätte zu erklären und welches aber auch heute zunehmend in der Medienwelt in Vergessenheit gerät. Im Zeitalter des Internets verfliegt der Fokus auf einzelne Medienstars. Zu gierig wurde auch die Medienindustrie am Zenit und installierte zu viele gegenseitig konkurrierende Stars auf der Bühne. Das Lämmle Prinzip fing schon auf dem Zenit seiner Epoche an sich gegenseitig auszulöschen. Trend fallend. Heute ist durch die sozialen Netzwerke jeder ein kleiner Star auf seiner Timeline (Bühne) und es wird applaudiert (geliked). Reality TV Trash hat's vorgemacht, das Netz hat's aufgegriffen. Jeder schaut jedem ins Wohnzimmer. Das Star-Prinzip, welches vor allem durch die Vorstellung "normal" lebender Menschen gefüttert wurde, wie es wohl sein müsse immer im Rampenlicht zu stehen und das einen jeder kennt, hatte an Mythos verloren, da man nun im kleinen selbst erleben konnte wie banal es eigentlich ist im Rampenlicht zu stehen.

Eine gesunde Ernüchterung nenne ich das, auch wenn damit nicht nur Vorteile einher gehen. Ich hätte als bekennender Gegner der Starkultur und der roten Teppiche nicht gedacht dass ich das mal sagen würde. Aber ich denke was mich am meisten dazu verleitet sind all diese noch viel furchtbareren Nachahmer und Pseudostars der "Nach-Ära". Der Abgesang scheint nicht ganz ohne Schmerzen vorrüber zugehen wenn man sich heutige Schlusslichter der Starkultur so anschaut. So vermisse ich Stars die wirklich welche sind, schon ein wenig. Waren sie ja schon auch gewissermaßen Auserwählte für ihren Dienst an der Gesellschaft. Das konnte/durfte damals nicht jeder. Ihr Charisma, ihre Fähigkeit durch ihren Einfluss auch Positives zu bewirken. Ja sie konnten im besten Falle sogar Leitfiguren sein. Was sie nicht immer im positiven Sinne nutzten. Und vor allem waren sie mir allemal lieber anzuschauen als die C-Promis, heutige inflatiös aufkommenden dritt-klassigen Medienfiguren, Facebook-Blogger oder Tweet-Queens, die heute mehr und mehr die roten Teppiche säumen, inklusive sogenannter Youtube-Stars und die Abgründe, die sich in der deutschen Filmlandschaft zunehmend auftun.

Das Gute daran ist: all das fördert nur noch mehr und mehr den Untergang des sogenannten Star-Zeitalters und irgendwann wird es wieder so sein wie vor Lämmles Zeit. Zumindest was Akteure betrifft, die durch irgendwelche Film, Theater- oder Musik-Kunstwerke stolpern. Vielleicht steht dann ja bald wieder das Werk im Vordergrund. Einige Künstler versuchen schon seit Längerem darauf hinzudeuten in dem sie sich völlig zurück nehmen und nur ihre Arbeit in den Vordergrund stellen. Durch die Verbreitungsmöglichkeiten im Netz hat das aus meiner Sicht sogar wieder reale Chancen zu funktionieren. Auch und insbesondere in Musik und Film.

Comments

VonUndZu

Was soll das denn?? Unkenrufe! Was bleibt einem denn noch außer ein paar Promis die sich daneben benehmen wenn man sich umschaut! Sonst geht doch keiner ins Kino!

EmiliaR

@VonUndZu: Kann es sein dass sie den Artikel missverstanden haben??

EmiliaR

@Gabór Munièr: Wie immer würzig knackig zart! :-) Köstliche Lektüre! Auch wenn ich glaube dass, sie das nicht immer alles so ernst meinen ;-) Liebe Grüße von einem Lesefan!

Marlon-André

Immer diese Schwaben :) Da wurde knapp vor 100 Jahren der Film geboren und nun prophezeien schon so Einige das Ende des Films. Ob der Film ein zeitloses Medium ist, wie Bücher, Opern oder Theater, wird sich noch zeigen. Ich würde mich freuen wenn es so kommt. Auch wenn es dazu Veränderung bedarf. Doch die Filmbranche erlebt ja auch gerade viele Auf und Abs und scheint in einer Art "Wechseljahre" zu sein. Alles ziemlich launisch. Aber ich hoffe...

Add new comment

The content of this field is kept private and will not be shown publicly.

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Lines and paragraphs break automatically.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.