Wie habe ich diesem ruhigen und verkaterten Tag entgegen gefiebert, mich nach dieser ruhigen Stunde gesehnt, in der endlich all dieser Dezember-Wahnsinn ein Ende hat! Es ist soweit! Der Tag danach. Es ist wie der Tag nach einem Krieg, wie auf den Fotos, die man vom Ende des 2. Weltkrieges kennt: Die ganze Stadt liegt in Trümmern und im Nebel der vorherigen Gefechtfeuer und eine für die meisten wohl eher „unheimliche“ Ruhe, eine Ruhe die ich weder als beklemmend noch unheimlich sondern als angenehmes Ergebnis einer Entladung empfinde, macht sich breit.
Es ist die tote Stadt nach der Silvesternacht. Der Mob hat sich im #Dezember ausgetobt und nun kehrt Frieden ein. Der einzige Frieden an den ich glaube, und in den ich vollstes Vertrauen habe ist der Frieden aus der Erschöpfung. Er ist unanfechtbar da endgültig. Die Gesellschaft ist erschöpft vom großen Festmonat, und das ist gut so. Es ist die Zeit in der wieder alle empfindlichen Wesen ihre Verstecke verlassen können und wieder sicher die Straße überqueren können, wo wieder den kleinen und schönen zierlichen Dingen Aufmerksamkeit geschenkt werden kann, der Konsumwahnsinn sich totgelaufen hat, die pompösen brachialen Weihnachtsbeleuchtungen und Silvester-Trompeten verstummt sind, der Suff dem Mob einen Kater beschert hat, wodurch dieser nun Gott-sei-Dank nicht anzutreffen ist. Es ist der wohl glückseligste Moment eines Menschen im Jahr, der weiß wozu der Pöbel fähig ist. Eine ausgepowerte Stadt im Morgengrauen, an einem Sonntagmorgen, nach dem großen Fest. Der Ruhetag!
Ein guter Freund von mir pflegt in solchen Momenten aus einem seiner Theaterstücke eine passende Zeile zu zitieren, in der es darum geht, wofür Feste gemacht sind und wer jene sind, die diese Feste tatsächlich feiern und genießen. Aber leider darf ich aus seinen Texten nicht zitieren. Es ist ein so wunderbar treffliches Zitat. Aber ich konnte es mir nicht verkneifen zu erwähnen. Das einzig Gute an solchen Festmonaten und auch nicht unerwähnt gebliebene in besagtem Theaterzitat ist wohl, dass viele Menschen, denen diese Feste nichts bedeuten, zu dieser Zeit viel Geld an den anderen verdient haben und nun geruhsam einen Vorsprung in ihrer Lebensplanung genießen können, während der Rest der Meute einen Monat ihres Lebens für etwas verschwendet haben, was nichts außer Zeit und Geld gekostet hat. Aber das klingt so garnicht feierlich.
Ja ich weiß, es liest sich wie der Text geschrieben von einem Weihnachtsgrinch oder gar von #Scrooge selbst, dem Bösewicht aus „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Aber man muss sich auch fragen warum diese Figuren erfunden wurden und warum sie so eindimensional dargestellt sind. Denn so ganz unrecht haben sie ja nicht. Ich hatte immer vollstes Verständnis für die schlechte Laune von Scrooge, wenn er im Weihnachtsmonat durch den Schnee der kleinen Stadt watete und der dämlich grinsende Mob auf der Straße solch aufgesetzte programmierte gute Laune hatte und voller Vorfreude darüber war, sich gegenseitig wieder mit Müll zu beschenken wofür sie ein Jahr gespart haben, nur damit das „Fest der Liebe“ wieder schön wie jedes Jahr ablaufen kann und der Konsum am Leben bleibt.
Es ist wenn man bis hierhin gelesen hat kein Geheimnis mehr: Ich mag solch große Feste nicht, und so mag ich auch Weihnachten nicht. Das Fest der Liebe ist ein Fest der Ausgrenzung, denn die „Liebe“ bekommt in solchen Zeiten nur geschenkt, wer für solche Feste gerüstet ist. Der Rest muss draußen bleiben. Und wie viel das alles wirklich mit Liebe zu tun hat, oder gar mit Besonnenheit, falls sich noch jemand an das Wort im Kontext zu Weihnachten erinnert, also wie besonnen und liebevoll das Fest tatsächlich ist, sieht man ja, wenn man mal in den Festmonaten versucht ganz normal für die alltäglichen Dinge einkaufen zu gehen. Das grenzt schon an ein lebensgefährliches Unterfangen.
Die westliche Welt hat all ihre traditionellen Feste zu großen Konsumrausch- und Konfetti-Disco-Tiraden verkommen lassen und wundert sich, dass es nun Menschen aus ihrer Mitte gibt, die vor diesem Wahnsinn fliehen wollen. Ich kenne einige, ja zugegeben meist Künstler, so auch den Autor des oben erwähnten Zitats, die genau in diesem Monat am liebsten an das andere Ende der Welt flüchten oder an den Nordpol, um sich zu besinnen und inneren Frieden zu finden, während hier in Mitteleuropa sich das Oktoberfest direkt zum Wettrennen von Weihnachtsmärkten, Fressbuden und Einkaufsmeilen verlängert hat.
Und damit ist noch nicht genug, denn es wäre nicht Dezember, wenn da nicht noch ein Höhepunkt auf sich warten würde: In der Silvesternacht laufen die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf Hochtouren und bereits vor Null Uhr wurden einigen Menschen weggefetzte Gliedmaßen amputiert. Und während im Rest des Jahres solch Feuerwerk als Sprengstoff geahndet wird, spielt der Mob damit zum Jahreswechsel Krieg auf den Straßen und erfreut sich über all die heulenden und knallenden Geräusche, die von einigen Generationen mit ganz anderen Zeiten in Verbindung gebracht werden. Da zeigt sich unser pyromanisches und kriegerisches Potenzial und darf in dieser Nacht ausgelebt werden! Ein Hoch auf den Menschen in seiner niedrigsten Form.
Wie irrwitzig, dass es ausgerechnet nach dem göttlichen Fest der Liebe und der Geburt Christi zu solch einem aggressiven Akt teuflischen Ausmaßes kommt, nach welchem es dann in der ganzen Stadt wohlgemerkt nach Schwefel riecht. Die Hölle hat ihre Tore wohl weit geöffnet und so manch einer hat seinen Weg dahin gefunden in dieser Nacht, so scheint mir. Wie ich es bis heute geschafft habe bei solch biblischen Ausmaßen der sich jährlich wiederholenden Geschichte Atheist zu bleiben, scheint mir fast schon in einer Sturheit begründet, die uns Atheisten uneingestanden zu eigen ist, und die wir mit unseren gläubigen Mitmenschen und ihrer Auffassung teilen ohne es zugeben zu wollen.
Egal welcher Glaubensrichtung oder nicht Sie angehören, egal aus welchem Teil der Welt Sie zuschauen oder diesen Artikel lesen oder all das Unsägliche kopfschüttelnd oder mit Begeisterung beobachten, ich wünsche Ihnen allen für den Rest des neuen Jahres die nötige Besonnenheit, damit wir halbwegs friedfertig miteinander auskommen und das Leben ein Stück weit lebenswert machen können. Für alle Menschen, und nicht nur für jene, die glauben ein Vorrecht darauf zu haben.
Das ist mein aufrichtig gemeinter Neujahrswunsch. Und diesen abzusenden, damit muss ich mich beeilen, denn es dauert nicht mehr lang, dann stehen schon wieder die nächsten Schokoladenweihnachtsmänner höhnisch grinsend in den Supermarktregalen.
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Ja man hätte gut Lust so manchen Bengel der neben einem nen Böller fallen läßt direkt mit seinem Hintern drauf zu setzen bevor der hochgeht. Aber das ist wahrscheinlich unnötig da die eh schon so dämlich sind sich hinreichend selbst zu verletzen. Nur traurig dass das durch unsere Krankenkassenbeiträge mitfinanziert wird.
Diese Stimmung scheint alle Jahre wieder auf Fassette aufgegriffen zu werden. Ich war schon in vorfreudiger Erwartung über den diesjährigen Verriss des Jahreswechsels auf Fassette und wurde nicht enttäuscht :-) Interessant ist dass nun meh rund mehr auch andere Zeitungen diese Tendenz aufgreifen und ich zunehmens ähnliche Wortmeldungen aderswo zur Kenntnis nehme. Gut gut, vllt. ändert sich da ja was im allgemeinen Bewusstsein. Wäre ja nicht das Schlechteste.
Laut aktuellen Umfragen (Dez. 2019) sind 57% für ein Böllerverbot. Dieses Jahr wird es schon vermehrt "Böller-freie Zonen geben" und auch einige Supermärkte und Baumärkte haben sich gegen den Verkauf von Feuerwerksartikeln entschieden. Es geht also voran.
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