Gerald Clarke über Truman Capote

Ramon Schack
Geschrieben von:

Ramon Schack

Diplom-Politologe, Journalist und Publizist

Im Interview 2 Jahre nach dem Buch

Gerald Clarke über Truman Capote

Die legendäre Biografie

Preview Abbildung von Truman Capote 1924

"Truman Capote 1924". | photo by Carl Van Vechten | provided by Wikimedia Commons | © This work is from the Carl Van Vechten Photographs collection at the Library of Congress. According to the library, there are no known copyright restrictions on the use of this work.

Preview Abbildung von Truman Capote

Truman Capote fotografiert von Roger Higgins im Jahr 1959. Aus der "New York World-Telegram and Sun collection at the Library of Congress". | photo by Roger Higgins | © Public Domain Library of Congress

Preview Abbildung einer Fotografie von Truman Capote

"Truman Capote Photograph". | photo by unknown photographer | provided by Wikimedia Commons | © Public Domain

Preview Abbildung von Truman Capote fotografiert von Roger Higgins

"Truman Capote NYWTS". | photo by Roger Higgins | provided by Wikimedia Commons | © This work is from the New York World-Telegram and Sun collection at the Library of Congress. According to the library, there are no known copyright restrictions on the use of this work.

Preview Abbildung von Truman Capote und Richard Brooks

"Aankomst schrijver Truman Capote en regisseur Richard Brooks op Schiphol". (v.l.n.r.) | photo by Eric Koch / Anefo | provided by Nationaal Archief | © Public Domain

Preview Abbildung von Truman Capote mit Katze auf Arm

"Truman Capote cuddles Kitty 1967". | photo by monica | provided by Flickr | © CC BY-NC-ND 2.0

Preview Abbildung von Truman Capote von Jack Mitchell

"Truman Capote by Jack Mitchell". | photo by Jack Mitchell | provided by Wikimedia Commons | © CC BY-SA 2.0

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Lesedauer: 9 mins

Vor 25 Jahren starb einer der bekanntesten Vertreter des New Journalism sowie Autor von Büchern wie "Frühstück bei Tiffanies", "Cold Blood" oder "Die Grasharfe", Truman Capote. Seine Biografie war ein Who-Is-Who der damaligen Zeit und Gerald Clarke sein letzter Zeuge und Biograf.

Gerald Clarke wurde 1938 in San Francisco geboren. Er studierte Literaturwissenschaften und Sprachen. Als Journalist porträtierte Clarke für das Time Magazine, für den Rolling Stone und Esquire u. a. Marlene Dietrich, Laurence Olivier, Alfred Hitchcock, Wim Wenders, Allen Ginsberg oder Vladimir Nabokov. Gerald Clarke lebt auf Long Island. Clarke ist Autor des meisterhaften Werkes "Truman Capote. Eine Biographie" - Aus dem Amerikanischen von Brigitte Stein. Kein & Aber Verlag, Zürich 2007.

Ramon Schack führte für interscenar.io anlässlich des Todestages ein Interview mit Gerald Clarke, dem Biographen von Truman Capote 2 Jahre nach der Veröffentlichung des Buches mit Rück- und Einblicken zur Entstehungsgeschichte der Biografie eines Jahrhundert-Exzentrikers:

"Er war eine der bekanntesten Persönlichkeiten Amerikas ..."

 

I: 25 Jahre nach seinem Tod, scheint Truman Capote, als Schriftsteller und Persönlichkeit, so populär wie zu Lebzeiten. Wie erklären Sie sich die ungebrochene Ausstrahlungskraft von Truman Capote?

G.C.: Wenn ein Schriftsteller stirbt, geht es mit seinem Bekanntheitsgrad in der Regel abwärts. Wenn es sich um einen außergewöhnlich talentierten Schriftsteller handelt, wird sein Werk später von einer anderen Generation, 20-25 Jahre später, neu entdeckt. So ist es auch mit Capote geschehen. Während seiner letzten Lebensjahre, während seines dramatischen Niederganges, wurde Truman Capote von der Öffentlichkeit als ein kleiner amüsanter Mann, mit einer amüsanten, auffälligen Stimme, betrachtet, der zu viel trinkt.  Inzwischen ist eine neue Generation herangewachsen, die Truman Capote aus einer anderen Perspektive betrachtet, als das was er auch war, als einen Schriftsteller von Weltklasse.

Die Faszination, die Capote noch heute, wie auch zu seinen besten Zeiten, auf die Öffentlichkeit ausübt, ist  nicht nur auf die USA begrenzt. Ich erhalte regelmäßig Anfragen aus allen Teilen der Welt, aus Asien, Südamerika und Europa. Mein Schweizer Verlag, Kein& Aber, organisierte  vor 2 Jahren eine Lesetour für mich, in Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz. Ich war damals von der großen Anzahl der Zuhörer, sowie über das große Interesse an der Person Truman Capote, positiv überrascht.

I: Wann und wo sind Sie Truman Capote zum ersten Mal begegnet?

G.C.: Ich traf Capote 1970 zum ersten Mal in  Manhattan, auf einer Party von George Plimpton, einem bekannten Schriftsteller und Verleger. Die Party fand in Plimptons mondäner Penthous- Wohnung, mit Blick  auf den East- River statt.  Plimptons Parties wurden in der Regel von zahlreichen Prominenten und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte besucht. So war es auch an diesem Abend. Als Truman Capote den Raum betrat, reagierten die anderen Gäste allerdings, als hätte ein weltbekannter Filmstar den Raum betreten. Zu diesem Zeitpunkt war er auch sicherlich der bekannteste Schriftsteller der USA, mit einer- für einen Autoren außergewöhnlichen Prominenz.

Zwei Jahre später lernte ich ihn allerdings erst richtig kennen. Zu dieser Zeit hatte ich gerade eine Serie von Porträts berühmter Schriftsteller veröffentlicht. Gore Vidal, P.G. Wodehouse, Vladimier Nabokov und Allen Ginsberg, waren darunter. Als ich mein Porträt über Capote veröffentlichte, bat mich mein Verleger, eine Biographie über ihn zu schreiben. Ich rief ihn an und erkundigte mich ob er einverstanden wäre. Capote dachte 30 Sekunden darüber nach und sagte "Wieso nicht!"

I: Ging es Ihnen bei dieser Biographie ähnlich, wie Truman Capote mit den Hauptpersonen  in seinem Meisterwerk "Kaltblütig"? Waren Sie gezwungen, seinen Tod abzuwarten, um die Biographie beenden zu können?

G.C.: Als ich damit anfing, ging ich noch davon aus, dass Schreiben der Biographie von Truman Capote wäre ein amüsanter Zeitvertreib, ein großes Vergnügen, vor allem aber ein schnelles Unterfangen, bei zahlreichen gemeinsamen Mittag -und Abendessen, in teuren Restaurants, mit vielen Flachen Wein.

Es war auch oftmals amüsant, in der Tat gab es auch lange Mittag- und Abendessen, mit zahlreichen Flaschen Wein. Aber das Schreiben der Biographie  war weder einfach, noch  ging es schnell von der Hand. Ich habe 13 Jahre dafür gebraucht.

I: Wie kam es zu dieser zeitlichen Verzögerung?

G.C.: Ich sei ein Hängemattenbiograph, klagte Capote einmal, gegenüber einem gemeinsamen Bekannten. Zuerst drehe ich mich in meiner Hängematte auf diese Seite, sagte er, dann auf jene. Doch ich bringe nicht viel zu Papier. Wie sollte ich ihm auch erklären, dass dies seinen Grund hatte? Wie sollte ich ihm sagen, dass er meine Geschichte verändert hatte? Dass der Truman, über den ich zu schreiben begonnen hatte- der ausgelassene Truman, der obenauf war-, nicht mehr existierte?

Als ich mit der Biographie begann, rutschte Capote gerade in die tragischste Situation seines Lebens. Jahre von langanhaltenden Krisen, unglückliche, aufreibende Liebesaffären inklusive, dem Verstoß durch seine reichen Freunde, Schreibhemmungen, sowie einem sich verstärkenden Alkoholismus.  Das alles habe ich natürlich nicht voraussehen können. Auf eine gewisse Art, ging es mir dann wirklich wie Capote mit seinem Bestseller "Kaltblütig", ich konnte kein Ende finden. Mein Ende musste nicht zwangsläufig mit dem Tod von Capote zusammenhängen. Ich hatte immer gehofft, ein anderer literarischer Triumph  - wie beispielsweise "Kaltblütig", oder eine Phase der Ruhe und Stabilität, in seinem Leben, wären ihm vergönnt gewesen. Leider sollte es nicht mehr dazu kommen.

I: Von frühester Jugend an war Capote darauf bedacht berühmt zu werden. Wurde ihm sein Ruhm schließlich zum Verhängnis, ist sein Niedergang auch mit seiner Prominenz zu erklären?

G.C.: Wenn ich mit Truman Capote durch die Straßen von Manhattan spazierte, war es fast unmöglich nicht weiter aufzufallen. Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung grüßten ihn freundlich, baten um ein Autogramm. Sogar Autofahrer blieben stehen und riefen "Hey Truman!" Ich bin mit vielen Prominenten in der Öffentlichkeit unterwegs gewesen,  mit Filmstars, Politikern, Schriftstellern, aber Reaktionen, wie auf die Begegnungen mit Capote, habe ich selten erlebt. Die Menschen, nicht nur die literarisch gebildeten, haben ihn verehrt. Capote war damals omnipräsent, sein Konterfei  war regelmäßig auf den Titelseiten von Zeitungen und Magazinen  abgebildet, er war häufiger Gast in TV-Shows. Zu dieser Zeit war es fast unmöglich Capote zu übersehen, er war eine der bekanntesten Persönlichkeiten Amerikas. Die Menschen spürten, dass Capote, trotz seines gefürchteten Mundwerkes, trotz seiner öffentlich ausgetragenen Fehden mit anderen Prominenten, verletzlich war. So verletzlich wie wir alle sind, es aber meistens verbergen. Wenn man erst einmal prominent ist, bzw. einen gewissen Ruhm erlangt hat, ist es unmöglich diesen wieder loszuwerden. Im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit vollzieht sich der Niedergang noch deutlicher, als der Aufstieg. Truman musste diese Erfahrung in den 1970er Jahren machen, als sein langer Niedergang begann. Ruhm macht abhängiger als jede andere Droge. Hat man den Ruhm genossen, kann man nicht genug davon bekommen. Das war Trumans Schicksal- am Ende seines Lebens.

I: Was ist Ihre persönliche Meinung. Warum begann Capote mit der Arbeit, an seinem nie vollendetem Werk "Answered Prayers /Erhörte Gebete"? Handelte es sich um eine  persönliche Abrechnung, mit der Welt des Jetsets, der amerikanischen Oberschicht, einem Milieu zu dem Capote seit frühester Jugend Zugang hatte, oder eher um ein geplantes literarisches Sittengemälde?

G.C.: Capote begann schon in den 1950er Jahren über -Erhörte Gebete- nachzudenken. Als  Modelle, wie er es nannte, sollten ihm seine reichen Freunde dienen. Der Titel war einem Ausspruch entnommen, den er der heiligen Theresa de Jesús zuschrieb. Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen als über nicht erhörte. Es war eine Binsenweisheit, die er schon oft bestätigt gefunden hatte: Menschen, die ihre höchsten Ziele erreichen, sind selten glücklich. Fast immer kommt irgendetwas dazwischen, was die Träume in Albträume verwandelt.

I: Alleine die veröffentlichen Auszüge, führten schließlich zu Albträumen, bei den porträtierten Persönlichkeiten, wie auch bei Capote selbst.

G.C.: Richtig. An einem schönen Julitag nahm er mich zum Schwimmen mit, in Gloria Vanderbilts Pool in Southampton. Nachdem ich das Manuskript gelesen hatte, dabei nacheinander die wirklichen Vorbilder für seine Figuren entschlüsselt hatte, warnte ich ihn "Aber Truman, die werden sich darüber nicht gerade freuen." Auf dem Rücken dahintreibend, antwortete er träge "Ach wo, die sind zu dumm dazu. Die werden nicht wissen, wer das alles ist." Aber sie wussten es doch, und als die ersten Vorabdrucke in den Zeitungsständen erschienen, ließ ihr Zorn den Boden unter seinen Füßen erzittern. Türen, die ihm ein Leben lang offen standen, knallten jetzt zu. Jahrzehnte lange Freundschaften, gingen über Nacht in die Brüche. Das Drame von Capotes Niedergang erreichte eine neue Dimension. Bis zu seinem Tod sollte er sich nicht mehr davon erholen.

I: Wie hat Capote direkt darauf reagiert?

G.C.: In der Öffentlichkeit bedauerte Truman den Verlust so vieler Freundschaften, behauptete aber, sich vom Sturm der Entrüstung, den er ausgelöst hatte, nicht betroffen zu fühlen. Er dozierte ziemlich von oben herab über seine Mission als Künstler "Der Künstler ist ein gefährlicher Mensch, weil er sich jeglicher Beherrschung entzieht", verkündete er "er wird nur von seiner Kunst beherrscht" Aber im kleinen Kreis, spätabends und wenn er getrunken hatte, brach er manchmal in Tränen aus. "Ich wollte niemanden wehtun", schluchzte er. "Ich wusste nicht, dass die Geschichte einen solchen Wirbel verursachen würde."

I: Wie würden Sie Ihre persönliche Beziehung zu Truman Capote definieren? War er ein Freund?

G.C.: Ein Jahr, nachdem ich mit der Arbeit an der Biographie begonnen habe, wurde mir klar, das Capotes Leben sich schlagartig verändert hatte. Von da an glich sein beruflicher und privater Werdegang einer Achterbahnfahrt, aus der weder er noch ich entkommen konnten.

Mit ihm zusammen zu sein, wir verbrachten unzählige Stunden miteinander, war oftmals schmerzhaft. Aber, an was ich mich sehr gerne zurückerinnere, ist die Tatsache, wie amüsant diese Begegnungen immer waren. Wenn er nicht zu viel getrunken hatte, war Truman Capote  amüsanter, geistreicher und unterhaltsamer, auf höchstem Niveau, als alle anderen Menschen. Ein gemeinsames Mittag - oder Abendessen mit Capote war immer ein Vergnügen, wie man es sich kaum vorstellen kann. Er war ein sehr außergewöhnlicher Mensch.  Ja, wir wurden im Laufe der Zeit Freunde. Es war unmöglich , Truman zu kennen und Distanz zu halten.

I: Vielen Dank Gerald Clarke.

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