Karin Ugowski

Larissa Neuhofer
Geschrieben von:

Larissa Neuhofer

Kunsthistorikerin, Freie Kolumnistin

Im Interview

Karin Ugowski

Schauspielerin aus 3 Welten

Preview Film und Theater Schauspielerin Karin Ugowski

Karin Ugowski, 2016, beim Filmdreh zu "Die Farben des Regenbogens" (Regie: S. G. Ugovsky-Strassburger) | © copyright: UN POCO - artist offices

Preview Die Film- und Theaterschauspielerin Karin Ugowski

Film und Theaterschauspielerin Karin Ugowski in den 1960er Jahren, hier Backstage zum Kinofilmdreh "Frau Holle" (DEFA) | © copyright: un poco

Preview Karin Ugowski als Prinzessin aus dem DEFA Märchenfilm Die Goldenen Gans

Karin Ugowski in "Die Goldene Gans" (1964) - Standbild | © copyright: un poco

Preview Die Schauspielerin Karin Ugowski auf der Bühne der Berliner Volksbühne

Karin Ugowski, Berliner Volksbühne (1969) | © copyright: un poco

Preview Abbildung von Karin Ugowski am Theater Berliner Volksbuehne

Karin Ugowski am Theater "Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz" in den 1970er Jahren | © copyright: un poco

Themen Bereich
Lesedauer: 30 mins

Ich ergriff meine Chance auf ein Interview mit der wohl scheuesten Person des hiesigen öffentlichen Lebens als ich erfuhr, dass sie im Rahmen der #Berlinale in Berlin sein würde. Der Grund für das Interview und ihre spontane Anwesenheit in ihrer alten Theater-Heimat zur Berlinale ist sicherlich nicht jedem gleich offensichtlich: Der israelisch-französisch-deutsche Film "Foxtrot", der von ARTE koproduziert wurde und der bei der #Biennale, dem wohl zur Zeit international noch am renommiertesten gebliebenen Filmfestival und veranstaltet in Venedig, den Silbernen Löwen (den Grand-Prix der Jury) abräumte und anfänglich sogar für einen Oscar nominiert war, erregte große Diskussionen bezüglich des Umgangs Israels mit Kritik aus den eigenen Reihen. Beim Ophir-Award in Israel räumte der Film zwar mehrfach ab, aber die Kulturministerin boykottierte den Film wohl vehement und wurde schließlich sogar von der Verleihung ausgeschlossen. Der Schauspielerin Karin Ugowski sind solche Konflikte nicht fremd. Hat sie doch in 2 Welten gelebt. Genau genommen in 3 wenn man die ersten 3 Lebensjahre mitrechnet - im Bombenhagel Berlins. Sie kannte Kultur-Zensur, falsche Wahrnehmung von innen und von außen, den Blick auf historische Überarbeitung und war aktive Zeugin von Umbrüchen. Und der Film ist ihr auch nicht fremd: denn sie verkörperte in einer Nebenrolle die demente Mutter des Protagonisten, welche nicht begreift dass ihr Sohn vom gefallenen Enkel berichtet; in dem wohl derzeit umstrittensten international besprochenen Film, der trotz der heißen Debatten bei dem anerkanntem Filmbewertungssystem "Rotten Tomatoes" volle 100% positiver Bewertungen bekam.

Ob er in Deutschland jemals anlaufen wird und ob er im Rahmen der Berlinale zu sehen sein wird, ist mir zum Zeitpunkt des Interviews noch unklar. Nur eines ist mir klar: wenn man die Gelegenheit bekommt eine Filmlegende der 1960-er zu interviewen, die ich schon als Kind im Weihnachtsfernsehen bewunderte, und die ungern ihre ländlich Idylle und Wahlheimat im Hohen Norden und das Kamin-beheizte Atelier ihres Mannes - Maler und Grafiker seines Zeichens – verlässt, um sich wieder dem unbeliebten Medienrummel auszusetzen, den sie noch nie mochte, dann sollte man vorbereitet sein!

I: Karin! Hallo! Hier drüben ... (nach dem vorangegangenen Telefonat duzen wir uns bereits ...)

Ich winke sie zu meinem Tisch in dem Café in dem wir uns verabredet hatten, ganz in der Nähe des Fototermins, den sie wohl vor mir über sich ergehen lies.

K: Nicht schön aber selten ... (schaut sich um)

I: Was meinst Du? Das Café?

K: Den Potsdamer Platz.

I: Ja. Nicht gerade eine Perle der Architektur. Aber das Filmmuseum ist ganz schön. Stimmt, du bist ja nicht mehr so oft in Berlin, richtig?

K: Kennst du das Original? Also wie der Platz mal ganz früher aussah?

I: Nur von Fotos.

K: Na! Ich doch auch nur von Fotos (sie schaut mich verschmitzt an). So alt bin ich ja nun auch noch nicht.

(sie lacht)

I: Du meinst diese historischen Fotos vor Ende des 2 Weltkrieges? Da gab es doch auch noch dieses riesige altertümliche Kaufhaus. Das muss Wahnsinn gewesen sein. Na ja, jetzt sind halt alles so kantige Glas-Neubauten. Ich hoffe es bleibt so ruhig im Café heute hier. Ist der Tisch OK? Darf ich mitschneiden?

K: Das alte Kaufhaus, oh ja... So etwas in der Art gibt es aber noch. Wo habe ich so etwas ähnliches schon mal gesehen? Ah, z.B. in Neapel und ... egal. Zu Deiner Frage: Ja und ja. (Sie lacht wieder verschmitzt) - Ich finde es immer sehr spannend jemand erst am Telefon kennen zu lernen und dann live und in Farbe zu sehen... Wir haben uns ja gleich auf Anhieb gut verstanden. Ich weiß auch nicht warum, ich mag die jungen Frauen von Heute einfach. Sie wissen was sie wollen und sind dabei aber herzlich und sehr aufmerksam. Dafür musste unsere Generation aber auch Einiges erkämpfen, was heute selbstverständlich ist. (Ihr Blick ist fordernd)

I: Danke. (Ich glaube ich werde rot...) Ähm, also ich fang mal mit so ein bisschen Einleitung an und daraus ergibt sich gleich meine erste Frage, wenn du magst?

K: Ja. Aber ich muss Dir gleich sagen, dass mein Künstlerbüro bestimmt gegenlesen will wenn es fertig transkribiert ist um sicher zu gehen, dass ich nicht falsch interpretiert werde. Das kam schon vor und Du hast ja sicherlich mitbekommen, dass ich da nicht so experimentierfreudig bin. Du weißt schon ... "Wir mögen Medienrummel eigentlich nicht besonders"... (Sie lächelt wieder) Aber du meintest ja das wäre okay für Euch, richtig?

I: Völlig OK! Wir sind ja in dem Sinne auch nicht die Medien. Wir sind ein Online Symposium und rezensieren Kunst, Kultur und ... Medien! (Jetzt grinse ich ganz frech)

K: Ha! (Sie lacht laut los) Ich brauche einen Espresso! Leg los! Ich bin ganz Ohr.

Während ich anfange, winkt sie einem Barkeeper zu und macht ein unmissverständliches Handzeichen für einen Espresso während sie meiner Frage lauscht. Er nickt ihr zu.

I: Deine ersten Rollen beim Film waren auch gleich ziemlich große Hauptrollen. Und gleich mehrmals hintereinander verkörpertest du "DIE" Märchenprinzessin der 1960-er! Na ja, eigentlich noch heute, denn Jahrzehnte später laufen diese Filme ja regelmäßig im Fernsehen oder auch in Spezial-Vorstellungen im Kino. Zwischenfrage bevor ich zur eigentlichen Frage komme: Darf ich fragen, verdienst Du daran eigentlich noch?

K: Darfst du fragen. Die Antwort ist: Nö. Unsere damaligen Verträge waren halt sehr alte den damaligen Verhältnissen entsprechende sogenannte Buy-Outs, so heißt das heute. Da ahnte ja noch keiner, dass es mal so etwas wie ein Versuch für ein faires allgemeines Verwertungssystem geben würde, wie es heute existiert.

I: Wie die GVL?

K: Zum Beispiel. Und vor allem ahnte man nicht, dass es so eine vehemente TV-Auswertung der Filme geben würde. Sie wurden für das Kino der damaligen Zeit gedreht und waren eine Sensation. Aber wäre die Sachlage heute anders, also nachteiliger für die Weiterverwertung, würden wir die Filme wahrscheinlich auch nicht mehr im Fernsehen sehen können, weil es für die Sender dann zu teuer wäre. In den USA hat man mit den afroamerikanischen Musikern ja damals das gleiche gemacht. Ihre Werke sind bis heute Klassiker aber sie haben damals nur ein Tageslohn bekommen. Wer weiß ob es die Musik sonst so weit verbreitet gegeben hätte. Traurig aber wahr. Bereichert haben sich aber andere. John Lennon hatte damals schon dagegen protestiert und sich für sie stark gemacht. Der Blues/Jazz Sänger Donny Hathaway hatte aus Tribut an Lennon dafür einen Song von Lennon live performt. Weiß nicht mehr welcher es war. Aber im Nachhinein hat man dort wenigstens ein Präzedenzfall geschaffen. Viele dieser Musiker, wie Stevie Wonder, etc., wurden im Nachhinein noch ihre Verdienste anerkannt und sie konnten nun ihrem Erfolg entsprechend vergütet werden. Diese Präzedenzfälle haben in Deutschland aber leider noch nicht zu einer Aufarbeitung der Verwertung von all den Sachen geführt, die nach der Wiedervereinigung cleveren Unternehmen in die Hände gefallen sind und nun so etwas wie "künstlerisches Freiwild" sind. Aber das führt hier und heute zu weit. Es sollen auch keine falschen Anschuldigungen daraus fehlinterpretiert werden. Ist ein komplexes Thema. So oder so bin ich froh dass noch viele Generationen diese alten liebevoll gemachten Filme sehen können.

I: Wow. Diese Frage wirft ja eine ganze Geschichte dahinter auf. Spannend. Warum wirst du so etwas in Interviews nie gefragt?

K: Weil heute keiner mehr wirklich Interviews führen darf, sondern nur noch alles schnell abgearbeitet werden muss in der Redaktion. Nach einem Stichwort-Katalog und dem was man über die Person so findet und was zu den Stammlesern so passt. 20 Interviews die Woche. Schlecht bezahlt mit wenig Aussichten auf Anerkennung. Wozu soll man sich da noch aus dem Fenster lehnen? Vor allem in einer Welt, in der solche Einblicke kaum noch etwas wert sind. Der gläserne Mensch... So landen sie dann bei mir immer bei der Prinzessin. Und das war's dann...

Ich muss husten weil meine erste Frage genau das Klischee-Thema bei Ihr bediente, welches sie erwähnte ...

K: Ich kenne junge Leute, die träumen davon irgendwann einmal wieder richtigen investigativen Journalismus betreiben zu können. Es funkelt richtig in ihren Augen wenn sie davon reden. Mir tut das immer in der Seele weh das zu sehen, während ich weiß, dass diese Zeiten vermutlich vorbei sind. Zumindest war es die letzten 10 Jahre gefühlt so. Traurig eigentlich bei unserer deutsch-deutschen Vorgeschichte. Da müsste das eigentlich ganz anders aussehen. Es sei denn die Qualität des - nennen wir es mal - finanziell unabhängigen Journalismus, wie einige neuere Online-Geschichten oder wie das was ihr macht, wird im Durchschnitt ernstzunehmender. Dann könnte es eine wirkliche Ergänzung zu etablierten Print-Medien darstellen, sie herausfordern und dadurch auch verbessern und sogar investigativen Journalismus wieder fördern und diesen wieder zu einer „interessanten Geschichte“ machen. Wie damals, wo große Polit-Affairen von Journalisten aufgedeckt wurden. Man muss sich nur darüber klar sein, dass niemand mehr für die Reisekosten aufkommt.

(Da ist es wieder, das Schmunzeln)

K: Aber davon sind wir eh noch weit entfernt, dafür gibt es online einfach viel zu viele schwarze Schafe, die den Ansatz kaputt machen und die Leser vergraueln oder die falschen Leser anziehen. Und einige größere Print-Medien-Häuser versuchen ja nach der abgeklungenen Online-Euphorie und dem Kater danach, wieder zurück zu ihrer alten Form zu finden. Was ich gut finde! Ich lese wieder Tageszeitung! Weil sie wieder besser werden.

I: Ja so ähnlich sehen das einige Kommunikationswissenschaftler und Kolumnisten auch seit geraumer Weile. Sehe ich auch so. Da tut sich auch Einiges. Ja, mit den Schwarzen Schafen online haben wir natürlich auch zu kämpfen. Das fällt auf uns alle zurück. Danke für das indirekte Kompliment an uns. Aber ich trau mich jetzt fast gar nicht weiter nach zu fragen nachdem ich ja eingangs wohl voll und ganz in die Falle der Standartfragen getappt bin...

K: Bist du nicht. Deine Frage führte ja davon weg. Deine Zusatzfrage war eine gute Frage, wo mich wundert, dass sie vorher noch keiner gestellt hat.

I: Ja aber leider war ich da noch nicht ganz weg von. Bei meiner eigentlichen Frage zu der ich ja überleiten wollte bist du vielleicht nicht mehr so gnädig mit mir.

K: Ach! Du hast Bonuspunkte.

Wir lachen und ich versuche mein nervöses Schlucken zu verbergen bevor ich weiter frage.

I: Damals wurde Dein Gesicht, Dein jugendliches Gesicht, einem breiten Publikum an Zuschauern sehr bekannt. Und noch heute sehen viele diese Klassiker von damals als wärst Du und Dein Gesicht quasi in der Zeit gefangen. Diese Filme wurden zu historischen Meilensteinen ihrer Zeit. Das konnte keiner, wahrscheinlich auch Du nicht, ahnen. Was bedeutet es für Dich, als #Schauspielerin, also auch persönlich, Deinem jugendlichen auf Filmband konserviertem „Ich“ der 1960-er Jahre immer wieder im Spiegel des Fernsehprogramms zu begegnen? Ist das noch OK das zu fragen?

K: Ja! (sie lacht) Hui! Du legst ja richtig los! Da kommt der Espresso ja gelegen. Nun, also erst einmal würde ich das gern in zweierlei Hinsicht ein wenig entschärfen. Erstens: das mit dem Gesicht, es ist ein simples Phänomen was eigentlich jeder kennt. Nämlich wenn er auf alte Fotos von sich schaut. Und manch einer sieht sich da öfter als ich mich im Fernsehen (sie lacht). Es ist ein wenig so, als würde man eine andere Person aus einer anderen Zeit anschauen. Und im Grunde genommen ist es ja auch ein bisschen so, oder nicht? Im besten Falle zumindest! Also wenn man sich weiter entwickelt hat (sie lacht wieder).

Und Zweitens: zu den Klassikern und Meilensteinen, wie du es nennst. (Sie macht eine abwinkende Geste) Halten wir den Ball mal flach. Es gab viele Klassiker in dieser Zeit. In den unterschiedlichsten Filmgenres. Das liegt aber auch ein wenig an dem Rückblick zu dem wir heute neigen, der Nostalgie und der etwas verfälschten Sehnsucht nach einer „grooooßen Film-Ära“, die viele wohl heute als zerfallen ansehen. Im Grunde war das aber schon immer so.

Wir haben damals auch zurückgeschaut zu den großen Stummfilmen und den ersten großen Kinoproduktionen und dachten, so etwas gäbe es nicht mehr. Alte Gemälde sind vermeintlich wertvoller als Neue. Genau so ein Irrtum. Theatertexte, genau das gleiche. Also du siehst, es ist eine Frage der Perspektive. Auch gibt es heute viele, die diese alten Märchenfilme als irgendwie "schräg" empfinden, weil man heute von den Sehgewohnheiten her solche Kulissenbauten nicht mehr kennt. Es war eine völlig andere Art Film zu schauen. Eher illustrierend und nicht simulierend.

Zack, weg war der Espresso. Sie trinkt ihn wie ein echter Italiener! Und ich muss kurz etwas dumm drein geschaut haben bei der tiefstapelnden Antwort auf meine Frage.

I: Ach Sie meinen, Entschuldigung, Du meinst das Prinzip der Inszenierung. Ob realistisch oder gewollt surrealistisch? Ich erinnere mich. Da gibt es immer unterschiedliche Auffassungen in der Theorie, richtig?

K: Ja. Die Märchenfilme waren etwas für fantasievolle Kinder (und damit sind auch die großen Kinder gemeint), keine begehbaren Computerspiele, wie heute. Aber! Auch wenn es darüber hinaus ohne Zweifel ein besonderes Kunsthandwerk für sich darstellte, muss man jedoch auch klarstellen, dass es natürlich in dem Sinne keine tiefer gehende Filmkunst sein wollte. Es war was es war. Ein Märchenfilm auf Kinoleinwand. Zu der Zeit einzigartig hier.

I: Keine tiefer gehende Filmkunst?

K: Ja. Ich meine damit, nicht im Sinne von gesellschaftskritischer oder anspruchsvoller Kunst, die sich dem Film oder Theater als Instrument einer Fragestellung fern ab von Unterhaltung in einem tiefer gehenden Sinne bedient, wie Heiner Müller vielleicht seine Arbeit betrachtete, oder wie es mein jüngerer Sohn wohl gern getrennt sehen würde, heute, in einer Zeit des über-schwelgenden Entertainments hinter jeder Ecke. Und das kann ich nachvollziehen. Aber das waren damals andere Zeiten. Und Nichtsdestotrotz ist das Märchen weit mehr als nur Unterhaltung. Es hatte, zumindest in seiner entschärften Form, wie es diese Filme umsetzten, einen gewissen pädagogischen und weitaus Kinder-tauglicheren Wert als manches was heute so geboten wird. Die überlieferten original Grimm-Erzählungen waren ja oft eigentlich eher viel zu brutal. Bis heute kommen Eltern zu mir und drücken ihre Freude darüber aus, dass es diese alten überspitzt gezeichneten Filme immer noch gibt. Und dank vieler die mitgeholfen haben, auch mein älterer Sohn, welcher zu entscheidender Zeit für ein Filmarchiv zuarbeitete, wurde Vieles aus der Zeit gerettet. Nur die Rolle der Prinzessin, nun, sie war nicht gerade emanzipiert, wie ich finde. Das störte mich damals schon, muss ich zugeben. Deshalb habe ich in dem mir möglichen Spielraum auch versucht das ein wenig zu beeinflussen und dahingehend abzuändern. Und Roswita hat dem lieben Manfred Krug in Drosselbart doch ganz schon eingeheizt, oder? Das möchte ich mal klarstellen!

Wir beide lachen. Am Nachbartisch scheint man sich mit uns zusammen zu amüsieren.

I: Die Prinzessin der 1960-er Filme war vielleicht nicht emanzipiert persé, okay, aber Du hast ja danach, also Anfang der 1970-er, mit der Rolle der Leutnant Helga Lindt (Polizeiruf 110) eine der ersten weiblichen Kommissarinnen im deutschen Fernsehen gespielt. Hast Du die 1970-er als eine Zeit der Emanzipation erlebt? Im Beruf? In der Welt in der du lebtest? War Dir die Bedeutung dieser Rolle bewusst?

K: Bewusst war mir das damals schon irgendwie. Aber nicht ob ich eine der ersten wäre oder so, sondern einfach, dass es damals noch selten in Europa war. Außerdem bin ich damals nur für eine Kollegin eingesprungen und hab das eigentlich nicht so an mich heran gelassen mit der Kommissarin. Da war ich mit dem Kopf voll und ganz beim Theater. Ich konnte ja nicht ahnen, dass so etwas heute Seltenheitswert hat. Ich bin auch erst vor ein paar Jahren auf einen Artikel gestoßen in dem das mal so erwähnt wurde. Oder besser gesagt, in dem es richtig gestellt wurde, weil es vorher wohl immer hieß, es wäre eine Kollegin weiter westlich gewesen. (sie grinst) Was aber wohl so gar nicht stimmte. Da hat man wohl ... wieder einmal ... etwas übersehen (sie lächelt wieder verwegen). Schon lustig wie die Dinge manchmal laufen... Als ich das las, war ich sehr verwundert. Na ja und die Rolle der Frau der Nachkriegszeit war im östlichen Europa nicht so stark mit Waschmittel- und Badreinigungsmittel-Werbung verknüpft. Das macht schon viel aus. Im Nachhinein freue ich mich natürlich darüber, dass ich zum Frauenbild im deutschen Fernsehen damals doch noch etwas mehr als die Prinzessin beitragen konnte.

Sie macht wieder dieses Zeichen für einen Espresso... Der Barkeeper nickt und lächelt über die Theke zu unserem Tisch herüber.

I: Okay dann werd ich mal etwas spitzfindiger. Würdest Du dich als Feministin bezeichnen?

K: Na ja, das ist jetzt aber schon eine sehr reißerische Frage. Mit diesem Begriff muss man heute vorsichtig sein. Damals hätte ich mich vielleicht sofort so bezeichnet. Aber das war eine andere Zeit, da war der Begriff noch nicht so verbreitet. Auch noch nicht so breit getreten. Damals ging es um ein selbstbestimmteres Leben als Frau unabhängig davon ob man verheiratet war oder nicht, Kinder hatte oder nicht, und um die Möglichkeit, wenn man will, Familie und Karriere gleichzeitig haben zu dürfen. Was ja für die Frau auch körperlich noch ganz andere Herausforderungen mit sich brachte. Luxusprobleme? Eigentlich nicht. Denn da hing vieles andere mit dran.

Wir konnten Männer, die uns auf der Nase herum tanzten oder versuchten an den Herd zu ketten, nun auch mal vor die Tür setzen ohne moralisch von der Gesellschaft abgestraft zu werden. Das war vorher nicht selbstverständlich! Das ist heute ganz natürlich, aber wurde von vielen Frauen über viele Generationen hart erkämpft. Und wusstest Du, dass das Wahlrecht der Frau bis in die heutige Zeit bis vor Kurzem nicht in allen Ländern in der Mitte Europas selbstverständlich war?

Heute tue ich mich mit dem Begriff schwer, da er immer mehr zu einem Vorwand verkommt. Dass Frauen noch immer weniger Geld für gleiche Arbeit bekommen ist natürlich ein Unding und dass es immer noch Frauen geben muss, die für Gleichberechtigung kämpfen müssen, ist daher notwendig. Aber den Feminismus als Karrieresprungbrett oder als Vorteil zu missbrauchen, finde ich unverantwortlich gegenüber der ursprünglichen Motivation. Wir leben wieder in aufregenden Zeiten. Was wir jetzt tun, wird für die nächsten Generationen wegweisend. Und den Populismus und das Denunziantentum in diese Debatten mehr und mehr einziehen zu lassen und vor allem unreflektiert unter dem Deckmantel vermeintlicher Emanzipation Unrecht geschehen zu lassen, halte ich nicht für den richtigen Weg. Auch sollte solch eine Debatte immer vor der eigenen Haustür passieren und nicht vor der Haustür anderer. Wir sind hier noch nicht fertig. Lassen wir andere Kulturen damit in Ruhe und zeigen Ihnen Respekt anstatt sie zu läutern. Sonst sind wir wieder ganz schnell in der Rolle der Missionare unterwegs. Die Fremdenfeindlichkeit, der ich heute unter dem Deckmantel des Feminismus neuerdings immer wieder begegne, finde ich sehr bedenklich. Helfen ja, aber nicht ungebeten.

I: Ja, es gibt immer 2 Seiten einer Medaille. Das ist eine gute Überleitung: Die deutsch-deutsche Geschichte war für den Film auf beiden Seiten sowohl vorher als auch nachher eine Herausforderung. Voller regional gewachsener Eigenheiten und darauf folgender Umstellungen. Vieles wurde in den Umbrüchen auf den Kopf gestellt. Manch einen hat es auf ewig an die Zeit davor geheftet. Bei Dir nicht. Du warst weiterhin im Fernsehen zu sehen und 3 weitere Jahrzehnte am Theater, auf Gasttourneen, im Auslands-TV zu sehen. Ich habe nicht schlecht gestaunt als ich in Italien in einem Café die Kellner zu einer TV-Serie mitfiebern sah und Dein Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen war. Und nun wieder in einem Kinofilm, einem internationalen, mehrfach nominierten und ausgezeichneten Film. Wie macht man das ohne Aufsehen zu erregen oder ständig in den Schlagzeilen zu sein? Ich dachte immer, es gäbe eine Art Synchronität zwischen Medienpräsenz und Besetzung.

K: Ach so präsent bin ich doch im Ausland gar nicht. Und in Foxtrot, das ist nur eine kleine Rolle. Sie hat Spaß gemacht weil sie mich an meine Auseinandersetzung mit meiner alternden Mutter erinnert. Deshalb habe ich spontan zugesagt. Und ich mochte das Team. Die Presse geht immer davon aus, dass Schauspieler das Rampenlicht suchen. Ich brauche aber außerhalb der Arbeit keine Aufmerksamkeit und keine Schlagzeilen. Und mein Privatleben hat eigentlich nichts in der Presse zu suchen. Leider kann man das nicht immer verhindern. Vor allem nicht wenn in der Familie noch andere Künstler unterwegs sind. Schauspiel ist in dem Sinne kein Beruf und auch kein mediales Karrieresprungbrett, wie es heute oft selbstverständlich angenommen wird. Es ist eine Berufung. Und eine Art Bereitschaft. Egal in welcher Welt. Ähnlich wie bei einem Rettungsschwimmer. Es kann zu einem Einsatz kommen, oder auch nicht. Beim Rettungsschwimmer im besten Falle nicht. Und bei manchem Schauspieler vielleicht auch besser nicht (sie lacht wieder verschmitzt). Manchmal aber im besten Falle schon. Und im allerbesten Falle(!), für den Schauspieler als auch für den Film oder das Theaterstück ein Gewinn. Wenn es Schauspielern also passiert, dass sie zu weltlichem Ruhm gelangen, dann haben sie das größtenteils auch den Projekten zu verdanken, die sich ihrer bedienten. Das wird oft vergessen. Auch von den Schauspielern selbst. Dies aber von vorne herein anzustreben, widerspricht unserer Ansicht nach jedoch der Ethik von gut gemeinten Theater- und Filmschauspiel.

I: Unserer Ansicht nach?

K: Ich denke da kann man schon von so etwas wie einem "familiären" Standpunkt reden, denn mein Jüngster (Sohn), Theater- und Filmemacher seines Zeichens, ist da in der Hinsicht sogar ein Hardliner was den tieferen Sinn von Theater und Film betrifft, dem falschen Ruhm, und der heutigen Fehlinterpretation von Erfolg im Rahmen von Kunst. Im Punkt der Überbewertung von Ruhm und Ehre stimme ich ihm vollkommen zu. Und mein Mann, für mich ein großer Künstler der ganz besonderen Art, hält als Maler und Grafiker auch nicht viel von diesem ganzen Medienrummel, wie man sich denken kann. Wie eigentlich alle in meinem Umfeld. Mein „Ältester“ (Sohn) hat sich immer davongeschlichen, wenn es zu trubelig um mich herum wurde auf Vernissagen oder Treffen mit Medien, wo zufällig die Familie auch gerade anwesend war.

I: Oh, also eine Künstler-Dynastie?

K: Ach quatsch. Eher eine Zirkusfamilie. Sagt mein Jüngster immer (Sie lacht wieder) - Da fällt mir was zu Familiendynastien ein. Immer dieser Glaube daran Blut sei dicker als Wasser. Die Familie kann man sich nicht immer aussuchen. Freunde schon. Ich denke da nur an die Kämpfe die ich hatte, als ich meinen Eltern sagte, dass ich Schauspielerin werde. Da war was los! Das kann ich Dir flüstern. Und das zog sich über mein ganzes weiteres Leben. Und das wo ich eigentlich gar nicht Schauspielerin werden wollte. Das war eher Zufall. Es gibt Teile der Familie die betrachtet man eben als Freunde, weil sie sich wie Freunde verhalten, so wie andere Freunde eben auch. Und bei wieder anderen hakt es halt immer ein bisschen und man wird nicht warm miteinander, egal ob man da nun über 2 oder 3 Ecken verwandt ist oder nicht. Manchmal passt es, manchmal nicht. Und das kann sich eben auch wie bei Freunden jeder Zeit wieder ändern. Ganz einfach. Und wenn andere der Meinung sind, sie müssen, weil sie berühmt sind, ihre kleinen Kinder gleich direkt in ihre Fußstapfen schicken, damit diese den "Ruhm" der Familie fortsetzen, wo diese noch nicht einmal alt genug sind, darüber wirklich gründlich nachzudenken, halte ich das für verantwortungslos und ein mich etwas anwiderndes Zeichen der heutigen Welt. Meine Kinder wären dafür viel zu dickköpfig gewesen und haben eh immer gemacht was sie wollten. Alles was sie entschieden haben, so kann ich mit Stolz sagen, war selbst dann ihre Entscheidung, wenn es Dinge waren, die nun von außen vielleicht so aussehen könnten, als wäre es typisch für eine Art Künstler-Dynastie. Gerade bei meinem Jüngsten könnte man das denken. Sein Vater war vor Castorf unter Besson Regisseur und Schauspieler und später Oberspielleiter an der Volksbühne und kommt seiner Arbeitsweise von außen betrachtet vielleicht nahe. Aber wie ähnlich er ihm ist, oder vielleicht auch nicht, hat er für sich selbst herausfinden müssen, denn sein Vater und ich blieben nicht zusammen. Wie das Leben halt manchmal so spielt. Also von einer Dynastie kann auch hier nicht die Rede sein.

I: Aber würde das nicht jede Künstlerfamilie so von sich sagen?

K: Ja. Vielleicht. Dann ist es eben Zufall und die mediale Betrachtung von außen die den Begriff nachträglich definiert. Das kann schon sein.

I: Du hast gerade gesagt, dass mit dem Schauspiel war Zufall bei Dir?

K: Nun, ich war ein Wildfang, ein Mädchen in Jungs-Klamotten - sagt man das so? - welches die Natur bewunderte und die Naturwissenschaften und die Medizin hochspannend fand. Ich schloss mein Gymnasium mit Schwerpunkt Naturwissenschaften ab um Medizin zu studieren. Dann fragte mich eine Freundin ob ich zur Schauspielprüfung mitkommen würde … und das war's dann. Nun sitzen wir beide hier!

Wir lachen. Und der Nachbartisch auch.

I: Um noch einmal auf den Film Foxtrot zu sprechen zu kommen. Viel Wirbel. Und nun doch keine Oscar-Nominierung ...

K: Für Maoz ist das sicherlich keine leichte Zeit. Dieses ganze Auf und Ab. Hier gelobt, da angegriffen. Das ist nicht einfach. Ich kenne das. Ich habe ihn kurz vor den Dreharbeiten kennen gelernt. Ein sehr warmherziger und sympathischer Mann mit viel Einfühlungsvermögen und spannenden Ansätzen. Als alter Hase hat man ja schon einen Überblick über eine Menge Regisseure. Ich kann natürlich gar nicht viel zu den verschiedenen Standpunkten im Konflikt um den Film herum sagen, da ich aus der zum Teil fragwürdigen Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte nur allzu gut weiß: es sollten sich eigentlich immer nur jene zu Wort melden, die die Materie wirklich kennen! Was leider nicht immer passiert. Aber ich habe so viel Vertrauen zu der Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte bezüglich Armee und Krieg, die er in seinen beiden Filmen "Lebanon" und "Foxtrot" auf's Korn nimmt, dass ich denke, es sind sehr ehrliche und mutige Arbeiten, die man unterstützen sollte, wo man nur kann. Und davon abgesehen finde ich ist der Film bereits gut besprochen worden. Silberner Löwe. Ophir Award. Festivals in aller Welt zeigen den Film. Ich habe den fertigen Film im Übrigen noch gar nicht gesehen.

I: Nicht ??

K: Nein. Das ist aber nichts Ungewöhnliches bei solchen internationalen Koproduktionen und den verschiedenen Zuständigkeiten. Gerade wenn Filme kurz vor Festivals fertig werden. Ich musste leider drehen und dann stand eine wichtige Vernissage an und ich konnte den Film auf Festivals nicht sehen. Dafür habe ich jenen, die den Film schon gesehen haben Etwas voraus.

I: Du kennst das Drehbuch.

K: Richtig. (grinst) … Es ist wahrscheinlich - wieder einmal - eine schwierige Zeit für Länder in ihrer Definition und für Menschen die sich mit ihrer Heimat, und vor allem auch mal kritisch, auseinandersetzen wollen. Das kenne ich nur zu gut. Schwierig bis fast unmöglich die Balance halten zu können. Klar zu stellen, dass jede Form der inneren Auseinandersetzung auch eine Form der Liebe ist. Gerade im Inneren gibt es schnell jene die einem das nicht glauben und in Dir den Feind sehen. Und ich finde es wichtig, dass gerade kritische Auseinandersetzung von innen zugelassen wird bevor sie von außen kommt und missbraucht wird. Sie muss sogar von Innen kommen. Vorrangig. Nicht von außen. Die Kritik von innen lässt Raum für Verhandlungen, die es in der Außenpolitik nicht gibt. Da geht es um knallharte Interessen und die diplomatische Aushandlung dieser. Oder Schlimmeres. Israel ist ein schönes Land und ich hoffe der Film wird als konstruktiver Beitrag dafür verstanden. Ich würde es Maoz und dem Film wünschen.

I: Das leitet wieder perfekt über ... Du warst wie ich gelesen habe aktiv in der Künstlergruppe, die die November-Kundgebungen 1989 mitorganisierte. Deshalb wurde ich gerade hellhörig. "Zum Teil fragwürdige Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte"?

K: Nun. Das würde glaube ich den Rahmen des Interviews sprengen. Auch hier passt wieder ein Zitat aus der Familie. In „Wendekinder“ von 2007 schreibt mein „Jüngster“ (Sohn) wieder einmal: „Für objektive geschichtliche Aufarbeitung ist es einfach noch zu früh. Da wird von allen Seiten einfach immer noch mit viel zu viel Schlamm geworfen. Und der Rest wird von Ostalgie und Opferberichten verklärt.“ Er muss es wissen, er ist ein 50/50.

I: Ein 50/50?

K: Ja. Zu gleichen Teilen auf beiden Seiten gelebt und zu jung gewesen um im „Davor“ zu viele Wurzeln zu schlagen. Mein Ältester ist da schon verwurzelter, denke ich. Ich wollte in dem Kontext nur sagen, dass ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn jeder andere der nicht dabei war, zu einer Sache, die Dich gerade beschäftigt, immer gleich eine Meinung für Dich hat. Gebeten oder ungebeten.

I: Oh ja. Der moderne Wutbürger fällt mir da gleich ein.

K: Ein von der modernen Gesellschaft gezüchtetes menschliches Konstrukt. Eine moderne Form des Ablasshandels. Wird oft mit Demokratie verwechselt. Das öffentliche Kundtun einer Meinung ist eine Sache, den Verstand dafür zu haben, dass diese Meinung von Interesse sein könnte, eine andere. Öffentlichkeit ist ein tückischer Begleiter und Filter in Fragen der Kommunikation.

I: Ja Öffentlichkeit ist nicht so Deins wie mir scheint. Anders als viele Deiner Kollegen, sieht man Dich nur selten auf öffentlichen Veranstaltungen wie Preisverleihungen, Galas und Roten Teppichen. Oder bekomme ich das nur nicht mit?

K: Ja aber eitel bin ich trotzdem! Wie jeder Schauspieler! (Sie lacht wieder)... Nein, ja, das stimmt schon was du sagst. Aber eigentlich wäre das „Darüber-Reden“ widersprüchlich zu dem Grund warum ich so handele. Und das Thema Medien hatten wir heute ja schon.

Da ist es wieder. Diese verschmitzte Schmunzeln... Und der Wink für einen Espresso.

I: Na gut. Dann anders herum. Du lebst sehr zurückgezogen mit Deinem Mann im Norden Deutschlands zwischen Seen und Sümpfen, tiefen Wäldern, einem Gebiet in welchem gerade die Wölfe wieder zurückgekehrt sind. Wie mir aus anderen Äußerungen in der Öffentlichkeit erscheint, wohl eine sehr bewusste Entscheidung?

K: Leider ist das mit den Wölfen schon wieder rückläufig. Irgendwelche Jäger boykottieren diese Entwicklung schon wieder. Was mich sehr traurig macht. Die Naturschützer hatten lange dafür gekämpft. Zur Frage. Du meinst Rückzug aus den Medien? Wie eingangs schon gesagt. Ja. Medien sowie Film und das Theater verlangen einem viel ab. Und die Großstadt im Ganzen eigentlich auch. Es bringt dich an deine Grenzen und bearbeitet deinen Geist. Manchmal begründet und zu recht, manchmal aber auch zu unrecht und übergriffig. Man muss sich auch ein Stück weit schützen und das Wesentliche im Leben im Auge behalten. Das ist dort wo ich heute lebe allgegenwärtig. Ich habe mich damals voll und ganz viele lange Jahre hingegeben. Aber mein Geist ist von vielen Erfahrungen in meinem Leben geformt. Nicht nur denen am Theater. Und die Kunst haben wir, mein Mann und ich einfach mitgenommen. Wir leben in einer kulturell spannenden Region und wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Region die wir nun schon lange unser Zuhause nennen, kulturell zu fördern und mitzugestalten, wenn man uns läßt.

I: Da fällt mir ein, ich habe, glaube ich, in Berlin kürzlich ein Günter Horn Gemälde gesehen. Sein Stil ist unverkennbar und seine Signatur auch. Dadurch dass ich Nachforschungen anstellte und seine Werke im Netz schon fand, hatte ich es – so glaubte ich - wiedererkannt. Dein Mann hat ja früher auch in Berlin gelebt und gearbeitet, richtig? Ich gebe zu, dass habe ich bei Wikipedia nachgelesen. Habt ihr Euch so kennengelernt?

K: Ja. Wir kannten uns auch schon vorher und waren gute Freunde. Er hatte damals zu Rameau's Neffe und viele andere Stücke an der Volksbühne das Bühnenbild gemacht. Rameau's Neffe war lange Zeit die am längsten gespielte und gastierende Inszenierung des Theaters. Wo hast du das Gemälde gesehen?

I: Das überlege ich gerade...

K: Viele Kollegen aus Theater, Film und Fernsehen sind regelrecht Sammler seiner Werke. Auf seiner jährlichen Vernissage treffen sich alle wieder. Hast du vielleicht bei einem anderen Interview Einblick in eine Privatsammlung gehabt?

I: Nein, es war nicht an einer Wand, sondern ... ah jetzt hab ich's wieder! Es war in einem Kunstband mit Malern und ihren Werken! In einer kleinen Bücherei.

K: Oh das ist interessant! So etwas gibt es noch? Kleine Büchereien. Toll! Kannst du mir wenn dir einfällt, wie das Buch heißt, Bescheid geben?

I: Gern. Ja in Berlin in Szenenkiezen hat das wieder ein bisschen Fuorore. Aber sage mal, wo wir gerade darüber sprachen, dass du nicht so gern in der Öffentlichkeit und auf Roten Teppichen wandelst. Und nun bist du zur Berlinale in Berlin?

K: Nicht direkt. Eher um ein paar Kollegen zu treffen, die durch die Berlinale da sind und wenn es sich ergibt, um Foxtrot zu unterstützen.

I: Das bringt mich auf ein anderes Thema. Du bist Mitglied der Deutschen Filmakademie und somit Teil der Mitglieder-Jury für die LOLA Preisverleihung. Das heißt, du siehst wahrscheinlich sehr sehr viele Filme bevor die Verleihungen losgehen. Was ich mich schon immer gefragt habe, auch bei anderen Schauspielern, wenn sie Teil einer Jury oder eines Festvial-Gremiums sind, wie z.B. Cate Blanchett in Cannes, etc.: Wie fühlt es sich an all diese Filme zu sehen, wenn man doch selbst Schauspieler ist?

K: Ja das ist eine berechtigte Frage, aber da schließt sich der Kreis wieder zu dem was ich eingangs sagte. Es kommt auf Deine Einstellung zu der Arbeit als Schauspieler an. Du bist Teil eines Werkes. Wenn du die Arbeit als persönliches Mittel zur Selbstverwirklichung oder Selbstdarstellung missdeutest wirst du nicht glücklich damit. Diesen Fehler habe ich nie begangen. Zwar habe ich manchmal daran gezweifelt ob diese Einstellung die richtige wäre um weiter zu kommen, aber rückblickend bin ich froh, dass ich nie so "hungrig" war, wie manch Regisseur es gern gehabt hätte, um mich ins Bett zu kriegen. (Sie lacht wieder und dreht sich um als hätte sie Sorge man könnte es überall hören) ...

I: Oh das schneidet ein derzeit heikles Thema an! … MeToo ...

K: Och nööö! Na das lassen wir mal! Ich habe dazu genug Andeutungen vorhin gemacht. Mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen.

I: Ich weiß nicht ob jeder Leser die Andeutungen richtig deutet.

Ich spüre wie ich ihre Sympathie für mich etwas strapaziere ...

K: Meine Liebe! Es ist mit Konflikten nun mal so, dass es nicht immer nur darum geht etwas Gutes tun zu wollen oder etwas nicht so Gutes verhindern oder beenden zu wollen, sondern oft auch darum, dass unter dem Deckmantel etwas Gutes tun zu wollen, ganz viel nicht so Gutes herauf beschwört wird. Und selbst dann wenn du selbst daran glaubst, Gutes zu tun, bist du anfällig dafür, damit dich selbst zu rechtfertigen und viel nicht so Gutes herauf zu beschwören. Ist das deutlich genug?!

I: Okay, okay. Also du denkst da wird auch Missbrauch betrieben mit der Debatte.

K: Es wäre das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass es nicht so wäre …

Ich versuche schnell überzuleiten um sie wieder etwas milder zu stimmen.

I: Ich fand im Netz aktuell Hinweise für Zusammenarbeiten an anderen Kinospielfilmen.

K: Du weiß doch, darüber darf ich nicht sprechen. Aber ich kann vielleicht Folgendes dazu sagen. Das schöne am Älterwerden ist, dass man sich die Rollen und Drehbücher aussuchen kann, die einem gefallen. Und vor allem steht man als Frau nicht mehr unter dem Druck aussehen zu müssen wie eine junge willige Eleven. Ich kann jetzt mein Publikum auch mal mit einer "Alten Schachtel" schockieren (sie lacht) und ich traue den Prinzessinnen-Fans zu , dass sie das mit genauso viel Humor nehmen wie ich. Am Ende soll es doch auch Spaß machen, nicht wahr?

I: Nicht nur das. Ich finde es ein wahnsinnig spannendes Spielalter.

K: Oh Ja!

Da habe ich bei Ihr wohl ins Schwarze getroffen ...

K: Kommt natürlich auf die Rolle an. Klischee-Rollen lehne ich strickt ab. Aber ich freue mich jedes mal wie ein kleines Kind, wenn ich so großartige Schauspielerinnen wie Judy Dench, Helen Mirren, Maggie Smith und andere in spannenden Rollen älterer Frauen sehe. Da hat die Kamera richtig was zu tun! Das alles einzufangen, was in diesen nicht so glatt gebügelten Gesichtern passiert. Einfach toll! Nicht nur ein Kleiderständer.

I: Das ist ja eh das Problem beim Film, oder?

K: Deshalb finden viele junge Schauspieler heute Theater wieder viel spannender als Film oder Fernsehen. Mir ging es damals auch so. Als Schauspieler nicht nur in der Ecke zu warten bis zum nächsten Gong. Aber leider wird Theater wegen zurückgehender Kulturförderung immer schwieriger. Aber das Leben findet immer einen Weg. In irgendeiner Form wird sich Theater schon wiederfinden. Vielleicht heißt es dann nur anders ... Leider muss ich aber langsam zum Schluss kommen meine Liebe, sonst komm ich in zeitliche Schwierigkeiten. Ich hoffe das ist okay so? Außerdem muss ich aufhören hier weiter Espresso zu trinken, sonst kletter ich heute noch den Fernsehturm von außen hoch!

I: Ha! Das Leben findet immer einen Weg. Ein schöner Abschluss wie ich finde! Danke Karin, dass Du Dir Zeit genommen hast für ein Interview. Ich melde mich dann per Mail.

K: Sehr gern. Danke Dir für die spannenden Fragen und ein - wie ich finde - wirklich nicht stereotypisches 0815 Interview. (Augenzwinkern) Hat mir viel Spaß gemacht. Im nächsten Jahr wieder?

I: Auf jeden Fall!

Sie geht zur Theke und legt dem Barkeeper Geld auf den Tisch: "Stimmt so". Dann winkt sie mir noch einmal mit einen liebevollen verschmitzten Lächeln zu und huscht zur Tür heraus. Erstaunlich. Ich kann nicht glauben, dass die Frau 75 wird. Was ich gar nicht bemerkte, draußen stand ein Wagen am Straßenrand und wartete. Sie stieg ein und der Wagen fuhr sofort los. Ich fand, es entstand eine Leere im Raum, die ich mit nichts zu füllen wusste. Ich musste hier schnell weg um die Eindrücke festzuhalten.

Vielen Dank Karin Ugowski.

 

Comments

Janine R.

Ich hatte ein paar mal die Gelegenheit Karin Ugowski auf der Theaterbühne zu sehen. Für mich eine der wenigen Großen mit Vorbild Charakter!

Sabina aus Basel

Da ich aus der Schweiz komme, kannte ich diese alten Märchenfilme gar nicht. Ich habe die Schauspielerin in dem Film Foxtrot entdeckt, der in einem Kino für spezielle Filme lief. Ich fand ihr Gesicht so faszinierend, dass ich sie im Internet googelte. So fand ich heraus, dass sie in Deutschland eine bekannte Schauspierlin ist. Die Filmografie hat mich beeindruckt! Und das Interview ist einzigartig! Diese Frau hat Klasse!

Susi

Sehr lebendig, modern und offen. Hier wird sie jetzt mal ganz anders gezeigt. Das kann sich wahrscheinlich nicht jede Zeitung leisten, aber ich finde es super. Da kann ich mir vorstellen, dass dieses Interview auch für Frau Ugowski erfrischend anders war. Ich habs echt gerne gelesen.

Thomas Jacobi

Ich war damals so in die Goldmarie verliebt. Ich bin, scheinbar viel schneller als Frau Ugowski, alt geworden und freue mich immer sehr sie im Fernsehen und im Kino zu sehen, aber ich höre auch wirklich gerne ihr Stimme in den Hörspielen. Die wurden hier garnicht erwähnt?

Maria Bruckland

@Thomas Jacobi Hast du noch Hörspiele aus dieser Zeit? Ich habe ja einige auf Kassette aufgenommen :) Mit Karin Ugowski habe ich so 3 bis 4.

Thomas Jacobi

@Maria Burckland Karin Ugowski hat ganz viele Hörspiele gemacht. Sie war auch Synchronstimme für einige ausländische Schauspielerinnen. Die Schauspieler, die damals ihre Ausbildung gemacht haben, können einfach noch richtig gut Sprechen. Da hört man einfach gerne zu.

Thomas Jacobi

@Maria Burckland PS: Welche Hörspiele haben Sie denn? Evtl. kann man sich austauschen :) LG

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