Als es hieß, der Film würde dieses Jahr noch nicht in #Cannes laufen, brodelte die Gerüchteküche in den internationalen Kino- und Branchennews hoch, denn der Film bearbeitet keinen leichten Stoff. Und er ist der 2. Teil zu einem bereits prämierten und preisgekrönten Meisterwerk eines Verarbeiters von #Krieg im Zusammenhang mit einem Land, welches wir in Deutschland mit ganz anderen zu verarbeitenden historischen Tragödien verbinden: Israel. Die Rede ist von #Regisseur Samuel Maoz und sein erfolgreicher internationaler Debütfilm. Dieser hieß damals „Lebanon“ (2009). Der vielen noch in Erinnerung als der Film sein dürfte, in dem sich alles wie in einem Kammerspiel um das Innere eines Panzers drehte. Auch der 2. Tanz findet in engen Räumen statt. In den Köpfen der Menschen. Aber inwiefern Israel selbst sich zu der fortgehenden Vergangenheitsbewältigung ihres israelischen Regisseurs Maoz zu bekennen vermag, bleibt auch weiterhin und auch im Rahmen dieses neuen Filmes spannend. Sehr verschiedene Stimmen waren da schon zu hören. Nicht jeder mag die selbstkritische Auseinandersetzung des Ausnahmeregisseurs. ARTE hingegen war offensichtlich davon hinreichend begeistert um die Produktion in Zusammenarbeit mit Pola Pandora ko-zu-produzieren.
Aber vielleicht sollte man erst einmal damit anfangen: Wer ist dieser Mann? Samuel Maoz stammt aus einfachen Verhältnissen. Er gehört nicht zur Elite der Kunst- und Filmschaffenden oder einer Schauspieler-Dynastie. Er wurde als Sohn eines Busfahrers und einer Krankenschwester geboren. Ein Grund mehr für uns ihn sympathisch zu finden. Aber da hört es dann auch schon auf mit den Banalitäten. Im Alter von 13 Jahren bekam der Film-Interessierte junge Mann eine 8-mm-Filmkamera geschenkt, denn es war nicht unbekannt geblieben, dass er schon seit frühester Kindheit davon schwärmt Filme machen zu wollen. Eine Ausbildung zum Kameramann verhalf ihm später dazu: als Szenenbildner an Film- und Fernsehproduktionen mitwirken zu können. Doch Maoz entwickelte schnell höhere Ziele: Als Regisseur zeigte er sich bald für die Inszenierung von Dokumentarfilmen wie der ARTE-Produktion "Total Eclipse" (2000), Fernsehserien und auch Theateraufführungen verantwortlich. Entscheidend für seine heutige Filmarbeit und Bekanntheit sollte jedoch etwas ganz Anderes werden: Der Krieg.
In kommenden Filmarbeiten wollte er sich dem 1. Libanonkrieg aus dem Jahr 1982 widmen, an dem er selbst als junger 20-jähriger Schütze einer Panzerbesatzung teilgenommen hatte und verwundet worden war. Nach Beginn des 2. Libanonkrieges 2006 machte sich Maoz jedoch erst an die Realisierung dieses ersten Spielfilmprojekts namens „Lebanon“, das drei Jahre in Anspruch nehmen sollte. Inspiriert und motiviert durch das Schicksal vieler Menschen und seiner eigenen Erfahrungen. Maoz blieb eigenen Angaben zufolge 45 Tagen im Libanon, wovon er 30 Tage als „Hölle“ beschreibt. Im dem Drehbuch zu Lebanon verarbeitete Maoz also persönliche Erlebnisse, nachdem bereits seine Regiekollegen Joseph Cedar (Beaufort, 2007) und Ari Folman (Waltz with Bashir, 2008) sich dem Libanonkrieg und der persönlichen Vergangenheit als Themen angenommen hatten. Der neue Streifen wird von uns als 2. Teil empfunden, denn das Thema hat sich nicht geändert: aber Maoz wählt eine neue Perspektive. Nicht weniger interessant als jene aus „Lebanon“. Es ist ein Kammerspiel im Inneren eines Kopfes mit jeder Menge Irrungen des Menschlichen bis hin zum tragisch-komischen.
Umso erfreulicher war dann die späte Kunde für uns, dass der Streifen, der den Namen „Foxtrot“ trägt und somit schnell mit anderen Filmen verwechselt werden könne, kurz nachdem Cannes leider schon vorbei war nachträglich in Israel uraufgeführt und danach im Hauptprogramm der Filmfestspiele von Venedig im Rahmen der #Biennale einen Grand Prix der Jury (den silbernen Löwen) erhielt und gleich darauf zum Filmfest in Toronto eingeladen wurde. Und es wäre nicht das erste Mal, dass solche Filme dann fast ein Jahr später auch noch nachträglich im Rahmen anderer Filmfestivals oder Verleihungen, wie Cannes oder den Oscars, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits schon liefen, eingeladen wurden und erneut auf sich aufmerksam machten.
Die Rezensionen sind gemischt. Von Stolz bis hinzu Argwohn aus den Reihen der eigenen Landsleute, sowie große Erwartungen an Maoz, zeigen, dass dieser Filmemacher wahrlich nicht zum Durchschnitt der Medienbranche gehört. Noch ein Grund mehr ihn zu mögen. Von den Stoffen, die ihn beschäftigen bis hin zu den Besetzungen in seinen Filmdramen, zeigt Maoz Gespür für zeitlose und kompromisslose Filmkunst gehobener Klasse. Auch deutsche Schauspieler beteiligten sich an diesem mutigen und brisanten Streifen und so wurde der kurze Auftritt der Mutter des Protagonisten von einer Theater- und Filmschauspielerin verkörpert, die selbst kein unbedeutenden Teil ihrer eigenen Landesgeschichte in sich trägt. Wie Maoz zu seinem Land. Befreundet mit den Braschs, gearbeitet mit Beckett, Müller, Castorf und Schlingensief, Mitglied der damaligen Organisation, die die Novemberkundgebung auf dem Alexanderplatz 1989 mitorganisierte für einen friedlichen und besonnenden Umschwung und Teil eines der größten jüngeren historischen Ereignisse in Deutschland war: dem Mauerfall, gehörte Karin Ugowski zu den ersten Frauen, die in Kriminalverfilmungen wie Polizeiruf oder Tatort eine weibliche Ermittlerin als leitende Kommissarin/Beamtin spielen durfte, zu Zeiten, als die Emanzipation hierzulande noch in ihren Kinderschuhen steckte. Und sie gehört neben der Prinzessin aus den 3 Haselnüssen zu den ersten großen Märchenprinzessinnen im europäischen Kino zu einer Zeit, wo der Farbfilm gerade mal geboren war. Und daher ist ihr Gesicht vielen aus dem jährlichen Weihnachtsfernsehprogramm bekannt: Karin Ugowski (Goldmarie, Frau Holle / Das unsichtbare Visier / Polizeiruf).
Wir durften sie kurz telefonisch befragen, was sie an dieser Rolle reizte, da wir wussten, dass sie ungern typische deutsche Frauen in internationalen Produktionen verkörpere und Angebote dieser Art bereits ablehnte. Und ihre Antwort verblüffte und rührte uns zu gleich: Mal davon abgesehen dass Maoz sie wohl an den verstorbenen Freund Peter Brasch erinnere (Bruder von Thomas Brasch), war für sie die Figur der unter Gedächtnisverlust leidenden schwierigen Mutter des Protagonisten mit deutschen Wurzeln eine Form der empathischen Verarbeitung in Form von Rollentausch für die schwer verarbeitbare Situation in der sie sich mit ihrer eigenen schwerkranken über 90 Jahre alten Mutter zur Zeit befindet. „Quasi in die Rolle meiner Mutter zu springen, und sei es nur für wenige Filmminuten“ so summierte sie selbstironisch über die Randszene zum Film, hat ihr geholfen offen und mit positiven Gefühlen das Krankenzimmer ihrer eigenen Mutter zu betreten. Eine Herangehensweise an die Rolle, wie sie ein Cassavetes oder Bergman sich nicht hätte besser wünschen können. Das Verhältnis zum Regisseur beschrieb sie als offenherzig und sehr warm.
Wann und ob der Ausnahmefilm in die Deutschen Kinos kommt, oder ob es hierzulande ein Geheimtipp bleibt, bleibt abzuwarten. Aber sicher ist, dass der Streifen weder in Venedig noch in Israel oder den USA Mangel an Aufmerksamkeit erleiden wird. Der Film wurde zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels auch bereits 13 mal für den israelischen Oscar, den Ophir Award, unter anderem als bester Film des Jahres nominiert. Wir hatten noch nicht die Möglichkeit den Film zu sichten, waren aber schon während der Produktion auf das Projekt aufmerksam geworden und waren gespannt wie sich die Dreharbeiten entwickeln würden. Als wir von Venedig erfuhren, haben wir uns sehr für den Film und sein Anliegen gefreut und konnten uns eine Vorab-Berichterstattung hier nicht verkneifen. Und wir werden auf jeden Fall noch eine Filmrezension nachreichen.
Nachtrag:
Er gewann in der Kategorie bester Film und, als hätte ich wahrsagerische Kräfte, wurde er, wie ich soeben erfuhr, bereits für die 90. Oscar-Verleihung 2018 eingeladen und als „Best Foreign Language Film“ (Deutsch: Bester fremdsprachiger Film) nominiert. Chapeau, Senior Maoz!
Ja auch ein kleines Online-Magazin kann einen „Guten Riecher“ haben...
Comments
Ich hab den Film noch nicht gesehen. Man weiß noch gar nicht ob der überhaupt in Deutschland laufen soll. Aber Silberner Löwe und Oscar-Nominierung klingt doch ganz vielversprechend.
Wow, ich habe in der internationalen Presse einiges über diesen Film gelesen. Und obwohl er bei bedeutenden Filmfestivals lief, wurde er in Deutschland kaum besprochen. Super Rezension. Macht auf jeden Fall neugierig.
Ich finde die Rezensionen hier eh immer ganz lesenswert. Einfach mal anders.
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