Abbildung von Apollo Statue mit Lyra
Apollon ist in der griechischen und römischen Mythologie der Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung sowie der Weissagung und der Künste, insbesondere der Musik, der Dichtkunst und des Gesangs. | photo by Jastrow (2006) | provided by Wikipedia | ©  Public Domain

...im Wandel der Zeit : Mehrwert zwischen den Zeilen

Lyrik der Gegenwart...

Schaut man in die Buchläden und blendet mal den Fakt aus, dass #Bücher derzeit einen grundsätzlichen Überlebenskampf führen. Und betrachtet nur die Verhältnisse zwischen den Genres in den Regalen. Und erinnert sich an die eigene Schulzeit mit klassischen Gedichten als permanente Pflichtlektüre. Dann könnte man zu der Frage kommen: Wie wichtig ist #Lyrik heute eigentlich überhaupt noch? Verleger, Buchhändler und Leser - so hat man den Eindruck - scheinen ihr, im Gegensatz zu anderen Genres wie Kriminalromane, heute zunehmend nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Zumindest hätte man in den letzten Jahren zu diesem Schluss kommen können.

Aber der Schein trügt. Da scheint sich nicht nur wieder etwas mehr zu regen. Sondern das konnte man auch, wenn man genau hinsah, weder heute noch vor ein paar Jahren so sagen. Es gab und gibt immer wieder neue Autoren zeitgenössischer Lyrik. In diesem Jahr gewann erstmals ein Lyriker den Leipziger Buchpreis: Jan Wagner. Er erhielt die renommierte Auszeichnung in der Kategorie Belletristik für seinen Lyrikband "Regentonnenvariationen" und setzte sich damit gegen die ausschließlich Prosa schreibende Konkurrenz durch. Wenn das kein Zeichen für (neues) Interesse an Lyrik ist. Derzeit ist der Lyrik Band "Wir können alles sein, Baby" von Julia Engelmann (bekannt geworden über YouTube mit ihren Poetry Slam Auftritten) auf Platz 1 der Bestsellerliste für Lyrik. Die gesammelten Werke von Goethe sind auf Platz 6.

Abbildung von Portrait von Goethe von Joseph Karl Stieler
"Johann Wolfgang von Goethe im 80. Lebensjahr". Johann Wolfgang von Goethe gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung. | Artist: Joseph Karl Stieler | provided by Wikimedia Commons | ©  Public Domain

Auch wenn Lyrik einen eher historisch und verstaubt anmutenden Ruf genießt, in der man ihre vermeintliche Eingeengtheit als nicht mehr zeitgemäß empfinden wollte, ist sie in der modernen Welt des 21. Jahrhunderts stärker vertreten als viele glauben. Sie scheint nicht nur in ihrer Anwendung vielfältiger geworden zu sein und ist nicht mehr nur eine vornehme Dichtkunstform mit Vertretern und Lesern im höheren Bildungsbürgertum sondern sie ist mehr in die Mitte des Lebens gerückt und somit zurück zu ihrem Ursprung. Aber dazu später mehr.

Viele große Theatermacher der letzten Jahrzehnte bedienten sich diesem Stil des Schreibens und dehnten ihn auf spannende Weise. Und die junge nachwachsende "Digi-Nation" hat sie auch unlängst für sich (wieder) entdeckt. Da gibt es eine Vielzahl von Lyrik-Foren im #Internet und der immer beliebter werdende Dichterwettstreit, der Poetry Slam, der Ende der 1980er Jahre in Chicago entstand und sich in den 1990ern in der ganzen Welt verbreitete, hat in Deutschland die zweitgrößte "Slam-Szene" nach der Englischsprachigen hervorgebracht. Und auch in der deutschen Musik-Szene scheint die Lyrik neu belebt, besonders der deutschsprachige Hip Hop, mit seinen Untergenres Conscious-Rap und Emo-Rap, hat die Lyrik fernab von Teegebäck am Sonntag interessant gemacht. Hier wird Lyrik im Grunde in seiner Ursprungsform, nämlich begleitend zu #Musik vorgetragen. Denn Lyrik ist, wie ihr Name verrät und wie bereits vorher angedeutet, eine Gattung der Literatur, die dem Lied und der Musik nahe steht. Und wie so oft, gehen auch die Ursprünge der Lyrik (die zum Spiel der "Lyra" gehörende Dichtung in Versform) auf die griechische Antike zurück.

Abbildung von Walk of Ideas Berlin
"Walk of Ideas Berlin". Walk of Ideas war eine künstlerische Veranstaltungsreihe zur Fußball-WM 2006, unter dem Motto „Ein Spaziergang durch Ideen aus Deutschland“. Hier dargestellt der moderne Buchdruck. | photo by Lienhard Schulz | provided by Wikimedia Commons | ©  CC BY-SA 3.0

Aber Schluss mit der Lehrstunde: Die Frage bleibt berechtigt. Gibt es Lyrik im klassischen Sinne im Breitband des Literaturangebots heute in der Form überhaupt noch? Man hat nicht den Eindruck. Gibt es eine nennenswerte Vielzahl zeitgenössischer Autoren und Gedichtbände in den Buchhandlungen heute noch zu kaufen? Der auf den ersten Blick traurig anmutende Fakt ist: Gedichte machen im Buchhandel nur etwa 1% des Belletristik-Umsatzes aus. Das ist praktisch Nichts. Wie kann es sein, dass der Buchmarkt da so hart an der Realität vorbei schrammt?

Verlagsanteil 1%. Und doch sprechen wir von einer Szene? Ja. Diese Szene ist klein aber stetig und derzeit im Wachstum. Ich spreche auch von Verlegern. Sie besteht eher aus kleinen Verlagen wie "Kookbooks" oder dem "Gutleut" Verlag, die auch mehr als nur Verlagsarbeit leisten, in dem sie gleichzeitig ein Netzwerk und eine Plattform darstellen. Aber auch klassische Verlage entdecken dieses Genre für sich und ihre Leser wieder neu. Nur muss man dafür heute mehr tun. Denn einfach nur ein Gedichtband drucken, dass funktioniert heute nicht mehr. Die Verlage müssen sich gleichzeitig ihr Publikum schaffen und einen Rahmen für Veranstaltungen bieten. Aber das betrifft heute letzten Endes jedes Genre. Das hat sich nicht nur für Lyrik geändert.

Abbildung von Ernst Jandl und Friederike Mayroecker - v.l.n.r.
Ernst Jandl- und Friederike Mayroecker - v.l.n.r. Dem hohen Ton ihrer Lyrik standen die sprachlich eher einfach gehaltenen Gedichte Jandls gegenüber, dennoch waren sie literarische Verbündete. | photo by Wolfgang H. Wögerer, Wien, Austria | ©  CC BY-SA 3.0

Klar ist: Größere Verlage wie der Suhrkamp Verlag werden wohl auf solche Züge erst wieder auf springen, wenn sie merkbar ins Rollen geraten sind, da verhält sich der Buchmarkt leider nicht anders als der Musikmarkt oder jeder andere Markt. Innovation oder schnelles Reagieren fällt den Großen schwer. Liegt wohl in der Physik. Sie sehen den letzten großen Lyrik-Erfolg eines deutschsprachigen Dichters im Ausland Jahrzehnte zurück, in den 1970er Jahren mit Hans Magnus Enzensberger und seiner politischen Lyrik, so kommt es mir vor. Aber das gilt nicht flächendenkend. Der Hanser-Verlag z.B. hingegen freut sich aufrichtig, wenn im Jahr zwei Verträge für Gedichtbände gemacht werden können. Friederike Barakat von der Auslandsrechte-Abteilung sagt: „Im Prinzip ist jeder Lizenzverkaufsvertrag für einen Gedichtband, der dann auch erscheint, ein Erfolg." Das ist vielleicht keine Ode auf Lyrik, aber es klingt nach gewünschtem Optimismus.

Dabei ist das Potenzial von Lyrik unabhängig von ihrem künstlerischen nicht anzweifelbaren Wert auch für das "Geschäft" mit der Literatur nicht zu unterschätzen: Das #Gedicht "Stufen" von Hermann Hesse (1941) wurde in über sechzig Sprachen übersetzt und ist damit weltweit wahrscheinlich das erfolgreichste deutsche Gedicht. Trotzdem herrscht die Meinung vor: Zeitgenössische Lyriker haben es hierzulande eher schwer. Das liege aber eher am mangelnden Glauben an dessen Potenzial in einer Welt die von Marktwirtschaft bestimmt wird als an den nicht übersehbaren Tendenzen hin zur Lyrik, so die Optimisten. Denn trotzdem sprechen wir von einer lebendigen Lyrik-Szene. Diese ist zwar vergleichsweise kleiner als eine Harry Potter Party, aber sie existiert. Und sie ist zuverlässig. Eine 2000er Auflage ist für ein Lyrikband heute zwar schon ein Bestseller, wo die Auflagenzahlen bei Bestseller-Romanen erst bei 500.000 bis zu einer Million losgehen, aber es gibt mehr gut geschriebene Krimis, die im Nirvana der Masse untergehen und bei Lesern auf Grund des Überangebots komplett untergehen und übergangen werden, als gut geschriebene Lyrikbände, denen solch Schicksal heute viel seltener zu Teil wird, weil sie von ihren Lesern in der Not mangelndem Angebots sofort und gierig verschlungen werden. Also kann man wenn man marktwirtschaftlich geschickt denkt, damit durchaus ein Verlag aufbauen und sich einer treuen Lesergemeinde erfreuen.

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