Abbildung von der Schauspielerin Mary Pickford mit Gitarre
"Mary Pickford Guitar" | photo by Perlinator | provided by Pixabay | © Public Domain

Der Stummfilm : Das Genre einer internationalen Sprache

Eine vergessene Kunst

Passend zur kommenden #Berlinale und Oscar-Verleihung gehen wir gleich ein großes Stück in der Zeit zurück. Doch zuvor im Hier und Jetzt: Eine Welt die keine Grenzen kennt. Zumindest kulturell betrachtet sind wir seit Jahrtausenden auf dem Weg dorthin. Die Kulturen der Welt lernen sich kennen, begegnen sich, bilden neue Kulturen. Und der technische Fortschritt lässt die Menschheit mit all ihren verschiedenen Kulturen näher zusammenrücken. Ein Austausch auch über tausende Kilometer ist heutzutage ganz normal. Wir schauen amerikanische Filme, essen asiatische Küche und trinken Wein aus Europa, tanzen zu Musik aus Afrika und lesen Bücher südamerikanischer Autoren und ja, wir alle lieben Kängurus :) Zur Ermöglichung und Vereinfachung der Verständigung zwischen all diesen über Jahrtausende entstandenen Kulturen gibt es immer wieder Versuche allgemeingültige Standards zu etablieren. Derzeit schlägt die Kommunikation über die englische Sprache eine Brücke zwischen vielen Menschen. Und die Musik.

Und in dieser Welt der Internationalität ist eine jetzt schon über 100 Jahre alte Kunstform fast ausgestorben. Jene Kunstform, die keiner gesprochenen Sprache bedarf und die universell verständlich ist. Die Rede ist vom Stummfilm.

Abbildung der Schauspielerin Shannon Day
"Shannon Day Actress Stage" | photo by Skeeze | provided by Pixabay | © Public Domain

Nun drehen wir die Zeit um 100 Jahre zurück. Welche Sprache die #Schauspieler sprechen spielt keine Rolle, da sie nicht zu hören sind. Im Stummfilm sind alle Gesten und Gefühle eindeutig mit leichter Übertreibung von den Schauspielern dargestellt. Das war besonders zur Blütezeit des Stummfilms in den USA, in den 1910er – 1920er Jahren von großer Bedeutung, da die Einwanderer aus dem alten Europa der englischen Sprache nicht mächtig waren und die Mimik der einzige Weg war Emotionen zu übertragen. Nicht nur die Schauspieler vor der Kamera waren kreativ und befreit von Sprachbarrieren, der Stummfilm war ein regelrechter Sammelpunkt für kreative Köpfe und technisch Begeisterter aus aller Welt und aller Sprachen.

Dass wir ihn heute überhaupt noch kennen, hat der Stummfilm seiner Renaissance in den 1970er Jahren zu verdanken. Doch ist er bis heute unterschätzt, da er durch das Vorkommen des Wortes "Film" mit jeder Art von Film, also auch dem Unterhaltungsfersehen verglichen wird. Dabei gehört der Stummfilm sogar als Begründer der Kategorie Filmkunst in diese, zumindest wenn es nach Autorenfilmern wie Sebastian Ugovsky ginge. Und dies auch wenn die bewegten, aber stummen Bilder zuerst eine rein technische Errungenschaft darstellten und anfangs einfach für ihre technische Umsetzung bewundert wurden. Die ersten vorgeführten Stummfilme waren nur einige Sekunden lang und zeigten ganz alltägliche, unspektakuläre Szenen. Die Möglichkeit einer Inszenierung wurde erst Jahre später entdeckt.

Abbildung der Schauspielerin Mary Pickford
Mary Pickford Ziegfeld" | photo by Alfred Cheney Johnston | provided by Wikimedia Commons | © Public Domain

Zuerst war da das Interesse an Bewegung. In den 1870er und 1880er Jahren wurde die Momentaufnahme von sich bewegenden Objekten möglich. Wo vorher die Fotomodelle lange Zeit regungslos da stehen mussten, war nun durch eine kurze Belichtungszeit eine schnelle Abbildung möglich. Pioniere wie Ottomar Anschütz, Albert Londe, Étienne-Jules Marey, Eadweard Muybridge entwickelten aus dieser Möglichkeit die Chronofotografie, oder auch Serienfotografie. Muybridge zum Beispiel stellte 16 Kameras auf um die Bewegungsabläufe eines Bisons abzubilden. Diese Serienbilder in schnelle Abfolge angeschaut, stellten die ersten bewegten Bilder dar und sind somit die Urväter des Films.

Nur zehn Jahre später um 1890 wurden dann schon die ersten Filmkameras gebaut, wie der Kinetograph. Diese Bezeichnung setzt sich aus den alt-griechischen Worten "kinein" - sich bewegen und "graphein" - schreiben, zeichnen zusammen. Die Firma Edison lies dann 1894 als erste die Filmkamera patentieren, die einen 1⅜ Zoll breiten Film aus Zelluloid mit einem Rätschenmechanismus bei bis zu 46 Bildern pro Sekunde an einem Objektiv vorbeiführte und dabei belichtete. Die ersten Filmvorführungen für zahlendes Publikum gab es in New York und Berlin schon im Jahr 1895. Den größten Einfluss auf die Kinogeschichte hatten jedoch die Brüder Lumière in Paris, die ihr Patent des Cinématographe (ursprünglich Kinétoscope de projection), welcher Filmkamera, Kopiergerät und Filmprojektor in einem war und im Gegensatz zu dem Kinetograph auf 35-mm-Film aufzeichnete, schon 1902 an Charles Pathé verkauften, der damit zu einem der Begründer der Filmindustrie aufstieg.

Abbildung von Charlie Chaplin und Jackie Coogan am Set von The Kid
"Chaplin The Kid Edit" | photo by James Willis Sayre | provided by Wikimedia Commony | © Public Domain

In den 1910er Jahren kam Carl Laemmle als Erster auf die Idee, die bis dato unbekannt gebliebenen Schauspieler in den Filmen zu nennen und schuf damit den Abspann und den "Filmstar". Doch von der Filmschauspielerei konnte zuerst keiner Leben, obwohl die Nachfrage nach Filmschauspielern wuchs und die Laiendarsteller immer häufiger von Theaterschauspielern ersetzt wurden. Und dies obwohl die großen Theater bis 1914 ihren Schauspielern verboten in Filmen mitzuwirken, da der Film und die Filmvorführung in Kinos eine Konkurrenz für das Theater darstellte. Auch hatte es das neue Medium Film im deutschsprachigen Raum schwer, da es die Kunstvorstellungen des Bildungsbürgertums in Frage stellte und einen Bruch mit der konservativen Übereinkunft dieser Zeit bezüglich der Kunst gerade zu provozierte. Ganz anders war da die Auffassung bezüglich des Films in den skandinavischen Ländern und in Frankreich. Dort wurde er als Kunstform verstanden und FilmschauspielerInnen, wie die Dänin Asta Nielsen, hatten bereits internationale Erfolge. Diese rasche Entwicklung und Erfolgsgeschichte des Stummfilms erfuhr dann ein sehr abruptes Ende mit der Einführung des Tonfilms in den späten 1920er und den frühen 1930er Jahren.

Der Tonfilm wurde vom allgemeinen Publikum gerne angenommen, da er viel weniger künstlerisches Verständnis verlangte. Viele Größen des Stummfilms und viele Liebhaber dieser Kunstform lehnten den Tonfilm strikt ab. Charles Chaplin war einer von ihnen. Er empfand jedes gesprochene Wort für überflüssig, da diese Art von Film durch die Mimik und Gestik lebte. Der künstlerische Anspruch des Stummfilms bestand ja darin Emotionen durch Bilder und Musik zu erzeugen. Jean-Luc Godard beschreibt die Veränderung die der Tonfilm mit sich brachte so, dass als der Tonfilm kam, es keine Beziehung mehr zwischen den Bildern gab, dass der Tonfilm diese Art des Sehens von in Beziehung-stehenden Dingen unmöglich gemacht habe. Die Filmkritikerin Lotte Eisner schrieb, dass der Tonfilm die künstlerischen Bemühungen des Stummfilms um 10 Jahre zurückgeworfen hätte. Der Stummfilm war zu dem Zeitpunkt schon zu einer Kunst der Darstellung mit hoher künstlerischer Qualität herangereift, welche der Tonfilm erst viele Jahre später annähernd erreichen würde. Ursache der damaligen Einstellung zum Tonfilm war, dass dieser, genau wie der Stummfilm in seinen Anfängen, noch in den Kinderschuhen steckte und die Kunst des Erzählens mit Bild und Ton zu einer dem Theater ebenbürtigen Qualität erst noch heran reifen musste.

Comments

Sternenkind

Schöner Bericht, hat mir sehr bei einem Referat geholfen ;)

Lisa Bon Aleks

So hat alles begonnen. Aber so wie der Stummfilm alle anderen Unterhaltungsformen der damaligen Zeit verdrängt hat, so wurde er vom Tonfilm verdrängt. So ist dass immer mit den modernen Erneuerungen. Leider geht dadurch auch viel Schönes verloren.

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